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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Proelß, Johannes: Wie Scheffel in Rom Maler werden wollte und Dichter ward, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0319

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l)on Iohannes Hloelß

die eben Genannten. Zielche mußte zurückbleiben, weil er
noch nicht im Besitz seines Wechsels war und die anderen
mit überschüssigen Ersparnissen keineswegs auswarten
konnten. Sie waren eben alle so lange wie möglich
geblieben. Cäsar Metz und Wilhelm Klose, schon immer
Scheffels Jntime beim Überkneipen, wenn es galt, den in
Wasserflaschen zum Zulangen ausgetragenen Tischwein auf
Wunsch der würdigen Schafsnerin Regina „alla teclesca"
ungemischt bis auf den Rest zu leeren, bewohnten in dem
nun folgenden Winter mit Scheffel in Rom dasselbe Haus.
Es war die Nr. 17 in der via guattro kontane, nahe
der piarrm Larderini, ein Haus, das nun schon seit
längerer Zeit durch einen großen Neubau ersetzt worden
ist. „Scheffel", schreibt Klose, „bewohnte ein hübsches
sonniges Zimmer nach der Straße, eine Treppe hoch.
Mein Atelier befand sich ein Stockwerk höher, ebenso das
von Cäsar Metz, mit dem lvir täglich verkehrten. Die
Osteria ckel kaccllino, in der wir zumeist Abends zu-
sammenkamen, lag in der Straße, welche von tontana
'l'revi nach dem Corso führt (via äelle muratte) in der
Nähe des letzteren. Auch dies Haus existiert meines
Wissens heute nicht mehr. Man brachte sich dort den
Abendimbiß nach römischer Sitte selbst mit; der Wirt
lieferte nur Teller, Besteck, Brot und unter Uniständen
eine Schüssel mit Salat." Den Mittagstisch fanden sie
in der damals hoch berühmten und vielbesuchten trattoria
clel lepre. gegenüber dem Oate Zreco, das sie nach dem
Essen aufsuchten. Jm Lokal der Künstlergesellschaft, einem
glänzenden Saal im Palazzo Raspoli am Corso, ver-
kehrien die Freunde ebenfalls oft, sowie im 1'onte molle,
dessen Orvietto ein Lied im „Trompeter" rühmt, auf das
wir noch zurückkommen werden. Auch hier war er überall
eiu gern gesehener Gesellschafter; und beim perlenden Weine
im Facchino giugs oft gar lustig her, ebeuso auf gelegent-
lichen Ausflügen an schönen Wintertagen in die Campagna,
nach Albauo: zu Neujahr wurde auch noch einmal eine
Spritztour uach Olevano zur Regina uuternommen, auf
der, wie INetz schreibt, Scheffel die heiterste Laune ent-
wickelte.
Dennoch war um diese Zeit die reine Heiterkeit, die
ihn während des früheren Aufenthalts daselbst beseelt
hatte, von ihm gewichen. Mit dem Maleu in Öl, wie
überhaupt mit dem Nerjuche, unter Willers zu studieren,
hatte er sich auf die Dauer nicht besreunden könuen. Da
Engerths diesen Winter auch in Rom verbrachten und in
der Via Isicloro über eine sehr geräumige Wohnung ver-
fügten, fand sich die Mehrzahl der Genossen jener Herbst-
tage in Olevano auch ani Tisch des gastlichen jungen
Haushalts des vftern zusammen. Engerth erzählt, daß
Scheffel nunmehr ofsen mit ihm und seiner Frau über
seine Zweifel und inneren Kämpfe gesprochen habe. Gleich-
sam als graphische Darstellung dieser Gespräche, welche
sich ebenso um seine persönliche Veranlagung, wie um das
Wesen der beiden Künste drehten, entwarf ich eine Zeich-
nuug, auf der ich ihn als „Herkules auf dem Scheide-
wege" verbildlichte: Schefsel sitzt im schwarzen Frack da,
ein Löweufell um die Schultern, eine Keule in der Hand:
zwei Frauengestalten, die Nialerei und die Dichtkunst, um-
schmeicheln ihn. Er lachte herzlich über den wohlgemeinten
Scherz und wurde nicht müde, die Zeichnung zu betrachten.
Dann aber ward er wieder schweigsam, ja finster, wie wir
ihn bisher nicht gekannt." Wieder sah sich Schessel vor
die Wahl des rechten Berufes gestellt, wieder war er „der

