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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Kunst-Literatur und vervielfältigende Kunst - Vom Kunstmarkt
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208

Uunst-Litteratur und verruelfältigende Aunst — Vom Aunstmarkt

der akademisch antikisierenden Richtung war dies Zurückgreifen des
jungen Overbeck erst auf die Altdeutscheu, dann aus die Jtaliener
ein richtiges Verfahren. Sonderbarerweise findet man weder in
scinen Briefen, noch in den Mitteilungen der Verfasserin eine An-
deutung darüber, daß er durch „Sternbalds Wanderuugen" von
Tieck uud Wakenroders „Herzensergießungen eines kunstliebenden
stlosterbruders" auf diese Richtung geraten sei, während er dies
dem Refereuten wie vielen andern doch wiederholt selbst gesagt hat.
Daß er zum KatholizismuS auch nur auS romaulischer Schwär-
mcrei kam, zu der sein in sich gekehrter, passwer und träume-
rischer Charakter von Hause ans neigte, und daß er ohne diese
küustlerische Neiguug jedcusalls eiu protestantischer Pietist oder
Herrenhuter geworden wäre, darüber kann kaum ein Zweifel be-
stehen. — Wie dem auch sei, der Wert unseres, offenbar auch
soust den Einfluß des Redakleurs der „historisch-pvlitischen Blätter"
ziemlich deutlich zeigenden Buches liegt ja iiberhaupt nicht in der
Würdigung des Overbeck als Künstler, sondern darin, daß es uus
das Bild eiues Charakters eutrollt, wie man ihn sich edler, lau-
terer und uueigenuükiger kanm deuken kaun, eines wahren Hei-
ligen, der alle Prüfungcii des Schicksals siegreich bestand und
unserer Natiou zu hvher Ehre gereicht. Wir haben außervrdeni-
lich wenige Beijpiele in unserer Kunstgeschichte, daß sich der
Mensch und die Werke iu sv vollkommener Harmonie besunden
hätten, beider Vorzüge und Mäugel sich so vollkommen deckten.
— Ohne Zweifel war diese Wahrhaftigkeit zu uicht geringem Teil
die Folge seiner vortresflichen Erziehung, wie der ächt protestan-
tisch, norddeutschen, ehrbaren uud streugen Traditionen von Over-
becks Vaterhause, und hat mit dem Katholizismus als solchem
aber auch gar uichts zu thun, zu dem unser Künstler offenbar
nnr durch sein ideales Gemüt hingezogeu ward, das ihn ganz
verhinderte, die Welt, vorab die römische, je so zu sehen, wie sie
war. Ja, es ist höchst ergnicklich, in nnserem Buche zu ge-
wahren, wie Overbeck uoch weit mehr als selbst Coruelius ein
ächter Norddeutscher bleibt bis zu seinem Ende, mitten in der
wälschen Umgebnug. Konnte er schon als jüugerer Maun 1815
bei der Wiederkehr Napolevns nur mit Miihe abgehalteu werden,
beim hanseatischen Koutingent eiuzutreteu, so erfahren wir auch,
daß es uur der Einspruch der um ihr Leben besorgten Gattin
war, welcher ihn hinderte 1830 den 3kuf uach München anzu-
nehmen, also ins Baterlaud zuriickzukehren. So sehen wir denn
auch im ganzen wcitereu Lauf seiues Lebeus, wie durchaus fremd
seine Erscheiuung der klugen römischen Klerisei blieb, die sich nur
um ihn kümmerte, weun sie diejen edelsten aller Konvertiten als
Leimrute sür andere beuützte. Höchst komisch ist zu lesen,
wie die frommeu Väter in dlssisi, denen er schon umsonst jene
herrliche Freske des Rosenwunders ihres Heiligen gemalt hatte,
ihm nach Beendigung jeiner Arbeit sogar noch eine lange Rech-
uung für durch ihn verursachte Auslagen präsentierten, die ihn
in nicht geringe Verlegenheit brachte. Er mußte vollends ein
Sechziger werden, bis man im Vatikan, trotz der Millionen vou
Peterspfennigen, die demselben aus Deutschland zufloßen, endlich auf
den Gedanken geriet, unserem Künstler schandenhalber auch eiu-
mal ein Bild zu bestellen, welches denn auch richtig das einzige
blieb und jetzt im Quirinal vollends mit einer Tapete überdeckt
worden ist, so fremd und antipathisch war den heutigen Jta-
lienern seiue doch Raffael abgelernte Kunst. — Ein Jdeal von
edler Nneigennützigkeit und Wohlthätigkeit ist Overbeck, obwohl
mit Bestellungen aus Deutschland und allen Ländern der Welt
überhäuft, doch immer ariu geblieben, mußte bis zu seinem Ende
ums tägliche Brot arbeiten, weil zu viele immcr bereit waren,
dasselbe mit ihm zu teilen. Wie die große katholische Reakiion
zu Anfang unseres Jahrhunderts, von deren Förderern Overbeck
einer der glänzendsteu war, und die sich so hohe Verdienste um
die Vertiefung nnd Reinigung des Katholizismus erwarb, durch-
aus vou Deutschland und Frankreich ausging, das sieht man
hier wieder einmal ebenso deutlich, als daß man in Rom die-
selbe vor allem als Machtfrage auffaßte und, ncht italienisch, das
Papsttum nur als nationale Justitution begrifs. Es macht
daher einen wahrhaft tragischen Eindruck, solch edle Charaktere,
wie unseren Künstler, immer nnr als Prunkstücke verweudet zu
sehen, während er im Vaterland zweifellos eine viel gesundere
Existenz gesunden hätte als die vereinsamte in Rom. Sie
wurde anch seinem Wirken nachteilig, das, losgelöst von dem uäh-
renden heimischen Boden, allmählich lnimer eintöniger iverden mußte,
wie hochachtungswert es auch blieb.
-t Die Frage: „Welche Stellniig gebührt der Kuust im
Reiche Gottes V" beantwortet cin protestantischer Eiferer m eiiiem
uns vvrliegenden Traktntchen dahin, daß ih^ „gar keine" gebühre,
da selbst die christliche Kuust regelmnßig in „Spielerei", in „Götzeu-

