Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

DOI Artikel:
Rée, Paul Johannes: Der Albrecht Dürer-Verein in Nürnberg, [2]: Festrede, gehalten am 19. Oktober 1892 zur Feier seines hundertjährigen Bestehens
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0111

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
82

Der Albrecht Dürer-Verein in Nürnberg

„Noch ist die blühende, goldene Zeit,

B du schöne Welt, wie bist du so weit!

Und so weit ist mein Herz und so klar
wie der Tag,

Wie die Lüste, durchjubelt von Lerchen-
schlag l

Ihr Fröhlichen singt, weil das Leben noch
mait:

Noch ist die schöne, die blühende Zeit.

Noch sind die Tage der Rosen!"

Was war natürlicher, als daß inan
sich in solchen Tagen nicht mehr auf ruhige
nüchterne Arbeit beschränkte, sondern seinem
Jubel und seiner Freude durch frohe Feste
und Gelage in der ungebundensten Weise
Ausdruck gab, ohne dabei so genau auf
den Groschen zu achten. Welcher fröhliche
Bursch thäte wohl das. Kein Wunder, daß,
als dann die Stunde der Abrechnung kam,
sich die Finanzverhältnisse als sehr bedenk-
lich herausstellten, sodaß sich der Begeiste-
rungstaumel in einen fast an das graue
Elend grenzenden moralischen Katzenjammer
verwandelte. Nun galt es, was in solchen
Fällen das allein Richtige ist — „Deine
einzige Reue sei eine bessere That", sagt
Jean Paul — durch ernste und besonnene
Arbeit wieder gutzumachen, was man im
jugendlichen Übermut verdorben hatte. —
Mit der bloßen Begeisterung ist es auch
nicht gethan, ihr müssen sich die Lust zur
Arbeit, Fleiß und Ausdauer zugesellen, soll
etwas Ersprießliches zustande kommen. In
überquellender Begeisterung hatten sich viele
Hunderte eingefunden, sodaß der Verein
im Jahre 1638 1599 Mitglieder zählte.

Wicht von dieser Welk, von Marc Antokolsky und elf Jahre später finden wir deren nur

noch 400. Mit der Begeisterung war bei
ihnen das Interesse verflogen.

Unter solchen Verhältnissen, um viele Erfahrungen reicher, ward aus dem Jüngling ein Mann,
der seine Kräfte zu konzentrieren und planvoll seinem Ziele zuznstreben verstand. Mit Geschick wurden,
ohne daß ein reicher Onkel da war, der aushalf, die finanziellen Verlegenheiten aus der Welt geschafft
und eifrig alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das erlahmende Interesse neu zu beleben. Vor allem galt es,
dem Publikum Gelegenheit zu verschaffen, die Schöpfungen der mittlerweile wunderbar erstarkten deutschen
Kunst kennen und schätzen zu lernen. Nach verschiedenen Seiten hin wurden Verbindungen geknüpft, um sowohl
die regelmäßigen Ausstellungen immer reicher und mannigfaltiger zu gestalten, als auch von Zeit zu Zeit etwas
Besonderes, gewissermaßen künstlerische Leckerbissen zu bieten, wie Werke von Lessing, Schwind, Kaulbach,
Bodenmüller, Makart, oder die prachtvolle Gabe, die Münchens Künstler unserm Prinz-Regenten spendeten.

Aber nicht nur den Genuß, sondern auch die Gelegenheit zur leichten Erwerbung eines Kunstwerkes
zu schaffen, war er bestrebt, indem er Lotterien ins Leben rief und kunstvolle Gedächtnisblätter zur Verteilung
brachte. So trug er nach Kräften dazu bei, den Sinn für Kunst und künstlerische Dinge in immer weitere
Kreise zu tragen und sorgte zugleich dafür, den Künstlern das Absatzgebiet zu vergrößern. In diesem Sinne
wirkte er fort bis auf den heutigen Tag, und so wird er weiterwirken, hoffen wir, noch lange Zeit.

Vor einem so hochbetagten Jubilar Pflegt man freilich für gewöhnlich nicht in der Erwartung zu
scheiden, daß er noch eine rege Thätigkeit entfalten werde, und statt solcher Hoffnungen wird man vielmehr
beim Abschied den Wunsch zum Ausdruck bringen, daß es ihm recht lange vergönnt sein möge, in sonnigem
Abendfrieden die Früchte seines Thuns zu genießen. Wir aber befinden uns in einer andern Lage. Wir
dürfen wünschen, ja die Erwartung hegen, daß unser Jubilar auch in kommenden Tagen in alter Frische und
 
Annotationen