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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Donner von Richter, Otto: Die Steinle-Ausstellung im Städel'schen Institut zu Frankfurt a. M.
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0206

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Die Sleinle-Ausstellung im Ltädel'schen Jnstitut zu Frankfurt a. !N. von Gtto Donner- von Richter

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eine Wand im Saal" bei ihrer Besichtigung solcher welt-
lichen Darstellungen „waren sehr erbost zn schauen, daß
auf der losen, leidigen Wand nicht auch ein Götterbildnis
stand" (Vgl. Goethe „Künstlers Fug uud Recht"). Eine
solche Gelegenheit wurde aber unserm Künstler im Jahre
1854 durch Or. Karl vou Guaita gegeben, welcher die
Dichtungen seiues Oukels Clemeus Breutano zur Zierde
eines Saales in seinem Hause iu kolorierten Kartons durch
Steinles Hand verherrlicht wünschte. Diese Kartons,
welche sich in der Ausstellung saus dem Besitz der Baronin
Handel, geb. von Guaita) befiudeu, gehöreu zu dem reiz-
vollstcn, was Steinle in dieser Richtung geschaffen hat.
llnter dieser Gattung von Werken leuchten noch ganz be-
souders hervor, die aus je fünf in eiuem Rahmeuwerk
vereiuigten Aguarellen besteheuden Cyklen aus dem Nkärchen
am „Schneeweißcheu uud Roseurot" (Nr. 155 von 1868)
und aus Wolframs vvn Eschenbach Parzival, (N^ 177
von 1883).
Wenden wir uns aber wieder der Hauptrichtung des
Meisters, der religiösen Gedankenwelt zu, so fesselt unsere
inteusivste Aufinerksamkeit ein Werk, von welchem man
wohl sagen kann, daß es in umfassendster Weise alle
Seiteu der künstlerischen Begabung Steinles iu der her-
vorragendsten Weise zeigt. Es ist eine große, in durch-
studiertestem Kontur entwickelte reichhaltige Komposition,
„die drei Weltreiche: Hoffart, Fleischeslust uud Augenlust"
von dem Meister benanut. Sie stammt aus dem Jahre
1855, also aus der Zeit, in welcher der Meister auf dem
Zenith seiner künstlerischen Höhe angelangt war, aus
seinem 45. Lebensjahre.
Eine Fülle schöner religiöser wie weltlicher Kom-
positioueu, auch Gelegeuheitszeichnungen, nameutlich solche
der Familie Brentano gewidmete, ja selbst politisch humo-
ristische Zeichnungen aus dem Jahre 1848 sind wir zu
übergehen geuötigt. Nur seien als besonders eigenartige
nud ergreifende, dem Talente des Meisters ganz eigen-
tümliche, noch einige wenige hier augeführt. Zu diesen
gehört das ergreifende Aguarell des Todes des heiligen
Franziskus von Assisi, welcher noch eutzückt bei schou
brechendem Auge deu himmlischen Tönen lauscht, die ein
auf lichten Wolken zu dem dürftigeu Toteubette herab-
gestiegener Engel der Geige entlockt, und welche ihn die
himmlischen Harmonien bereits ahnen lassen (Nr. 119).
Ferner die ebenso ergreifeude Zeichnuug der Aufnahme dcs
reuigen Schächers, welchem Engel die Pforten des Para-
dieses eilig und weit öffnen uud welchem Christus liebevoll
eutgegengeht, uud schließlich die gauz bezaubernde Aguarell-
Jdylle des Besuches der Maria bei Elisabeth, in welcher
die beiden Frauen iu einem deni Hause sich anschließenden
Garten mit herrlicher Fernsicht an einem Tische unter
dichtem Laubdache sitzend in vertraulicher Ilnterhaltuiig
dargestellt sind, während die beideu Ehemänner abseits
stehend ihre eigene Uuterhaltung führen.
Unter den Kartons finden wir die einzelnen Teile
des Bilderschmuckes dcr Kapelle des Fürsten Löwenstein
zu Kleinheubach, ein an Bedcutuug der Kapelle auf gkheineck
gleichkommendes Werk, und serner die ganze Reihe der
kolorierten Kompositionen zu dem großartigen Werke der
Ausschmückung des Frankfurter Domes. Nber letztere haben
diese Blätter schon in Heft 14 vom 1. Mai 1886 einige
Notizen gebracht; unter ersteren atmet der kolorierte Kar-
ton der Himmelfahrt Mariae eine Stille und Andacht in
der Komposition, eine Vollendung und Schönheit in der