dienst" und „Fleischesdienst" auslaufe — offenbar wie das Christen-
tuni gewisser Leute in fanatische Verriicktheit.
G Vou der im Besitz des Kaisers befindlichen Scha-
d o w'schen Doppelstatue der Königin Luiie von
Preußen uud ihrer Schwester Prinzessin Friederike
bringt die Hofbuchhandluug von Meidinger in Berlin gute pho-
tographische Nachbilduiigeii iu Panel zu 4 M. und iu Kabinett
in deu Haudel, die das liebliche Standbild des großen Meisters
erst weiteren Kreijen erschließen.
/. Jdeen über Zeicheiiuuterricht und künstlerische
Berufsbilduiig vou Georg Hirth. München und Leipzig.
G. Hirths Kunstverlag. 1887. Das Büchlein, welches sich vvu
der Mehrzahl der theoretischen Kuiiststudien schon durch die von
Herzeu kommende, von der Bedentung der Sache innigst durch-
drungene Sprache vorteilhaft unterscheidet, ist hauptsächlich darum
von bedeulendem Werte, als in der That ueue Gesichtspunkte über
dieseS alte, hochwichtige und eigentlich nie zu erschöpfende Thema
mit Erfolg eröfsnet werden. Zunächst sind iiber die Notwendigkeit
der Reform der llntcrrichtsmethvde bei Grundlage in deu ersten
Jugendjahreu mit Sachkenntuis einsichtige Winke gegeben. Na-
meiitlich wird dem Scholarchenvvrurteil, als ob daS „Zeichnen"
sv quasi uur als fakultntive Nebensache zu tolerieren sei, mit Eut-
schiedenheit entgegengetreten, da ernstlich genomiiieii „es heut kaum
irgend einen meuschlichen Beruf gibt, iu welchem nicht das Zeich-
uen und Figurieren mit Nutzen betriebeu werden könnte." Die
praktischen Borschläge, die aiigeborne Neigung des Kindes zum
bildnerischen Gestalteu von dessen srühesten Versucheu au dahin
zu führen, mit einer gewissen Leichtigkeit die nihigen Ratnrobjekte
sowie die Beweguugen lebender Wesen zu skizzieren uud schließlich
die Einfälle der cigeiien Phantasie klar darstellen zu lernen, sind
zumeist, weil aus dem gefiihlten Bediirfnisse heraus mit Sach-
kenntuis geschöpft, anregeude und znm Ziele führende. Die weiteren
Fingerzeige beim Fortschreiten zu eigentlich kiinstlerischer Aus-
bilduug werden sich insofern als sehr beherzigende geltend machen,
als sie von dem Grundsatze ausgehen, dem 5liiiistjünger die Frische
der Anschauilng und die Freude am Schaffen zu bewahren und
zu erhöheu. Der Ernst strengerer Forderungen wird dem genial
veranlagten Schüler dann schou allein von Tag zu ^.ag mehr sich
herausstellen und mit der Einsicht die Bsgierde nach Ergänzung
