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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Karl Raupp
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0238

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Aarl Raupx

,82


U. Rauxps Studienplatz: FrauenchirmsLe. Glskizze des Aünstlers
arm nnd einförmig; die der klassizistischen Schule hatte dankt sie dem auch eine Volkstümlichkeih von welcher sie
unter Cornelius wohl einen Anlauf dazu genommen, lvenigstens in Deutschland zu allen früheren Zeiten nicht
wenigstens unsere ideale Welt, Mythe und Dichtung zu viel wußte.
schildern, der Gegenwart, dem wirklichen Leben, stand auch Natürlich war zur Bewältigung einer so ungeheuren
sie kalt und vollkommen verständnislos gegenüber. — Man Aufgabe, wie es die Schilderung des nationalen Lebeus
hatte da zur Beschönigung der eigenen Ohnmacht allerhand iu allen seinen Schichteu ist, alsbald eine Teilung der
faulen Trost, behauptete „das, was im Gesaug soll leben, dlrbeit nötig, nur sie ermöglichte jene so unendlich genauere
mnß im Leben untergehn" oder „was sich uie und nirgeud nnd reichere Schilderung, jene Ausbildung der Kuust zu
hat begeben, das allein veraltet nie" und was dergleichen einer Sprache, welche die geheimsten Regungen des Seelen-
schillerude und halbwahre Phrasen mehr sind, welche die lebens, wie die feinsten Unterschiede im Aussehen, Ge-
Armut aller Kunstrichtungen verhülleu sollen, die nicht den bahren und deu Sitten der einzelnen deutschen Stämme
Mut oder die Kraft haben, ins frische Menschenleben oder der verschiedeueu Stände, aus denen sich eine große
hineinzugreifen, um es küustlerisch schön zu gestalten. Nation zusammeusetzt, wiederzugebeu vermag. Von dem
Gerade daß unsere heutige Kunst diesen Mut hatte, dem allen hat aber die Kunst früherer Zeiten noch keine
verdankt sie einen Reichtum, von welchem selbst die der Ahnung und eben deshalb ist nichts abgeschmackter als
Renaissance noch weit entfernt ist, wie weit sie in ihrem der Hochmut, mit dem manche Verehrer der alten auf die
Bereich die unsere auch noch übertreffe. Nicht minder moderne Kunst herabsehen, ohne zu berücksichtigen, wie
viel diese auch ihrerseits, selbst vor den
formell glänzendsten und anscheinend über-
legensten Leistungen der alten voraus habe.
Man vergleiche doch einmal, z. B. ein
Gastmahl von Paul Veronese, wo sämt-
liche Dargestellte, wie wunderbar gemalt
sie auch seien, doch ziemlich genau denselben
Ausdruck nnd nichts weiter zu thun habcn,
als sich sehen zu lassen, mit dem Menzel'schen
Ballsouper, wo jeder einen anderen Charak-
ter, andere Gemütsbewegungen hat, so daß
man die spannendste Novelle beim Be-
trachten zu lesen, jedem Einzelnen ins
Herz zu sehen glaubt, wie bei Paul
Veronese auf den Rock. Oder man stelle
ein Bauernbild des Teniers neben eines
von Defregger und sehe zu, wie bettelarm
und einförmig die Schilderung des eiuen,
wie mannigfaltig, reich, fein und witzig die
Darstellung der einzelnen bei Defregger
ist! Wo fände man selbst bei den besten
Niederländern eine solche Seelenmalerei
wie auf Passinis Vorlesung des Tasso?


Aus A. Raupxs Skizzenbuch
 
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