Behandlung der Draperien, die Figur der emporschweben-
den Maria ist von so jungfräulicher Anmut, daß wir
diesen Kartou zu deu vollendetsten Arbeiten des Meisters
rechnen müssen. Die unkolorierten zu der Heubacher
Kapelle gehörigen Kartons (Nr. 30—38) siud nicht alle
gleichwertig; aber hervorrageud schvn ist „Christus am
Olberg", die „Pietä" uud das „auxilium Lliristiunorum"
d. h. die Madouna, welche schützend ihren Mantel aus-
breitet über die zu ihrer Rechteu knieenden Vertreter des
Klerus uud die zu ihrer Linken knieeiide Laienwelt mit
den Armeii und Bedürftigen. Der kolorierte Karton
(Nr. 28) zu dem Gemälde „Adam und Eva" in der
Galerie Schack ist in seiuer Aquarellausführuiig bei fast
vollständiger Lebeusgröße eine ganz erstaunliche Leistuug.
Auch alle Kartons zu deu Wandmalereieu des Wallraf-
Richartz-Museums in Köln haben ihren Platz in der Aus-
stelluug gefunden.
Betrachteu wir nun die Sammlung der Olgemälde,
in welchen der Meifler noch das widerspäustige Elemeut
der Ölfarbe zu bewältigen hatte, so begegneu wir hier
einem entschiedenen Riugen und Kämpfen mit demselben
und empfinden dabei die Genugthuung, daß es deni
Meister, weun auch nicht immer, doch in vielen Fälleu,
und bei eiuigen Werken in gauz überrascheuder Weise ge-
lungen ist, des Materiales Herr zu werdeu uud es seiuen
besonderen Zwecken dienstbar zu machen. Was uns hier-
bei stets wohlthuend auffällt, ist das Bestreben, sich eine
selbstäudige Technik zu schaffeu, wie sie seiuen Stoffen
angemessen war, dieselbeu zu gesteigertem, schönerem Aus-
druck brachte und keine sremden Elemente in sie hinein-
trug.
Zu den vollendetsten, wahrhaft koloristisch empfun-
deuen Gemälden gehört die schöne Madouna iu feiu grüu-
lichblauem Gewande im Freien sitzend dargestellt, das
schlafende Christkiud im Schoße haltend, und ganz betont
von dem hellen Frühmorgeuhimmel sich abhebend (Nr. 78
von 1874). Diesem schließt sich ebeubürtig „Jesu Nacht-
reise mit den Jüugern" an (Nr. 76 von 1868), eine in
Eiiizelgruppeu aufgelöste Kompositiou, deren Mitte Christus,
im Gespräch mit Johannes uud Petrus einherschreitend,
einnimmt. Eiu aus der Nacht iu die Morgeudäimnermig
übergehender Himmel bildet den Hiutergruud für alle die
tiefbeschatteten Gestalteu, welche jedoch, vvu eigentümlichem
Dämmerlichte leicht erhellt, alle Eiuzelheiten der Züge uud
Gewandung erkeuuen lasseu; eiu wahres Meisterstück feiuer
Durchbildung. Auch der auf einer Fensterbrüstung sitzeude
Geiger (Nr. 73 vou 1868), von welchem diese Blätter
schon die Reproduktion einer Zeichnung brachten, ist vou
harmonischer, zarter Durchführung, weun auch teilweise
etwas schwärzlich in den Mitteltönen. Dagegen erfreut
eine uahezu lebensgroße Madouna unter einem Blüteu-
bauni sitzend (Nr. 7 0), eines der letzten Werke des Meisters
aus dem Jahre 1884, dnrch deu hellen, lichteu Ton, der
es ganz umfließt, zugleich auch durch die Lieblichkcit des
Madonnenkopfes. Es ist noch Eigentum der Erbeu. Die
lebensgroße Figur der Maria Magdalena (Nr. 70), die
am Ostermorgen mit dem Salbgefäße in der Hand bei
dem Grabe Christi von der Morgendämmerung überrascht
wird, die gleichfalls lebensgroßen Figuren bei Mariae
Heimsuchung (Nr. 66, aus der großherzoglichen Galerie
in Karlsruhe), wie auch die tiburtiuische Sibylle des
Städelschen Jnstitutes zeigen treffliche malerische Jnteu-
tionen, wenugleich einzelne Härten sie von den erstge-
 
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