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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Grünewald, E.: Das Urheberrecht auf dem Gebiete der bildenden Kunst und der Photographie, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0472

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Das Urheberrecht auf dem Gebiete der bildenden Aunst und der Photograxhie. von L. Grünewald

nur die Originalität des Gedankens, soudern auch die Selbständig-
keit der F-ormgebung entscheidend. Die Baukunst genietzt den
gesetzlichen Schutz nicht (Z 3). Zur Nachbildung der Kunstwerke,
ganz oder teilweise, ist nur der Urheber derselben ausschlieblich
befugt (Z I). Daher ist diese Nachbildung verboten, wenu sie in
der Äbsicht, dieselbe zu verbreiten, ohne Genehmigung
des Urhebers oder seiner Nachfolger hergestellt wird (Z 5 ersten
Satz). Dagegen ist die freie Beunpuiig, d. i. die künstlerische
Berarbeitung des Kunstwerks, um dadurch ein nenes Werk her-
vorzubringen, gestattet (Z 4).
Das iu Kürze vorausgeschickt, setzen wir die Erläuterungcn
nnd dic Vorschristen dieses Gesetzcs in der bisher bcvbachteten Art
und Weise fort.
1.*)
Die Ziffern 2 bis 5 des Z 5 des Gesetzes enthalteu auS
praktischen Gründen die beispielsweise Aufzählung einzelner F-älle
der verbotenen Nachbildung. Ju Zisser 1 heißt es, daß
als solche auch anzusehen ist, wenu bei Hervorbringung derselben
ein anderes Verfahren angewendet wordcn ist, als bei dem
Originalwerke.
Die vielen Stras- uud Zivilprozcsse, welche in den letzten
Jahren und gegenwärtig noch zwischen Kunstverlagshandluugeu
unter einander, sowie zwischen dieseu und den Kiinstlern geschivebt
haben und noch im Gange sind, rechtfertigen eine eingehendere
Besprechung dieser Bestimmung.
Es liegen uns drei verschiedene Vertragsformulare vor, wie
sie bei den zwischen Künstlern und Verlagshandlnngen abgeschlvs-
seneu Geschäfteu üblich sind:
a) Nach dem eineu überträgt der Künstler an den Ver-
leger das „ausschließliche VervielfältigungSrecht seines Bildes
für alle graphischen Reproduktionsarten". Die Auslegung
dieser Vercinbaruug bietet keine Schwierigkeiten. Der Verleger
erwirbt damit eben die Befugnis, das Bild in der ihm beliebigcn
Forni (mittelst Photographie, Holzschnitt, Stich cc.) wicder-
zugeben.
b) Jn dem zweiten Formnlare überträgt der Künstler dem
Nerleger nur das „p h o t o g r a p h i s ch e Vervielsültigungsrecht
seines Bildes". Kein Zweifel ist, daß der Verleger dadurch nur
die Befugnis erhält, das Werk ans photographischem Wegc
herzustellen.
Welchen technischen Umfang aber diese Herstellungsweise hat,
wird unter der folgenden lit. c dargelegt werden.
Es könute vielleicht die Frage anfgeworfeu werden, ob bei
dieser Vereinbanmg einerseits der Künstler noch das Recht
behalten habe, seiu Bild in anderer Manier, z. B. in Stich,
Holzschnitt,'c. vervielfttltigen zu lasseu, und ob andererscits dem
Verleger, wenngleich derselbe, um ein Beispiel anzuführen, nnr
das photographische Vervielfältigungsrecht erworben hat, das
Recht zukomme, die ohne seine Zustimmung geschehenden audcr-
weitigen Reproduklionen zu verbieten, weil sie etwa die Absatz-
fähigkeit seines Vervielfältigungsproduktes beeinträchtigen könnten.
Ein: solche Auffassung würde aber entschieden unrichtig und allem
Geschäftsgebrauche widersprechen; sie enthielte einen rechtlich nicht
zu venniitenden Verzicht des Künstlcrs auf eine Reihe von Be-
fugnissen, die ihm gerade durch die ausdrücklich festgesetzte Be-
schränkung des allgemeinen Berlagsrechtes zukommeu, und es ist
daher anznnehmeu, daß dem Künstler das Recht der Verfügung
bezüglich aller übrigen Reproduktionsarten unbedingt ver-
blieben ist. Würde aber ein Dritter, ohne den Knnstler oder
dessen Rechtsnachfolger zu fragen, eine Nachbildung irgend welcher
Art in den Handel bringen, so hat der Verlegcr, wenn er auch
nur ein beschränktes Vervielsältigungsrecht besitzt, die Berechtigung,
gegen diese Nachbildung Strafantrag zu stellen, auch wenn
das in dem speziellen Falle angewandte Reproduktionsversahren
ihm gar nicht übertragen ist.
Das U. I. Strafsen. RG vom 7. Juni 1886 sprach in
dieser Hinsicht aus, daß der Kunstverleger, dem das Vervielfül-
tigungsrecht nur sür ein bcstimm tes Kunstversahren (z. B.
Photographie) übertragen wurde, berechtigt ist, jede, sein
beschränktes Verlagsrecht gefährdende widerrechtliche Nachbil-
dung, auch wenn sie durch ein anderes Kunstverfahren (z. B.
Oldruck) erfolgt ist, selbständig zu versolgen.
c) Nach einem dritten Vertragsformulare überträgt
der Künstler das Vervielfältigungsrecht seines Bildes „fiir

