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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Bley, Fritz: Kloster Loccum
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0261

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Uloster koccum. Don Fritz Bley — Aphorismen. Don A. Feuerbach

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heit echten Christentumes Iveilet, da mundet ja anch ohne substantielles Wunder das Wasser wie Wein, nnd
die Tröstnngen des göttlichen Vaters werden ja so oft schon als halbe Genesung empfunden. Gebhardt ist
aber nicht nur ein sehr innerlicher Kiinstler, sondern auch ein geistig vertiefter, allem oberflächlichen Sektentum
abholder Christ. Das zeigt er auch in dem letzten die bußfertige Snnderin darstellenden Bilde, in welchem
Christus nicht cine laxe Toleranz gegen den Ehebruch Predigt, sondern den eifernden Mitgliedern der Gemeinde
gegenüber den Hauptwert darauf legt, daß der Reuigen Gelegenheit gegeben werden soll nnd daß das Richten
Ämt eines Höheren ist. Sehr schön ist dieser Gedanke parallelisiert durch das im darüber befindlichen Bogenbilde
zur Darstellnng gelangende Gleichnis vom Gürtner, welcher den Weinbergbesitzer fragt, ob er den unfruchtbaren
Feigenbanm nicht noch eimnal nmgraben und bedüngen dürfe. Als Parallelbild für die erwähnte Heilnng des
Gichtbrüchigen ist der gnte Hirt gewählt, welcher das verirrte Lamm aus den Dornen zieht. Äuch diese Bilder
sind in ihrer innigen Vertraulichkeit von einer tief zum Herzen sprechenden Wirknng. Jm Verein mit dem
dekorativen Schmncke des Gewölbes werden sie in ihrem weichen nnd tiefen Kolorit dem Ranme einen weihe-
vollen und doch seltsam anheimelnden Charakter verleihen.
Die Ansführung findet in einer neuen Kaseinfarbe statt, welche von dem Maler Gerhardt erfnnden
und von den Düsseldorfer Meistern bereits vielfach mit vorzüglichem Erfolge erprobt ist. So sah ich n. a.
den von Peter Janssen und einigen anderen Logenbrüdern mit diesem Material ausgemalten Tempel der Loge
zu Düsseldorf, welcher geradezu überraschte durch die tiefe Sattheit und Lenchtkraft der Farbe und durch
Feinheit der malerischen Übergünge, wie solche bei der Wachsfarbe uie zu erzielen sind.
Außer der Ansschmücknng des erwähnten Ranmes beabsichtigte Professor von Gebhardt ansangs noch,
im Verein mit Prvfessor Adolf Schill, dem hochbegabten Architektnrmaler, den bei der Restauration im
Jahre 1840 verglasten Arm des Loccumer Kreuzganges auszumalen beziehungsweise durch Schüler der Akademie
ansmalen zu lassen. Schill hatte eiuen Entwnrf gefertigt, in welchem er allerdings von der starren Gotik zu
einem mehr der Frührenaissauce entsprecheuden Stile abgewichen war, eine künstlerische Freiheit, für welche er
sich ja auf viele klassische Vorbilder berufeu kann; uni nur eins zu nennen: auf Luca Signorellis Schmücknng
des Domes von Orvieto. Jch habe die Skizzen leider nicht zu Gesicht bekommen können. Man spricht in der
Düsseldorfer Künstlerschaft allseitig mit sehr hoher Achtung von denselben und wünscht allgemein, daß dieselben,
wenu auch vielleicht iu etwas strengerer Hciltung, zur Ausführung gelangen möchten. Jch trete aus der Be-
urteilung der gesamten Thätigkeit dieses malerisch so hochbegabten Architekten heraus diesem Wunsche auf das
Würmste bei, möchte aber nicht ohne eiuen noch anderen diese Zeilen schließen.
Eduard von Gebhardts gedaukentiefe Schöpfungeu sind für eiuen Ort bestimmt, der zwar fernab liegt
vom Staube der großen Heerstraße unserer moderneu Zivilisation, an welchem sie aber einen nm so tiefer
wirkenden Einfluß auf ihre tüglichen Betrachter üben könuen. Möchten jene, welche alljährlich ans den
stillen Mauern von Loccum hinausziehen, um an geweihter Stelle das Wort des Herrn zn lehren, auch zugleich
Sendboten des wieder erwachenden deutschen Geistes in der Kunst sein! Die evangelische Kirche hat sich sehr
zu ihrem Schaden auf einen kunstfeindlichen Standpunkt gestellt und durch ihre dürre Abstraktion viel, sehr
viel au Volkstümlichkeit verloren. Weun sie dem Geiste uud Gemüte der gebildeten Klassen, die doch uatnr-
gemäß ihre starke Stütze sein sollten, neue Nahrung znführen will, so wird sie die machtvolle Hülfe der Kunst
nicht ferner znrückweisen dürfen. Martin Luther nannte ja selbst neben der Frau Theologia die Frau
Musika seine liebste Kunst. Er hat zufälliger Weise den niederdeutschen Malern seiner Zeit serner gestanden,
sonst würde er sicherlich die Malerei nicht vergessen haben. Warum sollte auch diese im Ausdrucke weit kon-
kretere Kunst nicht mindestens denselben Einfluß zu üben vermögen als Frau M usika? Oder wäre es nötig,
zum Beweise dessen an eine „Kreuzabnahme" des Fiesole, an des Ouentiu Massys Antwerpener „Bestattung
Christi", an Dürers „Ofsenbarung", an des Cornelius „Apokalyptische Reiter" zu erinnern? Stimmen uns
diese Bilder nicht znrück auf 'denselben ehernen Grnndton starken religiösen Empfindens, führen sie nicht
eine ebenso inbrünstige, zum tiessten Herzen dringende Sprache wie eine Matthäuspassion von Bach, wie
Palästrinas feierliche Motette oder die kraftvolle Zuversicht uuserer Protestantischen Choräle? Nun wohl,
so gebe man in der Kirche auch der bildenden Kunst die Stelle zurück, die ihr gebührt und von welcher sie
weniger durch eifernde Bilderstürmerei als durch das jahrhundertelange Darniederliegen deuscher Art verdrängl
worden ist.

44phorismen. DonAnselm Feuerbach*)

Realistische Uleiiikunst
Diese hat in deu Augeu des publikums deu Dorzug,
für jedcrinann oerständlich zu sein. lDer indes glaubt, große
Aiinst mit dem Derstand und angclerntcr Bildung zu bcgreifen,
der ist im Irrtum. Um große Rnust uachempfindeu zu köuneii,
braucht es in erster Linie kicrz und Phantasie. Der Derstand
kann nachher kommen und sich die Lache zurechtlegen.

tDer ein Aunstwerk gleich auf den ersten Blick zu ver?
stehen meint, mit allem was darum und daran und dahiuter
ist, der sollle etwas mißtrauisch sein und sich vorsehen. lDird
es ihm aber bei dem Anschauen eines andern wohl und frendig
zu Mute, ohne daß er weiß warum, dann möge er ruhig
stehen bleiben. Ls rvird wohl etwas Gntes lein.

*) Aus „Mein Vermächtnis". Wien, Gerold

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