Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

DOI Artikel:
Barth, Hans: "Auch" eine Columbus-Ausstellung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0097

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Auch" eine Lolumbus-Ausstellung. Von vr. Hans Barth

15. September) war von Kunst-Stümpern alles Mögliche
„geleistet": man sah halbnackte Kokotten („Europa" und
„Amerika") mit Columbus Fangball spielen und dergleichen
Possen mehr. Damals freilich waren es „Stümper" —
heute aber handelt es sich um „Künstler" von Namen,
die auch im Ausland mit Ehren genannt werden. Und
dennoch haben sie diesmal meist wie „Stümper" gearbeitet!
Ein Glück nur, daß das marmorne Wachsfiguren-Kabinet,
dessen Skizze wir heute bewundert haben, für „Bruder
Jonathan" bestimmt ist, der es mit der Kunst bekanntlich
nicht so genau nimmt. Doch zur Sache.

Die erste Statue der Serie ist, dem Katalog zufolge,
ein „über seinen Plänen brütender Columbus" von
Trabacchi, einer bekannten, nach Südamerika arbeitenden

2t

seiner zweiten Gruppe, Nr. 7) diesmal jeder Inspiration
entbehrt zu haben scheint. Ästhetisch sind in dieser Gruppe

nur allenfalls.die Beine! Spielt schon der große

Schöpfer des Giordano Bruno-Denkmals eine höchst unter-
geordnete Rolle, so bringt der sonst talentvolle Tripis-
ciano eine wahre Enormität. „Columbus nimmt Abschied
von Pater Talavera, der ihn mit einem Empfehlungs-
schreiben zum Beichtvater der Königin sendet." Die Szene
ist so tragikomisch, daß sie fast scheußlich wird. Man denke
sich einen kahlköpfigen allen Mönch (Typus), der einem
tauben, gebrochenen Greis mit schiefem Kopf, kolossaler
Platte und ein paar nach rückwärts gestrichenen dünnen
Härchen einen Kuß auf die Stirne haucht, während der un-
glückliche Mummelgreis (die einzig treffende Bezeichnung

Hildegund und Walthari. von Hans Sandreuter

Firma für italienischen Kunstexport. Was doch, nach
Signor Trabacchi, der kühne Seefahrer für ein zartes
Jüngelchen gewesen sein muß! Lange Pagenhaare um-
wallen das mädchenhafte Gesicht, geisterhaft, wie die eines
Mediums, starren seine Augen in die Luft und wie im
Krampfe scheinen sich die Finger zu verrenken. Weshalb?
Wozu? Immerhin ist die Statue noch eine der bessern,
wenngleich sie vom Charakter eines Columbus nichts,
aber auch gar nichts, aufweist. Recht unbedeutend ist auch
Nr. 2: Ettore Ferraris Gruppe des mit seinem Sohn
Diego am Kloster von S. Maria della Robida um Einlaß
Flehenden. Ein alter Bettler in devot gebückter Haltung,
der mit der einen Hand eine Gabe heischt, während er
mit der andern sein Söhnchen an sich drückt — das ist
der Columbus des berühmten Ferrari, der (wie auch bei

für diesen Columbus) dem frommen Pater die Hand küßt.
Ein halbverhungerter Schulmeister aus dem Eldorado
Mecklenburg oder ein buckliger Äsop ist anmutender, als
diese Jammergestalt! — Gott sei Dank, daß ein vom
hohen Rat von Salamanca zurückgewiesener grollender
Columbus die Kette des Widerwärtigen, wenn auch nur
für einen Augenblick, unterbricht. Das ist endlich einmal
eine Arbeit, die sich wenigstens sehen lassen kann, wenn-
gleich auch sie eigentlich kein Meisterwerk ist. Cencetti
hat es wenigstens verstanden, einen Columbus zu geben,
der nicht eben dem Armenhause entlaufen ist — einen
Columbus voll zorniger Wucht, mit geballten Fäusten;
einen Columbus voll edler Energie und voll gekränkten
Stolzes. Das Merkwürdige ist nur — dank der bereits ge-
rühmten vortrefflichen Einheitlichkeit — daß dieser so bitter
 
Annotationen