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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Albrecht de Driendt
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0190

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Albrecht de vriendt

dankbare Aufgabe. Der ehemalige Schöffensaal im Rathaus zu Brügge gehört zu den schönsten und geräumigsten
seiner Art. Er mißt 21 Meter in der Länge und die aus den Spitzbogenfenstern hereinflutende Beleuchtung
ist vortrefflich. Aber die Mehrzahl der auf seinen Werken dargestellten Personen, ein Fries von 33 Porträts
berühmter Kinder der Stadt Brügge, sodann für die Saalwände acht Gemälde, auf die wir einzeln zurück-
kommen, hatten nie existiert. Man muß das Genie des Künstlers bewundern, dem es gelang, so treffend allen
seinen Szenen den Stempel historischer Treue, seinen Figuren den ausgeprägt Römischen Charakter des Landes
zu verleihen, dem sie entstammen.

Von den dargestellten acht Szenen charakterisieren drei die verschiedenen Zeitalter der Stadt, die feudale,
städtische und die burgundische Epoche. Die erste (siehe die erste Bilderbeilage) stellt Dietrich von Elsaß dar,
welcher die Reliquien vom heiligen Blut von seinem Krenzzug in das gelobte Land nach Brügge zurückbringt.
Vorn sehen wir den knieenden Herzog, hinter ihm einen Prälaten, die Herzogin und beider Gefolge. Aus der
Szene spricht der ritterlich religiöse Geist der Zeit der Kreuzzüge. Die Darstellung ist auf vier Meter Breite
geplant. Der zweite Karton ist noch nicht beendet. In dieser Komposilion von 16 Metern Breite wird der
Künstler die Rückkehr der Sieger aus der Schlacht bei Kortrijk darstellen, der sogenannten „Sporenschlacht",
wo die Brügger Bürger unter Breidel und Konink den französischen Rittern ein Roßbach bereiten halfen. Er
wird also den Höhepunkt der städtischen Macht zum Ausdruck bringen.

In dem dritten Gemälde, unsrer zweiten Bilderbeilage, wird ein Kapitel des Ordens vom goldenen
Vließ geschildert, also die burgundische Epoche. Hier besonders hat Albrecht de Vriendt ganz aus seinem Eigenen
zu schöpfen gehabt. Denn keine Überlieferung erwähnt die mit der Verleihung dieses Ordens, der in der Ge-
schichte der glanzvollen Herzöge von Burgund eine so bedeutende Rolle spielt, verbundenen Zeremonien oder
teilt den Ort mit, wo sie stattgefunden haben. De Vriendt verlegt die Szene logisch in den Saal eines
Fürstenschlosses. In der Mitte thront Herzog Philipp, ihm zur Seite Johanna von Castilien. Die linke
Seite des Gemäldes nehmen die kirchlichen Würdenträger ein mit ihren reich gestickten Gewändern, die rechte
die neu ernannten Würdenträger des Ordens, wie ihr Großmeister den roten Ordensmantel tragend, am Halse
die Abzeichen des Ordens, eine farbenprächtige Symphonie in Rot. Das Ganze giebt ein gelungenes Bild
von dem Glanze dieser Zeremonien an dem prachtliebenden und reichen Hofe von Burgund.

Unsre Texibilder stellen Vorgänge aus dem städtischen Leben von Brügge dar. Auf Seite 148 sehen
wir, wie die Ratsherren der Stadt Meister Jan van Eyck in seiner Künstlerwerkstatt besuchen. Die Szene
ist harmonisch und klar abgestimmt, fein im Ton, würdig des Altmeisters der Malerei, des Erfinders der
Ölfarbe, des Vaters der Römischen Malerschule. — Unsre Illustration auf Seite 149 schildert die Erneuerung
des Handelsprivilegiums der deutschen Hansa, Seite 150 eine Episode aus dem Kampf der Städte um ihre
Unabhängigkeit und Befreiung aus den Fesseln der Fendalzeit.

Die Szene auf Seite 147 ist rein symbolisch aufgefaßt. Die weibliche, das ganze Bild beherrschende
Figur stellt die Stadt Brügge dar. Vor ihr sehen wir den Herzog Ludwig, neben ihm die Edlen seines Ge-
folges, die Architekten und Baumeister des Rathauses zu Brügge, links unten ist der Plan des Gebäudes.
Die Komposition ist klar und heiter, die Schilderung verständlich. Unser letztes Bild endlich stellt Jacob van
Maerlant dar, den Ramischen Dante, in der Stellung des Nachdenkens, der Inspiration, als stehe er im Begriffe,
in klangvollen Versen den Ruhm seiner Heimat zu singen. Durch das geöffnete Fenster fällt der Blick auf
den Hafen Damme, einst die Quelle des Reichtums für Brügge, mit dessen Versandung Brügges Herrlichkeit
dahinsank, während innerer Zwiespalt die Thatkraft der Bürger lähmte.

In ihrer Gesamtheit zeigen diese Kompositionen eine große Meisterschaft in der Kunst und über-
legene Technik. Da ist keine Effekthascherei, sondern überall die Thätigkeit eines Künstlers zu spüren, der ein
Maler und ein Denker ist. Die Gruppen haben nichts Konventionelles, nichts Akademisches, die Szenen sind
monumental. Das vlamische Volk wird in ihnen etwas von seinem alten Ruhme verspüren und das mag ihm ein
Ansporn sein in dem Kampfe gegen einen mit allen Machtmitteln des Staates und der Kirche ausgerüsteten
Gegner, gegen welchen es sein Volkstum beharrlich verteidigt und dem es an ruhmreicher Tradition bei weitem
überlegen ist. — Albrecht de Vriendt ist 1843 zu Gent geboren. Er war Schüler seines Vaters Jan de Vriendt, des
Victor Lagye und der Akademie zu Gent. Auf zahlreichen Reisen sah er Frankreich, Deutschland, Ägypten
und Palästina. Vor 30 Jahren hat er zum erstenmal ausgestellt, in Antwerpen, und seitdem an fast allen
großen Ausstellungen teilgenommen. In München ist er seit 1888 ein gern gesehener Gast und ein be-
währter Freund der Münchner Künstlergenossenschaft, dem es zu verdanken ist, daß seine Römischen Landsleute
in Münchner Ausstellungen stets fast vollzählig erscheinen. Den Lesern unsrer Zeitschrift ist er als Schöpfer
des Gemäldes „Die Genter huldigen Karl V. als Kind" (Jahrgang 3, Heft 20) kein Fremder. Seine Ver-
dienste haben durch die Ernennung zum Akademie-Direktor in Antwerpen, durch Verleihung belgischer und
bayrischer Orden auch äußerlich Anerkennung gefunden. Mögen dem verdienten Meister, der jetzt sein fünfzigstes
Lebensjahr erreicht hat, noch viele Jahre in ungetrübter Schaffenskraft beschicken sein.
 
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