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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Brandes, Otto: Der Pariser Salon 1887, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0332

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258

Der pariser 5alon ^88?


erreichten Höhe bei. Ja! Die Frage ist nicht absolnt ver-
neinend zu beantworten, ob Uhd es Abendmahl nicht die
Krone der Ausstellung, die dem dentschen Künstler viel-
leicht noch der Franzose Roll mit seinem Meisterwerke
„Der Krieg" streitig machen kann. Jch für meinen Teil
wciß kein besseres Bild, wie sehr die illnstrierten Kataloge
und verschiedene Salon-Revuen dasselbe auch totschweigeu
wollen. Aber auch Fleischers, iu diesen Blätteru be-
sprochener St. Gotthard, Liebermanns holländische
Spinnerinnen in Laren, Kühls Segelmacher und Waisen,
Doris Hitz' rumänische Taufe, Nenhaus', eiues
Schülers Uhdes, Ave Maria u. a. sind trefstiche Leistungcn.
Was in diesem Salon aber geradczu übcrwältigend
wirkt, ist die Unsumme aufgewandter Arbeit. Eine ganze
Reihe Bilder von gewaltigen Dimensionen ist vorhanden.
Die Neigung Großes in Großem zu leisten hat sich mchr
dcnn je zu erkennen gegeben. Man srägt sich erstaunt
bei cinzelnen Arbeiten, wie es möglich war, innerhalb
Jahresfrist so sigurenreiche Bilder wie Cormons Sieger
von Salamis, Tattegrains Kasscler sich Philipp dcm
Guten auf Gnade oder Ungnade ergebend, Dawants
Auswanderer, Rochegrosses Tod Cäsars, der außerdem
noch eiue Salome gemalt, zu bewältigen. Doch tragen
anch alle übrigen, weniger umsaugreichcn Bildcr den
Stempel enister Arbeit. Sie sind in dem Wnnschc des
Wetteifers und nicht des Verkaufs alleiu gcmalt. Der
Künstler, der im Salon ausstellt, wciß, daß er von
dem kunstsinnigen Pariser Publikum kontrvlliert, daß sein
Fortschritt oder Rückschritt bemerkt wird, uud daß seiue
Stelluug in der Kunstmeinuug von dem, was cr im
Salon ansstcllt, wesentlich abhängt, dic dann erst indirekt
auf deu Absatz seiner Werke von Einsluß ist. Darum
inalt er für den Salon der Kunst und des Rnhmes
wegen. Dieser selbst erhält aber dadurch cine gewisse
Voruehmheit, die nichts besser charaktcrisiert als seiu Name.
Der Salon steht im Gegensatz zn gcwissen Ausstellungcn,
die uur gar zu ost den Charaktcr großer Kunstmarkthallen
tragen.
Charakteristisch für den diesjährigen Salon sind eine
größcre Anzahl militärischer Gemälde. Wie dcn Lescrn
dicser Blätter erinnerlich, gibt der Kricgsminister eine
Anzahl Bilder, die die Ehrensäle der Regimenter schmückcn
sollen, iu Bestellung. Ein Teil derselbcn ist bereits aus-
geführt und erscheiut im Salou. Für die noch nicht
bcstcllten konkurricrt gewissermaßen eine Gruppe Künstler.
Alle diesc Künstlcr verherrlichen natiirlich Siege der
Franzosen uud sind daher begreiflicher Wcise nicht aus
dem 1870er Kriege gewählt. Eiu eiuzigcs und vielleicht
das beste, der Reiterangriff der 3. Kürassiere bei Reichs-
hoffen von Aime Morot, ist dieser Periode entnommen.
Mit unverglcichlicher, Gewalt stürmen die Reiterscharen,
vom Staub halbverhüllt, in den Tod. Die Erde dröhnt
unter den Hufen der in der Ordnung ordnungslos daher-
brausendeu Pferde. Den Säbel in der Auslage, den
Körper nach vorn gebeugt, sich aufeuernd und die Brust
durch elementare Schreie erleichternd, dic Pferde mit
slatternden Mähncn, die drüstern weit geöfsnct, jagd die
todcsimitige Schar dahin. Jch glaube wohl, daß ein
solches Bild nicht ohne Wirkung aus dcn vor dasselbc
hingeführtcu juugen Soldatcn bleibt. Ob ähnliche Wirkungen
aber mit den dem Krimfeldzugc, dcni in Ostcrreich, in
Algicr und Tonkin entuommenen Bildcrn, die weniger

