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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Ahl, Friedrich: Die Büste: Erzählung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0459

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Die Büste. Vori Friedrich UHI

Noberts Fortschritte und — neckten ihn: fürwahr, man
sieht dir dcn Bildhaner an, der krästige hohe Wuchs, dic
starkcn Armc, die Wölbnng der Stirn nnd dazu die Hände
nnd dcr Bart — nvll Lchm! Er lächelte und arbeitete.
Mnß dcnn cin Unnstler dcm Bcodebildc gleichen? sagte
cr . . . ninsj dcnn ein Knnstlcr handgreiflich bewcisen,
das; er Menschcn nach Goitcs Borgange ans Lchni gestaltet?
cntgegnctcn wir.
Jch hatte später Rvbert Hannold aus dem Ange
nerlvren, aber nicht aus dem Sinn; er saß mir im Herzen.
Man freut sich an dcni Aufstcigen bevorzngtcr Menschcn
wie an dcm sichtbaren Wachstnm hervorragender Bänme.
Da las ich die sreudige Nachricht, daß cr, Sieger über
alle Mitbcwerber, plvtzlich mit dem krästigen Hanpte ans
dcr Vkcnge eniporgetaucht sei und die Augen auf sich
gclenkt habe. Jch beschloß, ihn sofort aufznsuchcn. Sein
Atelier ivar bald erfragt. Es war noch inimer jcnes, in
wclchem cr bei seincm Mcister gearbeitet; daß dieser ge-
storbcn, wnßte ich. Während der Fahrt dachte ich lächelnd
an die Feste, die wir in diescm Atelier mit Erlaubnis des
Meisters, ja in dessen nufmniiternder nnd belebender
Gegenwart gcfeiert. Die Werkstätte lag in eincni fernen
Stadtteile, in ciner Art von Sackgasse, deren Bodcn vom
Kohlenstanbe der nahen Eisenbahu stets geschwärzt war.
Ncchts kleine Hänser, Magazine voll von Eisenabfällen
und alten Karren; ein Hnnde-Abrichter cntlockte in cinem
den gemaßregelten Ticrcn jammervolles Gehenl, das sich
mit dem schrillen Pfeifen dcr vorübcrcilcndcn Dampf-
wägen vereinigte; links lief eine lange Gartcnmaner hin, nnd
in dieser war ein hvhes Thor angebracht, dnrch das man
in den Vorgarten des Atcliers gclangte. Ein kleincr,
schmalcr Grasplatz war mit eineni sich an die Fcnermaner
des Nachbarhauses lehnenden großcn Käfige geziert nnd
wnrde Lnsthaus genannt. Jn demselbcn lagcn allerlei
Gliedmaßen aus hartgewordcnem, zersprnngenem Thon,
Vvn Gipsgießern znriickgclassene Negativformen vollendeter
Arbeiten, Werkzeuge, Gießkaunen und in der schönen
Jahreszeit die Matratze, welche den Modellen bei
ruhender Pose als Unterlage diente. Eincn schlanken nnd
zierlich der stanbbcdecktcn kümmcrlichcn Erdc sich ent-
ringenden Ailanthus (Götterbaum) und den kärglichen
Grasplatz daneben nannte Robert „seinen Garten".
Jch stieg aus dem Wagen nnd öffnete das Thor.
Größer war der Garten nicht geworden, aber schöner,
gepslegter. Links blühten Rosen, rechts an der Wand
kletterte wildcr Wein empor, das Lusthaus barg zerstrente
Gliedmaßen der Giitter und Helden, die den Blick fesselten,
den Schritt hemmten, eine herrliche Kunstwelt in Gips-
trümmern, und überrascht blieb nian dann vor der Thür
der Werkstätte stehen. Zu bciden Seiten des Einganges
trotzten Karyatidcn, von Clematis nmwiinden, deren blaue
Blumensterne gleich Orden die Brnst der Riesen zierten,
und ein reizender, trotzig schauender, pausbäckiger Kinder-
kopf, umrahmt vvn frcmdländischem Vogelgefieder, schniückte
die Mitte der Wölbnng. Jch öffnete und trat in das
Atelier.
Robert Hannold blickte von der Arbeit anf und sprang
freudig auf mich zu. Wir reichten nns die Hände; ich
fühlte den Druck seiner kräftigen Rechten. Jch sah den
Manu an; es war sein Haupt, nur männlichcr, als hätte
ein Künstler inzwischen das Antlitz ernster, schärfer heraus-
gearbeitet. Doch auch sonst welche Veränderung! Der
ganze Anzug aus grauem, geripptem Samt, ein feines,

