Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

DOI Artikel:
Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler - Architektur - Preisausschreiben - Ausstellungen und Sammlungen - Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0085

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ausstellungen und Sammlungen — Kunstlitteratur und vervielfältigende Kunst

bl


Mädchen und der einfache Ton der Landschaft. Im ganzen ein
erfreuendes Bild. Ein zweites Bild von F. Pradilla zeigt
zwei Frauen in bunter Tracht vor einem Hause, deren gothische
Thüre durch Wäsche halb verhängt ist. Man weilt weniger lang
davor und es kann lehren, daß auch bei großen Künstlern nicht
alle Tage Sonntag ist. E. v. Gebhardt pflegt auch bei seinen
nichtreligiösen Bildern bei seinem gewohnten deutschen Renaissance-
kostiim zu bleiben. Das hier ausgestellte Zwiegespräch ist in ein
Gelehrtenzimmer verlegt, der Gelehrte in dunkelgrüner Schaube
sitzt fast von hinten gesehen vor einem Tisch, an dem ein Lands-
knecht in blau- und weißgestreifter Tracht lehnt. Die Farbe ist
matt und grau und das innerliche Leben, das Gebhardts biblische
Figuren auszeichnet, fehlt hier, man weiß nicht recht, worüber
sich die zwei unterhalten und wenn man könnte, man würde
nicht einmal lauschen, so wenig scheinen die Beteiligten selbst
vom Gejprächstoff ergötzt zu sein. Das kräftige Leben von
Gebhardts religiösen Bildern tritt in gute Erinnerung beim
Beschauen von L. Feldmanns Jüngling von Naim, das gar
keine religiöse Empfindung zeigt, so unerfreulich im grauen Ton
ist und auch in der Komposition (die gedrängte Gruppe im Thor!)
wenig befriedigen kann. Wie aber enttäuscht uns diesmal
C. Kiesel! Die Halbfiguren von zwei singenden Mädchen
mit einem Notenbuch, so flau und so flach, das muß ein anderer
Kiesel sein. Eine sehr sorgfältige und fleißige Aquarelle von
C. L. Becker stellt den Giovannino des Michelangelo des Berliner
Museums dar. Der Marmor und der Schatten auf der grünen
Wand sind sehr delikat wied ergegeben. — In den vorderen Sälen
bei Schulte ist eine Sammlung alter Bilder ansgestellt, vielleicht
um für die fehlenden modernen Bilder Ersatz zu schaffen. Der Be-
sitzer der Kollektion will nicht genannt sein und er tyut gut daran
im Verborgenen zu bleiben, denn ein größerer Schund ist wohl
selten zusammengebracht. Die schlechteste Ware von Künstlern
untersten Ranges, die sich bei den kleinen Händlern herumlreiben,
der letzte Rest und Abhub der Auktionen. Die Bilder gebören
zu der Sorte der echten Tizians und Correggios, die vor einigen
Jahren bei einer Versteigerung durch eine bekannte Berliner
Auktionsfirma bis zu 15 Mark „getrieben" wurden. Der aus-
geg ebene Katalog hat die vom Besitzer beliebten Taufen beibehallen,
natürlich lauter beste Namen, diese in der Schreibweise, wie sie
n der naiven Zeit der Kunstgeschichte am Anfang des Jahr-
ihunderts üblich waren. Es sind selbstverständlich ganz namen-
lose Bilder, deren Urheber schon von den eigenen Zeitgenossen
vergessen wurden. Nun brauchte man ja über die ganze An-
gelegenheit kein Wort zu verlieren, aber diese pretentiöie Aus-
stellung in nächster Nachbarschaft moderner Bilder ist durchaus
nicht so harmlos. Diese Machwerke als Beispiele alter Bilder
vorzuführen, die den lebenden Künstlern immer als Muster vor-
gehalten werden, heißt das Publikum irreleiten und die alte
Kunst der Verachtung preisgeben.

