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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Aus Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0450

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Aus Aarlsruhe

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Dazu kam aber noch als besonderes Glück für Baden ein Fürst, der jede Bestrebung dieser Art mit
Wohlwollen förderte, dem das Wohl seines Landes über alles ging, der eine seltene Opferfähigkeit dafür bewies,
wie denn die Kunstschule ja seine eigenste Schöpfung war. Nicht minder eine Fürstin, der man nichts Besseres
nachsagen kann, als daß sie die Erbin aller Tugenden ihres Vaters, vorab dessen unermüdlichen Pflichtgefühls
ist. — So trafen eine Anzahl von so außerordentlich günstigen Umständen zusammen, wie sie nur in den selten-
sten Fällen sich vereinigen.
Überaus fördernd wirkt auch, daß sich an diese Maler- und Bildhanerschule die der Kunstgewerbe
so organisch anschließt, welche in ihrem Leiter Götz ein ebenso hervorragendes verzierendes Talent besitzt, als in
den Professoren Mayer und Heer bedeutende Spezialisten. Jmmeraber wird man finden, daß das Ganze dnrch
die Genialrtät Kellers ebenso mächtig beeinflnßt wird, als einst die Wiener Schule durch Makart, die Mün-
chener durch Cornelius.
Von Keller sah ich denn auch diesmal eine Anzahl vortrefflicher Porträts, nnter denen die des
deutschen Kaisers und des Kronprinzen durch die glückliche Anffassnng und die Feinheit des Tons nicht weniger
auffielen, als einige Frauenköpfe durch ihre Grazie. Weitans die bedeutendste aller bisherigen Schöpfnngen
des Meisters verspricht aber die bis jetzt nnr in der großen gemalten Skizze vorliegende Apotheose des Kaisers
zu werden, die in ihrer dem Talent des Künstlers so sehr entsprechenden Verbindung historischer mit idealen
Fignren eine wahrhaft berauschende Wirkung erreicht. Jn der That wüßte ich nicht, wie man den greisen
Monarchen und seine unermeßlichen Verdienste um die Nation glänzender und mit hinreißenderer Schönheit
durch die Kunst feiern könnte, wenn das riesige Bild einst hält, was diese in allem und jedem meisterhafte
Skizze verspricht. Sie stellt den Monarchen in einem von vier weißen Pferden gezogenen antiken Wagen
stehend dar, wie er eben von der Siegesgöttin mit goldenem Lorbeer gekrönt wird, während rechts von ihr
ein Engel mit der Friedenspalme, links ein solcher mit der Kriegsposanne, über ihnen Amoretten mit den
beiden Kronen in einer wahren Flut von Glanz und Licht aus dem geöffneten Himmel herabsteigen. Den
Zug eröffnet ein geharnischter Ritter des eisernen Kreuzes, vor dem Triumphwagen her schreitet Germania, die
wiedergefundenen Töchter Straßburg und Metz umarmend. Wie sinnvoll die Symbolik dieser Fignren aber
auch ist, so würde sie der Gefahr, frostig zu erscheinen, doch schwerlich entrinnen, wenn die einzelnen
Gestalten nicht so lebensprühend, vor allem aber, wenn nicht der Ansdruck schlichter Würde und Güte bei dem
eben das Schwert in die Scheide steckenden alten Kaiser ebenso unnachahmlich gelnngen wäre, als bei
dem ihm zur Rechten hoch zu Roß unmittelbar folgenden Kronprinzen der stolzer Heldenhaftigkeit. Neben
diesen beiden unübertrefflichen Figuren tauchen dann die links des Kaisers reitenden Bismarck, Roon nnd
Moltke ans einer mächtigen, von dem geöffneten Himmel gebildeten Schattenmasse auf, wie weiterhin Prinz
Friedrich Karl. Zur Linken des Kronprinzen aber sehen wir einen Preußen Arm in Arm mit einem Bayern
gehen. Die Rosse am Triumphwagen des Kaisers werden von den bekannten zwei wilden Münnern des
preußischen Wappens, als den Repräsentanten der deutschen Volkskraft, geführt, während hinter den beiden
Hauptfiguren alle die übrigen Paladine in dem Dunkel geahnt werden. — Der Zauber, das Sinn-
bethörende des durchweg den Charakter einer glänzenden Vision tragenden Ganzen ist aber unmöglich zu
beschreiben, er geht ebenso weit über den des doch vielbewnnderten Heidelberger Jubiläumsbildes hinaus, als
seine Helden die dortigen Professoren an Wichtigkeit überragen. Gelingt es dem Künstler, sein Werk zur
nächsten Münchener Ausstellung fertig zu bringen, so wird es voraussichtlich eine ihrer schönsten Zierden
werden durch den ganz unwiderstehlich fesselnden phantastischen Reiz, den seine Mischung von Wahrheit und
Dichtung auf uns ausübt. Es bestätigt uns aber auch aufs neue, daß jeder großen Kunstepoche eben eine
Heldenzeit voransgehen müffe, die ihr erst einen Jnhalt zu geben hat.
Wer vermöchte aber Karlsruhe zn betreten, ohne mit Wehmut Scheffels zu gedenken, wenn auch zugleich
mit Stolz, daß es ihn hervorgebracht hat. So fand ich denn auch seinen Freund, den begabten alten Gleichauf
damit beschäftigt, den Karton einer dem Trompeter entnommenen Szene zu zeichnen, ebenso die Komposition
eines Tanzes von Frauengestalten auszuführen, welche den Portalbau des großen Festsaalgebäudes zieren soll,
das Durm im Auftrag der Stadt gebaut. Gehört Gleichauf noch der Schnorr'schen Schule an, so hat.er
von ihr anch den rythmischen Sinn, der für solche große, monumentale Kompositionen unerläßlich bleibt, und
nicht weniger jene Heiterkeit, die nnn einmal wesentlich zum Charakter der Bevölkerung gehört, für die das
Gebände bestimmt ist. Eine weitere Zierde erhält dasselbe Portal durch eine prächtige Gruppe von Heer,
welche in einer höchst anmutsvollen Frauengestalt, die einen nackten, jnbelnden Jungen zurückhält, abermals
die Freude samt der maßvollen Anmut personifiziert, der das Gebäude gewidmet ist. Beide Zierden aber ver-
dankt dasselbe der Munifizenz des Herrn Close, der sie da hinein gestiftet, wie denn Karlsruhe dem Patrio-
tismus dieses und so mancher anderer Mitbürger schon vielen Schmuck solcher Art schuldet. Jch erinnere hier
nur an den köstlichen von Vierordt gestifteten, mit Statnen von Möst geschmückten Brunnen, an die Palais
Schmieders, Bürcklins, sowie Douglas', die alle reich mit Skulptnren verziert sind, u. a. m.
 
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