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fahrende Schüler, ohne Ruhe, ohne Stellung, mit der
unbestimmten Sehnsucht ins Weite", wie er sich im Jahre
vorher bezeichnet, und die quälendeu Zweifel riefen die
lastende Schwermut wach, von der er sich in den vorher-
gehenden Monaten für immer befreit wähnte, und allmäh-
lich gewaun diese wieder die Herrschaft über sein Seelen-
leben. Acehr und mehr wandte er sich litterarischen Be-
schäftigungen zu. Er studierte Gibbon, las viel im Dante
uud Platen. Ilnd mit der Schwermut erwachte die Sehn-
sucht uach „Heimat, Liebe, Jugendtraum" in seinem Junern
und stinimte die Saite zu neuen befreienden Liedcrn,
während sein Auge nach einer Möglichkeit auslugte, das
verfahrene Lebensschiff in die Bahnen des Berufsschrift-
stellers einzulenken. Die von den neuen Eindrücken und
Erlebnissen znrückgedrängten litterarischeu Pläne und
poetischen Stimmungen kamen wieder zur Geltung und
heischten nunmehr dringender ihr Recht.
Es ist bezeichnend, daß der erste Brief, den er jetzt
von Rom nach Heidelberg richtete und deu eine humoristische
Epistel an den „Engeren" voll feuchtfröhlicher Osterienpoesie
begleitete, nichts von seinen Versuchen und Aussichten als
Maler, sondern von litterarischen Absichten spricht und den
in der Redaktion der „Allgem. Zeitung" zur Lagerung
gelangten Aufsatz über die Hauensteiner reklamiert. Der-
selbe lautet: „Verehrter Freund. Obigcm Fragment eines
Berichts, das ich, um endlich ein Zeichen des Lebens zu
geben, abgehen lasse, füge ich meinen herzlichen Gruß an
Sie und die Jhrigen bei. Wie es mir seither erging, ersehen
Sie aus der Aulage; daß neben dem Scherz und dem
Osterienhumor auch der Erust nicht vergessen wird, und daß
ich, wie eine Biene, weuigstens ein Stücklein Honig aus den
Reichtümern Jtaliens zu ziehen bemüht bin, trauen Sie mir
wohl zu... . Welschlaud hat den großen Reiz, daß man
leben lernt, — leben, abgestreift die leidigen Bande und
gelehrte und uugelehrte Schranken, die der germanische
Kulturmensch an sich trägt — uud daß man das Denken
dabei nicht vergißt. Geschichte uud Kunst legen sich uuter
dem hellen Lichr südlicher Sonne scharf, klar und erquickend
dem Blicke dar; zu lesen in Büchern braucht man nicht
viel; ein Gang in die Campagna, wo ich neulich wieder
3 Tage abenteuerlich herunistrich, ist niehr als eine Ab-
handlung, uud iu den samnitischen Bergnestern, wo der
Bauer jetzt noch, wie zur Zeit als noch kein Stein zu
Roms Fundameuten gelegt war, eiu einfaches und der ihn
umgebenden Natur eutsprechendes Dasein führt, ist mir
die italienische Urgeschichte und die mächtige Agglomeration
der emzelnen Stämme, die mit Rom als Weltreich endigte,
deutlicher geworden, als in Niebuhrs kraus verwirrten
kritischen Forschungen. — „Den heutigen Römer nimmt
man als Stasfage in der reichen Landschaft und Trümmer-
welt so hin; der Bauer hat seine heidnischen Wald- und
Feldgötter mit den Heiligen vertauscht, aber sich nicht
viel geändert; der Gebildete, oder besser Verbildete in
den Städten und namentlich in Rom ist flach nnd frivol
und noch gänzlich in der Dogmatik Mazzinis befangeit;
das geistliche Regiment ist faul durch und durch; die
äußere Ordnung halten hier die Franzosen, oben die
Oestreicher — das Jtalien von heute ist eiu trauriges
Kapitel.
(Fortsctzun-, folgt)
 
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