und Vervollkvmmnuiig steigern. Besonders wertvoll sind die Winke
über die künstlerische Berufsbildung, die dem anwachjenden Kunst-
proletariate wie dem einseitigen Haiidwerkshochmut gleichmäßig ent-
gegenarbeiteu. Jn erster Beziehung wird dem Schüler die Er-
werbung positiver, sür das Lebeu praktisch verwendbarer Kenut-
uisse, namenllich die Einsühruiig in irgeud ein Kunstgewerbe, um
den Kampf nms Daseiu wesentlich zu erleichtern, dringend em-
pfohlen. Jn letzt erwähnter Richtung dringt der Versasser mit
Ncichdruck aus die Aneignung einer allgemein humanistischen Bild-
uug als eine dem Künstler absolut unentbehrliche, die ganz be-
sonders auf die Keiiutnis der Meisterwerke der Dichtnug uud
Nkusik sich richten iniisse, da „er dann" — wie sehr richtig gesagt
ist — „seine dlufgabcn im Reiche des Schöneu um so sicherer
erfasseii ivird, je inniger er den Zusammeiihaiig seiucr mit den
Schwesterküusten cmpfindet."
Vom Runstmarkt
vm. Bei Guttman» in Berliu (Uliter den Liuden 13)
wurden letzthin eine größere Anzahl bedeutender Gemülde lebender
Meister verkauft. Ein prachtvolles Seestück von A. Achenbach,
eine helle Landschaft ohne Staffage brachte 0540, ein füiiffiguriger
O. Seitz 5300 und des velieziniüschen Malers Barisvu „Altar-
schmückung für die Prozession" 1860 M. Ein trefflicher Kopf
vou Gabriel Max, den Glauben darstellend, ein die Augen
senkendes, innig vor sich hinblickeiides Mädchen in blondem Haar,
das mit ciner Krone geziert ist, ging siir 1850 M. ab.
— Ed. Grützners Gemälde „Jn der Klosterkiiche" wurde
kürzlich durch Bons Kuiisthandlung sBr. Gutzeit) an die städlische
Bilder-Galerie zu Königsberg verkauft, ebenso giug das Prof.
Ludwig'sche Bild „Der Vllbulapaß im Schnee" in denselben Be-
sitz über.

Aedaktionsschluk diesrs Krttes: 1!I. März — Ansgakc: 1. Kpril

Unbalt des dreizebnten Deites: Scrt: Fricdrich Prcht Die bciden
Münchener AiisstcllMlgcn sür I88S — Friy Blcy. Uloster Loccum —
Gcorg Vost. Bitdcrrahincn im Bcrlincr Knnstgcwerbcmuseuin — Fr.
Pechl. Unscre Bildcr — st. Daclcn. Eiu Grabdcnkmal von Karl Jansteu —
Äunstilotizcu ic. — Aildcrveikagcn: E. v. Gedhardt, Klostcrschüler —
Derselbe, Pietä — L. Lösstz, Studienkops — K. Sciler, Zm Atelier.

Redigiert unter verantwortlichkcit der verlagsanstalt für Uunst und Mssenschaft vorm. Fr. Bruckinann (vorstand: A. Bruckinann)
Druck der Bruckmann'schen Buchdn'.ckerei in Mnnchen
 
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