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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Voss, Georg: Die Berliner Kunstausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0455

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Die Berliner Kunstansstelluilg.
unter freiem Himmel von cillcn Seiten glcichmäßig auf
die Gegenstiinde hereinflutct. Nvch cinf keiner Aus-
stellnng ist die deutsche Knnst mit einer fo großcn Mcisse
von Malereien »en plein air« anfgetrcten wie hier. Znm
Teil sind es gerade die bedentendstcn Talente, welche sich
dein neuen koloristischen Glaiibensbekenntnis der Pariser
vcrschworen haben. Sehr erfrcnlich ist es indessen, zu
schen, daß dicse Stroiniing keineswegs in einer geistlosen
Nachnhninng dcr Franzosen ansgcht. Anch in Teiitschland

ist der Lieblingsgegenstand der nenen Schule die Schil-
dernng des bednrftigen Volkes. Doch der dentsche Maler
stellt in diesen Werken gern ein tiefes, inniges Gemüts-
leben dar. Das pessimistische Tendenzbild der Franzosen,
welches nur den verrohten Pöbel der Hauptstadt zn kennen
scheint, hat in der dentschen Malerei keinen Boden ge-
funden.
Als der bedentendste Vertreter der nenen Richtung
zeigt sich noch immer Fritz von Uhde. Sein dies-
maliges Bild stellt eine Grnppe von Landlenten dar,
nnter denen Christns Platz genoninien hat, nm ihnen das
Wort der Bergpredigt: „Selig sind, die da geistlich arm
sind, denn das Hinimelreich ist ihr" anszulegen. Die
Landleute, zu deueu Christus spricht, sind wieder deutsche
Baueru und deu Hiutergruud bildet eiu deutschcs Gebirgs-
dörfchen. Die Darstelluug der Andacht in den einzelnen

vcm Georg voß 2S7
Gestaltcn ist noch inuiger und seelenvoller als in seinen
frühereu Werken. Auch die Farben sind, obwohl noch
ininier in der blassen Stimmnng der nenen Schnlc, reicher
nnd tiefer als frühcr. Der Malcr hat als Beleuchtnng nicht,
wie scine französischen Vorbildcr, d:e grelle Mittagssonne ge-
wählt, in deren Licht die einzelnen Farben ihre Leuchtkrast
verlicrcu und alle Gcgcnstcinde wie mit Mehl bcstrent
aussehen. llhde läßt diesmal die Strahlen dcr Abcnd-
sonne übe^ die Felder glühcii, nnd in dicscr Bclenchtnng
cntfaltet er eine koloristische Schönheit, die
seincn Werken bisher fehlte. Tcr Maler
hat damit selbst den Bewcis gelicfcrt, wie
einseitig cs war, das Heil dcs nenen Rea-
lismns allcin in dcr Darstellnng des grell-
sten Tageslichts zn schcn. Tas Bild darf
dahcr als cine wichtige Bercichcrnng des
kolvristischen Programms der ncncn Schulc
betrachtet wcrden.
Als ein sehr bedentcndcs Talent auf
dem Gebiete der Hcllmalcrei führt sich hier
Hermann Neuhaus aus Müuchcu cin.
Sein in lcbensgroßen Fignrcn gemnltes
Biid stellt eine Ecke an der Maricnsäule
auf dem Maricuplatz iu Müuchen dar.
Ganz vorn knict in zagendem Gcbet ein
Mädchen ans dcm Arbeitcrstande. Man
sieht die Gestalt nur vou hinten. Doch
in dcn wenigen Linien ist die Geberden-
sprache dcr ?lndacht trefflich ausgedrückt.
Ein paar Kinder daneben haben wohl eben
ihre Andacht beendet. Ein Arbeiter macht
das Zeichen des Kreuzes. Ein Herr lüftet
im Vorübergehen den Hut. Die ganze
Gruppe ist schlicht und wahr nach dem
Leben gezeichnet. Die Farben des Bildes
sind grau und kühl. Nur die roten Lampen
der Säule glühen in diese blassen Töne
hinein, und über den Wolken liegt ein
leichter rosiger Hauch der Abendsonne.
Adolf Schlabitz aus Berlin geht
in seinem Streben, unter allen Umständen
freies Himmekslicht zu malen, so weit, die
Malerei en plein air unbefangen auch
auf ein geschlossenesZimmer zu übertragen.
Sein Bild stellt eine Kinderschule dar, in
der soeben das Morgenlied gesungen wird.
Die einzelnen Köpfe sind sehr fein beobachtet
und ohne jede mit der Behandlnng dieser Szenen so oft ver-
bundene Witzelei dargestellt. Prächtig sind die Gesichter,
gegen das helle Fenster gesehen, Licht in Licht modelliert.
Schlabitz, der schon seit mehreren Jahren in verschiedenen
Werken an diesem koloristischen Problem gearbcitet hat,
hat hier entschieden sein Bestes geleistet. Auch Hugo
Vogel hat eiiie im geschlosseuen Raume voraeheude Szene
in derselben Lichtfülle gemalt, als ob sie sich unter freiem
Hinimel abspielte. Sein im Auftrage des Provinzial-
museums zu Haunover gemaltes Bild stellt Ernst
den Bekenner, Herzog von Braunschweig, dar, wie
er im Jahre 1530 zu Celle vou Urbanus Regius zum
erstenmal das Abendmahl unter beiderlei Gestalt empfängt.
Die religiöse Handlung ist mit dem Ernst und der Kraft
des Ausdrucks gemalt, von welcher der Maler bereits im
vorigen Jahre durch sein grvßes Gemälde „Der Große


Porkrät drs Landkags-Abgrordnrkrn Hrrrn N. A. Rrinhark in Worms
Don Aarl Gussow
 
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