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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Heilbut, Emil: Studie über den Naturalismus und Max Liebermann, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0276

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von HermanHelferich 2>z


Das LifchgeliLt. von Max Liebermann

die init der nenen Kunst debütieren, sind sclber noch
durchaus zur Dekadence gehörig, gar nicht einsach von
Natur und unbefangen, gar nicht federleichte Gemüter,
vielmehr blasierten und vortrefflichen Knnstgeschmacks, der
sich durch die Wiederholungen, die er sieht, angewidert
fühlt. Sie gründen neue Kunst, indem sie neue Wege
versuchen, man müßte an Wunder glauben, wollte man
annehmeu, es siele ihnen vom Baum.
3.
Jm Anfang seiner Laufbahn stand Liebermann nnter
dem Einfluße Courbets. Courbet ist der bekannte Revo-
lutionär, der die Vendomesäule stürzte (welche er später
zu bezahlen hatte) und als ein seiner Sache sicherer
Maler von breiter Bravour berühmt. Er war auch einmal
in München und machte sich durch seine Kordialität und
seinen Schmerbauch populärer, als es sonst den Franzosen
geliugen wollte.
Bald aber sehen wir Liebcrmann des Bravourhaften im
Handwerk, worin Courbet allen großen Gaben zum Trotz
stecken geblieben war, überdrüssig werden, zu feinerem
Kunstgefühl steigt er auf und lernt in Barbison, dem
Mckka der modernen Maler, Millet kennen.
Barbison liegt im Walde von Fontainebleau. Wann
hier die erste Einwanderung der Pariser Maler begann, ist mit
undurchsichtigen Schleiern verhüllt. Der früheste soll ein dem

Namen nach nicht bekannter Historienmaler aus der Empire-
zeit, Schüler Davids, gewesen sein; der bat sich von einem
gewissen Herrn Ordet einen Säbel aus, um in den Wald
zn gehen. Hernach kam Jakob Petit, der Porzellanmaler,
dem ein Herr Ledieu, dann ein Herr Dauwin folgte.
Dann kameu 1832 Rousseau, Brascassat, Corot, Diaz.
Die Herberge ward 1823 gegründet. Man kletterte am
Abend iu die Schlafkammer, in welcher drei Betten sich
befanden, hinauf und befestigte die Studie, welche mau
tagsüber gemalt, an deni Kopfende. Das ist die Epoche, in
der die Gegend sicher zu werden begann: nicht in Bezug
aus Briganteu, sondern iu Bezug auf die Gensdarmen.
Sie hatten, die braven, bis zu dieser Zeit Leute, die
Feldstaffeleieu mit sich trugen, zu arretieren gepflegt, und
der Herbergsvater niußte sie dann nnter dem Hinweis auf
ihre Eigenschaft als berühmte Maler aus den Banden des
Gesetzes reklamiereu.
Millet ist unter diesen Künstlern von Barbison die
größte Potenz, der freieste, reinste, menschlichste. Er stand
vor dem erstbesten Feld, der erstbesten Wiese, dem erst-
besten Wasser still, und da war die ganze Natur ihm
erschieuen und sprach zu ihm. Er sah naiv und religiös
in die Luft hiuauf und zu seinen Füßen hinab, und hatte
seinen Beruf und sein Talent entdeckt. Er malte das
Volk bei seiner Arbeit, auf dem Acker, in der Mühsal,
ohne Schein, ohne virtuosenhaftes Prunken, auch ohne
 
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