td. Aus Rom schreibt man uns: Etwas spät freilich hat
die römische Polizei die noch Vorgefundenen Gemälde der Galerie
Sciarra mit Sequester belegt. Die hauptsächlichsten Werke hat
der Fürst, wie man weiß, beizeiten und zu recht anständigen
Preisen ins Ausland versilbert. Da ihm nun dafür ein Prozeß
in Aussicht steht, so traut sich Seine Exzellenz vorerst nicht nach
Rom zurück. — In Cortona wird ein von Hector Ferrari
entworfenes Garibaldi-Denkmal (Obelisk mit gekreuzten Kanonen
und Reliefbild des Generals) zur Aufstellung kommen. Einem
andern Helden der Besreiungskämpfe, nämlich dem Grafen Cadorna
(Eroberer Roms) hat seine Vaterstadt Pallanza ein Denkmal zu-
gedacht. Von den infolge des bezüglichen Preisausschreibens ein-
gelaufenen Skizzen sind die von Abate und Malfatti aus Mai-
land , von Beltrami aus Genua und von Romanelli-Florenz
die besten. — Wie wir eben erfahren, ist Fürst Sciarra-
Collonna, aller Erwartung entgegen, doch nach Rom zurück-
gekehrt. Das läßt darauf schließen, daß die Regierung dem
römischen Patrizier und Abgeordneten ein Hinterthürchen offen
läßt, d. h. daß es mit dem Prozeß nicht allzuernst genommen
werden dürste. lit?»!

— Die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft hat auf den
22. Oktober einen Delegierten-Tag nach dem Vorort Berlin be-
rufen. Gegenstand der Versammlung ist die „authentische Inter-
pretation des tz 2 der Satzungen", der die Verbandsangehörigkeit
der verschiedenen deutschen Lvkalvereine, die in ihrer Gesamtheit
die Kunstgenossenschaft bilden, behandelt. Es handelt sich darum,
zu entscheiden, ob an einem und denselben Orte zwei Lokalvereine
der Genossenschaft bestehen können. Bei Abfassung des Statuts
hatte man nicht daran gedacht, daß ein Lokalverein, wie das
in München geschehen ist, in zwei Vereine sich spalten könnte

und die daraus sich ergebenden Fragen sollen auf dem Delegierten-
tag ihre Beantwortung finden. l>5t2)

— München. In der Generalversammlung des Vereins
bildender Künstler wurden Vorstand und Ausschuß wieder gewählt.

— München. Der Einlieferungstermin für die Colum-
bische Weltausstellung 1883 zu Chicago ist für die Münchener
Kunst aus die zweite Hälfte des November festgesetzt.

Berlin. Der Unterricht in den akademischen Lehr-
anstalten für die bildenden Künste hat am 10. Oktober begonnen.
Die Zahl der Neuaufzunehmenden ist verhältnismäßig günstig
zu nenneu, doch ist die Aufnahme selbst noch nicht beendet.
Während des Sommersemesters nahmen am Unterricht in den
akademischen Meisteratcliers 12 Maler, 6 Bildhauer, 1 Kupfer-
stecher und 5 Architekten Teil; die Zahl der Schüler der aka-
demischen Hochschule für die bildenden Künste belief sich im gleichen
Zeitraum auf 218 Personen, einschließlich der Hospitanten. U^I