mit einer altägyptischen Käfernadel zusammengehaltenes
orientalisches Tuch uni den Hals gewnnden; die Haltung
des Körpers leichter, weicher, selbst der Bart formschön.
Wie hatte sich Robert Hannold verwandelt, was hatte ihn
nmgebildct? Der Mann nnd Künstler, verklärt von den
Strahlen der Erinnerung an das Jugendglück, stand vor
mir anf dem antiken Mosaikboden — ein Brnnnen, von
desscn Rand zwei Tauben die rosigen Schnäbel in das
Naß senkten, war hier dargestellt — wie ein Sieger, dcr
sich seiner That frent nnd dem Lohne ans schönen Händen
entgegensieht. Robert arbeitete eben an ciner Büste; sie
war fast vollendet, nnd an ihrem Sockel klcbte, durch ein
Stückchen Lehm feftgehaltcn, ein kleiner Veilchenstranß.
Jch bewunderte das Werk, Nobert hörte kauni auf meine
Worte und seiue Augen sorschten in den Linien, bald da,
bald dort, man sah, er war wieder bei der Arbeit. Jch
fragte: was bcdeuten diese Veilchen ? Jn diesem Angen-
blicke trat eine jnnge Frau lächclnd aus dem Nebenzimmer.
„Meine Frau!" sagte Nobert. Sie reichte mir die Haud.
Jch begriff olles. „Dn bleibst . . . ja wohl, Du bleibst,
bitte . . . bis zur Mahlzeit wird Dir nicine Frau Ge-
sellschaft leisten. Sie soll Dir sagen, was der kleine
Veilchenstrauß bedeutet."
Die junge Frau führte mich in eiu Nebenzimmcr.
Wir setztcn nns auf einen mit pcrsischen Teppichcu be-
dccktcn Divan. „Der kleine Beilchenstrauß," begann sie,
„ist die Jnitiale nieines Lebensbuchcs. Sie sind cin Frennd
nicines Alannes, er hat oft Jhrcn Nainen gcnannt, nnd
so erzähle ich vffcn und gern. Jch war fast nvch ein
Kind. Robert modellierte die Büste mcines Vaters; die
Sitznngen fanden ftets am Sonntag statt. An einein
Frühlingsfestmorgen fordcrte mich der Vater anf, ihn zn
beglciten; die Büste sei fast vollcndct, sagte er. Meinc
Nengierde war gcspannt, ich frente mich. Der Eintritt
brachte schon eine Nberraschnng .... Sie kanntcu den
Vorgarten? ... Und als ich dauu das Atelier betrat, blieb
ich erstaunt stehen. Wenn Robert arbeitet, wird er wie
von eincm Magnet festgehalten. Zwischen ihni und mir
stand auf der Drehscheibe die Büste uud ich war klein.
Er bemerkte mich also nicht, ich konnte ihu forschcnd an-
sehen. Sie kannten ihn . . . nun als ich den Mann in
dem Leinenrocke erblickte, den Lehm in seinem Barte,
sprach ich vor mich hin: so nlso sehen Künstler ans!
Mein Vater begrüßte Robert, aus dessen Ton hell die
Hciterkeit klang, eine Sprache voll Lachen, und sagte:
ich habe heute meine Tochter mitgebracht, damit sie die
Büste sehe! Darf sie? Jch trat hervor, blickte den Künstler
an, dann das Atelier nnd sagte: Papa es ist ja...
Robert, der mich bisher kauni beachtet, errötcte, lachte und
sprach: „Entschnldigen Sie, ich sitze nie bci der Arbeit!"
Er eilte hiehcr in diesen Naum, warf im Borübcrgehen
einen großen Lappen über eine Gruppe und kehrte mit
einer leeren Tonne znrück, die er in die Mitte des Ateliers
stellte. „Darf ich bitten," sprach er. Jch trug ein neues
Frühlingsklcid und zögcrte. „Haben Sie eiu Tuch zur Hand,
lieber Haunold ?" sagte mcin Vater. Robert rief: „Gewiß ..
mein Fräulein!" ritz von einer Gliederpuppe ein Stück
Brokät, das wohl erst kürzlich zu zierlichem Faltenwurf ge-
orduet war, und warf es über die Tonne. Jch nahm würde-
voll darauf Platz. Mein Vater mußte stillhalten, Robert
arbeitete an der Büste, ich sah zu. Mein Blick, vertraute
er niir später, beunruhigte ihn; ihm war, als sollte er zum
Anschauungs-Unterrichte dienen. Auch kam ihm plötzlich
 
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