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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Perfall, Anton von: Bekehrung: Novelette
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Barth, Hans: Otto Brandt
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0041

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26

Bekehrung — Dtto Brandt ff

Dieses einfache Kind ward sein Lehrmeister, seine
Schule, unbewußt sprach sie das aus, dessen Mangel
er schon längst dunkel empfand. — Und alles, was sie
sprach, alles, was sie in ihm weckte, das sog der Pinsel
auf und brachte es auf die Leinwand.

Eva war zu glücklich in dieser anregenden Unter-
brechung ihres monotonen Lebens, als daß sie ihr Inneres
sorgfältig überwachte, und ehe sie die allmähliche Ver-
wandlung des zunehmenden Interesses an dem geistreichen
Künstler in Liebe bemerkte, war sie schon vollzogen.

Beide dachten nicht daran, daß Bilder auch einmal
fertig werden — da kam der Tag.

Sandoz malte bereits drei Stunden, ohne eine
Pause zu machen. Eva erzählte von der Mühle des
Großvaters, wo der alte Erkmann stets seine Sommer
zubrachte, von Wellenbäder im Mühlbach, den duftigen
Nudeln der Müllerin, den unvergeßlichen Abenden
mitten unter dem weißbestaubten Gesinde, von dem heim-
lichen Klappern und Rauschen.

Sandoz hörte und sah. Die liebliche Erinnerung
verklärte Evas Züge, und über die zarte Haut sebst lag
es wie frischer Mehlstaub, während die goldenen
Löckchen, die in die Stirne hingen, dem Ährengolde
glichen. — Plötzlich fuhr er zurück mit erhobener Palette.
„Fertig, Euchen!" rief er laut, siegesbewußt.

Evchen brach plötzlich ab, und beide blickten sich
fast erschreckt an.

„Wirklich fertig? — Ganz fertig?" fragte sie,
rasch vor das Bild tretend. „Aber wie schön! Nein,
so schön bin ich ja gar nicht, Gott! das Bild wenn der
Vater sähe!"

„Würde es ihm gefallen? Glauben Sie? Würde
er sagen, der Mann hat reinen Herzens geschaffen?"

„Ja, das würde er gewiß, das würde er, Herr
Sandoz. Aber sagen Sie, wie konnten Sie sich nur
so schlecht machen, mich so belügen — Sie könnten nicht.
Sie trieben nur Spielerei. —- Gewiß haben Sie noch
viel schönere Bilder in Ihrem Ätelier und wenn
Sie mich daneben stellen, werden Sie erst sehen, daß
es gar nicht dazu paßt."

„Nein, es paßt auch nicht dazu und soll nie dazu
gestellt werden in meinem Atelier — nie!"

„Ja, wo soll es denn dann hin? Ja so, verkauft
soll es werden das schöne Bild." Sie sah es mit einem
wehmütigen Blick an, als nähme sie von einem guten Freund
Abschied. „Aber nicht wahr, die Stunden verkaufen Sie
nicht mit dem Bilde, die wir zusammen verplaudert
in diesem Stübchen und die garstige Zizi löst mich nicht
ab — das würde mir wehe thun —"

„Wirklich, thut es das?" Sandoz sprach mit unge-
wohnter Innigkeit, sein Auge strahlte plötzlich ein ihr
fremdartiges Licht aus. — „Ich verkaufe weder die
Stunden, die ich hier verplaudert, noch das Bild um
irgend einen Preis, und wissen Sie, wo es hängen soll
für alle Zeiten? In dem Wohnzimmer der Frau Sandoz."

„Frau Sandoz!" Es klang wie ein Aufschrei aus
Evas Munde und unwillkürlich drückte sie die Hand
auf das Herz.

„Ja, Frau Sandoz," wiederholte der Maler be-
geistert, „bei Eva Sandoz, geborne Erkmann! —
Wollen Sie, Eva? Nicht! dann — ja, dann wird es
verkauft — nein — vernichtet, dann war es ein Irr-
tum und ich kehre zurück zu — oh! —"

Er Preßte die Hand vor das Antlitz. Da um-
schlang ihn ein weicher Arm und der kleine Mund, den
er als zweiter Schöpfer tausendmal genossen, drückte sich
auf seine Lippen.

