Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0178

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rundschau. Rom Herausgeber

>ZS

Veduinrn im Hinkrrhall.

durch ein unvergleichliches Denkmal setzte. Haben also
auch die Hochzeiten den plebejischen Charakter unsrer
heutigen Kunst widerspiegeln müssen, so that das um-
soweniger die ihr vorausgehende romantische Schule in
München wie in Düsseldorf. Cornelius und Schnorr
schilderten der Nibelungen verhängnisvolle Ehebündnisse
und Schwind verbrauchte gar viele Feen und Nixen,
Zauberinnen und Hexenmeister, um dieselben zu Stande
zu bringen, während Alfred Rethel und Janßen
Karl den Großen und andre vornehme Herren unter
das süße Joch beugten.

Zu den Nachfolgern dieser romantischen Richtung
gehört offenbar auch noch der Darmstädter Heinrich
Heim, dessen für die Drachenburg gemalte Vermählung
eines mittelalterlichen Fürsten ein um so lieblicheres
Bild geworden ist, als auf demselben alles ganz glatt
abgeht, keine beleidigte Nebenbuhlerin der Braut mit
Vitriol im Hintergründe lauert oder wie bei Cornelius
die Furien ihre Feuerbrände an der Hochzeitsfackel ent-
zünden. Heim unterscheidet sich als ein Nachgeborner
überhaupt dadurch von der Corneliauischen Schule, daß
er bei ungefähr ähnlicher Kompositionsart doch seinen
Einzelfiguren statt anspruchsvoller Symbolik bereits so-
viel anmutige Natürlichkeit mitzuteilen versteht, daß man
an sie und ihre Existenz mit Vergnügen zu glauben ge-
neigt wird, was schon ziemlich weit über die gewöhnliche
Leistungsfähigkeit der älteren Schule hinausgeht. Offen-
bar hat er sich auch den Vorgang am Rhein, etwa bei
einem früheren Besitzer der Drachenburg gedacht, wie
er aus einem der herrlichen romanischen Dome dort eben
nach der Trauung herauskommt, bejubelt von einer Be-

vor, Adolf v. Meckel

völkcrung, die schon ihrem Wcintrinken die größere Leb-
haftigkeit verdankt. — Sind wir also unzweifelhaft im
Lande der Nibelungen, so spielt die Szene doch etwa ein
halbes oder ganzes Jahrtausend später, bei milderen
Sitten, wo man bereits keine Nixen und nur mehr
Hausdrachen kannte, die Recken aber weniger Blut- als
sonstigen Durst entwickelten. —

Interessant ist es aber immerhin zu beobachten,
wie unsre Kunst, gleichviel ob naturalistisch oder idealistisch
trotz ihrer angeblich demokratischen Gesinnung, immer
wieder ins alte romantische Land zurückkehrt und zu
den die Höhen des Lebens repräsentierenden Ständen.
Sie fühlt eben, daß sie nur da jene befreiende
Wirkung ganz und voll ausüben kann, die doch der
offene oder geheime Zweck aller Kunst bleibt und welche
die Schilderung des mühevollen Bauern- oder gar Pro-
letarierlebens mit seiner Not und Qual nur schwer ge-
währen kann. So kommt es denn, daß unsre heutige
Litteratur immer wieder zu den Baronen oder Gräfinnen
ihre Zuflucht nimmt, überhaupt zu den Leuten, die
wenigstens reine Wäsche tragen und eingestehbare Eltern
besitzen. Haben doch selbst die sozialistischen Führer nichts
Eiligeres zu thun, als einstweilen, bis ihre Scharen es
können, das Champagnertrinken und Seidetragen für
sie zu besorgen. Die Künstler vollends werden immer
sicherer gehen, wenn sie uns irgend ein von aller Not
befreites Dasein zeigen, sei es im goldenen Zeitalter
oder im alten romantischen Land, als wenn sie die
unvermeidliche Plackerei des täglichen Lebens auch noch
auf der Leinwand fortsetzen.
 
Annotationen