.. ,. Tetl wurde bczüglich dicscr jpezicllen Frage die vom Berfasscr
hierubcr i» Liesegangs Photographischem Archiv Nr. SS6 S. 26 cnthaltenc Ab-
handlung benützt. D. V.

alle auf der Photographie beruhenden Reproduktionsarten" an
den Berleger.
Nicht aus jnristischen, sondern vielmehr aus tcchnischen
und kaufmännischen Grunden bietet die Jnterpretation dieses,
,'owie auch des unter llt. d erivähnten Bcrtrages cinige
Schwierigkeit.
Zu den phvtographischen Vervielfältigungsarten iin
eigentlichen Sinne des Wvrtes sind nämlich nur der Silberdrnck,
der Pigmentdrnck, die Plalinottipie uud ähnliche phvtvchemische
Verfahren zu zählen. Von diesen unterscheiden sich die ph o-
tomechanischen Neproduktionsarlen, die zwar gleich den pho-
tographischen dcs Negativs als Grundlage bedürfen, die
Vervielfachung eines Bildes abcr dann weniger durch Ein-
wirknng des Lichtes, als hauptsächlich durch maschinelle Einrich-
tungcn bewirken.
Solche photomechanische Vervielfältigungen sind:
1. Der Lichtdruck, d. i. Beleuchtung einer Chronigelatine-
platte unter einem Negativ und weitere Bearbeitung dersclben
zur Annahme der Bnchdruckfarbe nnd zum Drnck in der Stein-
druckpresse.
2. Die Pho tolithographie, ein dem vorgenannten
ähnliches Verfahren auf Stein.
3. Der Woodburydruck, d. i. Herstelluug eines Gelatine-
reliefs (durch Beleuchtnng lichtempfindlickier Gelatine nuter ciiiem
Negativ), Prägung desselben in Blei und.Abklatsch dieser Ma-
trize mittels Gelatinefarbe auf Papier.
4. Die Heliogravure: durch ähnliche Einwir-
kungen des Lichtes auf Gelatine und weitere chemisch-technische
Behandlung wird eine auf der Kupferdruckpresse zu druckende
Platte hergestellt.
5. Die Photozinkographie vder Autotypie. Be-
lichtung einer asphaltierten Zinkplatte unter dem Negativ
und Ätzung derselben für den Hvchdruck, d. i. sür die Buch-
druckpresse.
Wenn nuch alle diese Reproduktionsarten cine photogra-
phische dlufnahme voraussetzen, sv ist die Vervielfältigung dvch
keine photographische nnd das Produkt anch keine Phvtographie.
F-ür die F-rage, ob diese photoinechanischen Verfahren dem
Begriffe des photographischeu Vervielfältiguugsrechtes einzureihen
siud, siud aberuun weniger technische, alS namentlich kaufmä n n ische
Gründe Ausschlag gebend.
Knnstler, Photograph uud Kaiifniaun müssen bei Abgabe
des Gutachtens über den bei solcheu Verträgen vermutbareu
Willeu der Koutrahenten znsammenwiiken. Denn fiir die Ver-
tragsschließenden ist uicht das eiuzelue Glied der technischen Pro-
zedur, sondern die Erscheinung der Reproduklion auf dem Ab-
satzmarkte, imHandel, das AuSschlaggebende. Der Künstler,
welcher sein Bild in photographischen Verlag gibt, wird stets
uur an die Erscheinuug desselben alS Einzelblatt, odcr, wenn
auch zu einem Album vereint, doch immer an ein einen gewissen
selbständigen Wert repräsentierendes Knnstblatt denken; niemals
aber wird er glauben, daß er damit dem Verleger daS Rechl
übertrage, sein Bild, wie es bei der Autolypie mittels der Buch-
druckerpresse geschieht, vielleicht als rückseitig bedrucktc Text-
illustratiou erscheinen zu lassen. Der Buchdruck ist wenigstens
12mal billiger, als die Photographie. Die Erscheinung auf dem
Slbsatzmarkte wird dadurch eine ganz andere, als sie von den
Kontrahenten, uamentlich seitens des Künstlers, bcabsichtigt war.
Ein kausmännisches, im Verlagsgeschäft üblicheS Nccheuexempel
wird solcheS darthun. Wenn der Verleger ein Bild in Photo-
graphie-Verlag nimmt, so berechnet er im allgemeinen für die
Herstellungskosten 50 °/^ der Eiiinahme, gewährt dem Künstler
bei Tantik-ineverträgen 10 bis 15°/„ während er für sich und
sein Risiko 35 biS 40 °/^ beansprucht.
Würde man nun annehmen, durch jene Verträge sei auch
das Autotypierecht auf den photographischen Verleger übergegangen,
und derselbe würde, wozu er bei solcher Annahme nach K 7
nnseres Gesetzes befugt tväre, dies Autotypierecht allein weiter
öerkaufeu, z. B. für 100 M., davon dem Künstler die vertrags-
mäßigen 15 M. geben, so würde er 85 M. ohne jede materielle
Leistung in die Tasche stccken. Denn die 50 °/„ siir Herstellungs-
kosteii der Waare fallen fort, somit verlieren auch die 10 oder
15°/„, welche der Küustler erhält, jede vernünftige Berechtigung.
Nun und nimniermehr kann es der Wille der Kontrahenten,
am allerwenigsten auf Seite des Künstlers gewesen sein, die durch
den Vertrag übertragenen - Befugnisse, m ,solch' ^ausbeutender
 
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