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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Daelen, Eduard: Wilhelm Busch: zu seinem 55. Geburtstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0282

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2(8

Mlhelm Busch


Drr Nachlwandler. Aus w. Buschs Skizzenbuch

zu fesseln ver-
mocht, zwischen
Wiedensahl und
seiner zweiten
Heimat München
teilt sich von jetzt ab so ziemlich die ganze fernere Lebenszeit des zur
Reife gelangten Künstlers. Von Jugend auf besaß er den tiefen, stillen
Hang zur kontemplativen Beobachtung des Volks in seinen natur-
wüchsig originellen Äußerungen, und dieser Liebhaberei konnte er in
Wiedensahl und Ebergötzen bei unmittelbarem Verkehr nach Herzenslust
fröhnen. Ebenso zand er in München dazu die beste Gelegenheit. Jst
doch die bayerische Residenz mit ihrem behaglich ungezwungenen Leben
so recht die Nährmutter des urgemütlichen Humors, die außer Busch
auch noch manchen anderen Norddeutschen zum echten Humoristen groß-
gezogen hat. Das süddeutsche Volksleben bietet eben in seiner harm-
losen Naivetät für das beobachtende Künstlerauge einen bedeutenden Reiz
zum Studium, dem es durch den beständigen zwanglosen Verkehr
nicht an Nahrung fehlt.
Busch fand außerdem die lebhafteste Anregung in einem ver-
trauten Freundeskreise, den er hauptsächlich im Künstlerverein sich ge-
wann. Daß hier vor allen Dingen und jederzeit der lustigste Humor
gepsiegt lvurde, ist sür einen Künstlerverein so gut wie selbstverständlich.
Davon legt unter anderem das Karikaturenalbum ein beredtes Zeugnis
ab, wie die hier demselben entnommene Probe darthut. Diese Selbst-
karikatur regt zu einem interessanten Vergleich an mit den früheren
Porträts von Schulz-Briesen und dem späteren Porträt seines Freundes
Lenbach, welches „Die Kunst für Alle" in der Lenbach-Nummer
(15. Dez. 1886) brachte.
Jm Karikaturenalbum wie bei den litterarisch-satyrischen Schar-
mützeln und nicht weniger bei den festlichen Aufführungen des Vereins
war nun aber unser Wilhelm Busch bald unbestritten der Matador.
So konnte es nicht fehlen, daß nach kurzer Zeit auch weitere Kreise
auf diesen aufgehenden Stern aufmerksam wurden. Und als er nuu

Krankheit und schenkten mir beim Abschied in kühler Jahreszeit
eine warme rote Jacke nebst drei Orangen."
Wie man nach dieler lakonischen Schilderung allerdings
nicht vermuten sollte, zeigte er in seinem Äußeren doch gern
etwas Stutzerhaftes. Fn seinen Arbeiten bekundete er weniger
Fleiß wie künstlerische Anlage. Er flaniert viel mit einem feinen
Spazierstöckchen auf der Promenade herum, ist eitel auf seine
zierliche Hand und seinen kleinen Fuß, trinkt viel Bier, und heim-
lich macht er Gedichte, wie sein Jntimus Klemme erzählt; andere
merken nichts davon. Als einen solchen zahmen Jüngling schildern
ihn auch die interessanten Porträt-Skizzen aus jener Zeit, welche
Schulz-Briesen mit gewandtem Stift in sein Skizzenbuch zeichnete,
und deren Reprodnktionen hier zum ersten Mal an die Offent-
lichkeit treten.
So wenig verriet damals Busch den berufenen Hnmoristen,
daß sein Freund, als er im Lauf der Jahre ihn gänzlich aus
den Angen verlor nnd dann seine ersten Humoresken zu Gesicht
bekam, dabei nicht im entferntesten an ihn dachte und erst später
zu seiner Überraschung erfuhr, daß sein alter Antwerpener
Kollege Busch der Verfasser sei. Uud diese auch von dem
letzteren selbst unvorhergesehene Metamorphose brachte der nun
folgende Münchener Ansenthalt zu stande. Was er nicht am
Rhein, nicht in Holland gefunden, das erschloß sich ihm hier
in vollstem Maße: er fühlte sich heimisch und so recht in seinem
Element. Ja, die heitere Jsarstadt erwies sich als der geeignete
Boden für die Entwicklung dieses eigenartigen Talents; hier fand
es die anregende Atmosphäre, welche die stillschlummernden Keime
in ihm weckte und zu deu schönsten Blüten trieb. Und hatten
weder Düsseldorf noch Antwerpen den strebsamen Kunstjünger
auf längere Zeit


Ein lprikrr. Aus lv. Buschs Skizzenbuch
 
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