packend, crreicht werden, lasse ich dahingcstellt. Ein Zurück-
greifcu auf dcn erstcn Napoleon mit eincm Bilde Hyons:
„Nach Jena", in welchem die Geschichte erzählt wird, wie
drei französische Hnsaren allein eiue feiudliche Schwadrou
Kürassiere zu Gefangenen gemacht, schcint mir ein wcuig
glücklicher Versnch zu sein, dicse Perivde zu fruktifiziereu.
Die Militärmaler, mit Aufgabeu dieser Art beschäftigt,
haben denn anch fast gänzlich 'im gegenwärtigcn Salon
auf die Revauchemalcrei mit vielleicht einer einzigen Aus-
nahme verzichtet, die ich hier erwähnen muß, weil das
Bild nicht i'ibel gemalt ist. Es handelt sich um „Eiu
Beispiel" von Daubeil, iu welchem ein Bauer vou einem
Pclotvn preußischer Soldaten an ciner Kirchenthür erschossen
wird. Ter verhaltene Grimm und der Schrecken der
Landbewohner sind bcredt dargestellt. Allensalls in die
Kategorie der Revauchebilder ist Claris' Verhör zu rechnen.
Ein bayrischer Jnfanterist, umgeben vou gefaugencn Sol-
daten auderer deutscher Truppengattuugen, wird von einem
höhereu französischeu Offizier vernommcn, während sehr
bezeichnend französische Offfziere die Tornister der Ge-
fangenen durchwühlen. Das thut man wohl im Kriege,
aber maii malt es doch nicht. Dennoch ist das Bild dnrch
seine scharfe Charakteristik iuteressaut. Dem Künstlcr muß
man außerdem die Gerechtigkeit widersahren laffen, daß
er dcn in nachlässiger, militürischer Haltung salutiereuden
bayrischen Soldaten nichts von seiner Kaltblütigkeit ein-
büßen läßt, mit der er seine nicht beueidenswerte Situa-
tion auffaßt. Jm Übrigen beschäftigt sich die Aiilitär-
malerei unmentlich mit den inneren Verhältnissen des
Soldatenlebens und streift dabei das genrehafte Gebiet.
Chaperon hat dieses Mal ein köstliches Bild „Die
Douche im Regiment", in welchem er gleichzeitig seincr
Neigung fiir Soldateumalerei und der Freudc am Malen
des nackten Menschenkörpers gerecht werdcn kanu. Jn
einem, von cinem cisernen Ofeu durchwärmten Rauni, wird
unter Aufsicht eines Lmziers abwechselnd aus drei pudcl-
nackte Soldaten ein Spstitzeiistrahl Wassers von Kameradcn
oder Lazaretffoldaten gerichtet. Sehr geschickt ist die Keusch-
heit iu diesem Bilde durch den Riickprall des Waffer-
staubes erhalten. Im übriaen finden wir den Soldaten
beim Baner im Quartier oder beim Bereiten dcr „popotte"
der Suppe, auf Urlaub u. s. w. Als Reflex dcr moderneu
militärischen Studien ist Loustaunaus Ballon - Detache-
meut einen Fluß überschreitend, anzusehen. Wahrend am
Ufer das Detachemcnt mit der gehcizten Maschine hält,
folgen in einem Nachen höhere Offfziere den Bewegungen
des Ballons. Loustaunau, der in den Vorsalons schon
eine feine Beobachtungsgabe für militärische Vorgänge
bewiesen, hat in der Behandlung dieses spröden Stoffes,
indem er die Aufmerffamkeit von dem unmalerischen Ballon
ablenkt und auf die wissenschaftliche Beobachtung der
Offiziere konzentriert, so also das geistige Moment, nicht
den Vorgang selber zum Mittelpunkte dcs Bildes macht,
Vortreffliches geleistet. Jch kann hinzufügen, daß in dem
Bilde eiu warmer, militärischer Geist pulst, daß die land-
schastliche Szcnerie nichts verdirbt und die Einzelheitcn
mit Detaille'scher Exaktheit gemnlt sind.
So seltsam das klingen mag, kaum weiß ich, ob das
große Bild von Roll: „Der Krieg" — Marsch vor-
wärts — in die Reihe der militärischen Bilder zu zählen
ist. Lange habe ich vor diesem, mit elementarer Gewalt
uns packendeu Gemälde gestanden und habe mich gefragt,
woriu dic Macht dcsselben liegt. Es haudelt sich um
 
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