Kunstlilierakur und vervielfältigende Kunst

— Karl Stauffer-Bern, sein Leben, seine Briefe, seine
Gedichte. Dargestellt von Otto Brahm. Nebst einem Selbst-
Porträt des Künstlers und einem Briefe von Gustav Freytag.
(Stuttgart, Verlag Göschen. Preis 4 M. 50 Pf.) „Ihm war nicht
bestimmt, sein Leben durch viele und große Werke der Nation
wert zu machen. Und doch war er eine Künstlernatur mit un-
gewöhnlichen Gaben, deren Verlnst tief betrauern muß, wer ihn
und seine Arbeiten kennen lernte." So schließt Gustav Freytag
seinen Brief über Stauffer. Brahms Schrift ist also schon des-
halb interessant, weil sie das Leben eines „ungewöhnlich Be-
gabten" darstellt. Aber auch dieses Leben selbst war ungewöhnlich.
Heller als der Alltag war sein Licht und dunkler seine Schatten.
Stolzem Emporgang folgt jäher Absturz; die Hand, welche nach
dem Lorbeer sich gestreckt, greift zur Pistole: der zu den ewig
Lebenden sich gesellen wollte, sucht raschen Tod; der so oft mit
der Liebe gespielt, erfährt durch die Liebe den großen vernichten-
den Schmerz seines Lebens. Wessen ist mehr — des Unrechts,
das er gethan, oder des Unrechts, das ihm geschehen? Wer dies
Buch gelesen, wird sich mit der Frage nicht mehr mühen: ein
gewaltiges „Richtet nicht!" wird er in seiner Seele nachfühlen;
er wird nicht urteilen, sondern verstehen. Und das ist das Beste
an diesem guten Buche: daß es unsre Erkenntnis bereichert, unser
Schauen und Wissen in Bezug auf menschliche und künstlerische
Natur. Die Bedeutung der Briefe Stauffers, die den größeren
Teil des Ganzen ausmachen, geht über die Wichtigkeit seiner
Person und Werke weit hinaus: der unterrichtende Einblick in
das psychische Getriebe erhebt sie zu clocumeuis lium-üns t on
dauerndem Werte. Auch viele treffliche und eigenartige Bemerk-
ungen über Kunst finden sich darin, von den ersten Mitteilungen,
die der Siebzehnjährige aus München seinem Bruder in die
schweizerische Heimat sendet, bis zu den inhaltreichen Episteln an
Frau Lydia. Es sind nicht wohlabgewogene Erörterungen eines
Aesthetikers, am Schreibtisch ausgesonnen; alle diese Gedanken
sind nicht für öffentliches Erscheinen in feine Worte gekleidet oder
in zierlich geordnete Reihen gestellt. Um so besser! Von Künstlern
ist über Kunst immer noch mehr zu lernen (wenn auch nicht
immer gerade das, was sie zu lehren vermeinen) als von Kunst-
schreibern. Stauffers künstlerisches Wollen war ehrlich. Hier
lag alles Kleine und Kleinliche weit ab von ihm. Noch in dem,
was im Gefängnis und im Jrrenhause der Wahnsinn ihm in
die Feder gab, zeigen sich klar die ehrwürdigen Spuren eines dem
Großen zugewandten Geistes... So haben wir an diesem Buche
gleichsam ein für die Betrachtung sestgehaltenes Stück Natur;
ein Menschenwesen und Menschenschickjal, das der größte aller
Dichter, das Leben, gedichtet hat. Max Bernstein.

— Der Verein der Bücherfreunde in Berlin (Geschäftsführer
Verlagsbuchhändler Friedrich Pfeilstücker in Berlin, Bayreuther-
straße l) fährt in seinem anerkennenswerten Bestreben, gute
Romane in schöner Ausstattung zu billigem Preise zu veröffent-
lichen, rüstig fort. Namentlich seine neueste Publikation wird
nicht verfehlen, besondere Aufmerksamkeit zu erwecken. Der unsren
Lesern als Mitarbeiter an der „Kunst für Alle" wohlbekannte
Autor Wolfgang Kirchbach schildert in einem Romane „Das Leben
auf der Walze" das Leben jener fragwürdigen Existenzen, deren
Heimat die Landstraße ist, mit viel Humor, in realistischer Wahr-
heit. Den stattlichen Band hat Georg Koch mit zehn in Holz-
schnitt ausgeführten Illustrationen geschmückt. Für den unver-
hältnismäßig billigen Jahresbeitrag von 15 M. liefert der Verein
der Bücherfreunde jährlich acht solcher Werke von angesehenen
deutschen Autoren. llsi»!
 
Annotationen