„Ich will ja, Sandoz — ich will. — Das Glück
nur machte mich stumm. Vater! — O, Vater! —"

Still, ganz stille wurde es in der Dachstube, von der
Staffelei herab blickte mit erhabenem Lächeln „die
Näherin" auf das selige in sich versunkene Paar. Sie
hatte gesiegt über all' den bunten Kram in dem Sandoz-
schen Atelier, durch die Schaffensfreudigkeit eines reinen
Herzens, durch die Himmelskraft redlicher ernster Arbeit.

Das Rätsel war gelöst, über welches Sandoz damals
eingenickt — die Idee, das Ideal warf zum erstenmale
sein klares beglückendes Licht in seine Künstlerseele, in
welcher bis jetzt nur Begriffe walteten. Seine Liebe zu
Eva war die echte, wahre Künstlerliebe, entzündet an
dem heiligen Feuer der Begeisterung, umgeben von der
Auferstehungsglorie einer Künstlerseele. —Heil ihm! —

Otto Brandt 1-

i^ernab von allen Freunden und Bekannten, ja ohne daß selbst
II" die Kunde des traurigen Ereignisses auf andrem Wege, als
dem des Zufalls nach Rom gedrungen wäre, ist in Olevano
Romano Ltto Brandt, der hochgeschätzte Berliner Maler,
einer Rippenfellentzündung erlegen. Otto Brandt, ein etwa in
der Mitte der sechziger Jahre stehender, aber darum doch nichts
weniger als müßiger Künstler, war allen Angehörigen der deutschen
Kolonie in Rom, namentlich allen Mitgliedern und Besuchern
des Künstlervereins seit Jahren, ja seit Jahrzehnten eine wohl-
bekannte, liebe Erscheinung. Ein etwas vornübergeneigter, grau-
köpfiger alter Herr, dem an Jovialität, aber auch an Bescheiden-
heit, unter seinen Kollegen keiner so leicht gleichkam. Dabei hatte
der gute Alte, der mit besonderer Vorliebe über die Verderbnis
der modernen Kunst und über die Verflüchtigung des Geschmackes
bei den deutschen Mäzenatin räsonnierte, auch ein gut Teil vom
Original an sich. Wer von den Mitgliedern des Künstlervereins
erinnert sich z. B. nicht des famosen Brandt-Porträts (jetzt im
Besitze Prof. Kauers), das den etwas nach darwinischem System
karikierten Schädel des ehrwürdigen „Ottone" mit der nie fehlen-
den zerkauten Toskaner-Zigarre im Munde zeigte? Das lustige
Bild, das mit andern dieser Art irgend eine Juxausstellung des
Künstlervereins geziert hatte, charakterisierte den würdigen alten
Herrn aber auch aufs beste — insbesondere das edle Kraut,
ohne das man sich den alten Brandt einmal nicht zu denken
vermochte.

Als Mensch ein Sonderling, war Brandt es auch als
Künstler; freilich in gutem Sinne, wie wir es recht vielen,
namentlich seiner jüngeren Berufsgenossen, wünschen möchten.
Niemals hat Otto Brandt mit der heutzutage üblichen groben
Kleckserei, mit schreienden Farben, bizzarren Tönen, kurz mit all
der technisch-amerikanischen Reklame gearbeitet, die — nicht bloß
in Rom — gewisse moderne Kunstheroen auszeichnct. Was unser
jetzt verblichener Landsmann in den langen Stunden emsiger,
pflichtgetreuer Arbeit schuf, waren keine glänzenden, auf zehn
Meter Distanz berechneten Tableaux, keine Ware >L sens-nion-,
wie sie — und zwar gerade in Rom! — unter Beihilfe bezahlter
Ciceroni und Hotel-Portiers aus den Kunstmarkt kommt. Es
waren meist kleine, einfache Bilderchen, die man leicht übersah
und an denen die Menge der Ausstellungsbesucher, wie ich oft
beobachtete, gleichgültig vorüberging. Kleine Landschafts- und
Genrebilder aus der römischen Canipagna, vom Tiberstrand, aus
Umbrien — dann einige halb mythologische, halb genrehafte
Szenen (Idyllen) mit reizend jungfräulich gezeichneten und ge-
malten badenden Nymphen; und über all dem Geschaffenen, über
dem gutmütigen, zechenden Campagnabauern, über dem das
Pferd beschlagenden Marcscalco, über den spielenden Kindern,
den der Quelle entsteigenden Nymphen, lag ein Zauber von
Zartheit, Poesie und Keuschheit ausgegojsen, den wir heutzutage
 
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