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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Donner von Richter, Otto: Von alten und neuen Porträts in London, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0194

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von Vtto Donner-von Richter

Gelehrte, sowohl seinem ganzen geistigen Ansdrncke, wie auch seiner Kleidung nach. Auch er hat braunes Haar
und braunen Bart, doch in etwas schwärzlicherem Tone, wo hingegen das braune Haar des Edelmannes eher
wie dunkel gewordenes Braunblond erscheint; und während letzterer ein rötlich warmes, gesundes Kolorit zeigt,
so ist die Gesichtsfarbe des Gelehrten eine blasse, fahle, die eines Mannes, der wenig schläft und keine körper-
lichen Übungen macht. Ein kleines hohes Barett, wie wir es von den Reformatoren her kennen, sitzt auf dem
Kopfe. Ein bis auf die Füße reichendes schlasrockartiges Oberkleid, die Schaube, verhüllt die schmächtige Figur;
die rechte Hand hält die Handschuhe, die Linke hält die Ränder der Schaube zusammen. Letztere entbehrt jedoch
keineswegs einer gewissen Eleganz; sie besteht ans einem braun-violetten Stoff, über welchen große grünlich-
schwarze Blatlornomente ausgebreitet sind, und ist mit braunem Pelz gefüttert. Ein weißer Hemdstehkragen
und ein Stückchen des schwarzen Unterkleides sehen am Hals hervor. Er ist offenbar der Mann, der die auf-
gestelllen wissenschaftlichen Instrumente zu handhaben versteht, der die Himmels- und die Erdkugel oft mit
sinnendem Auge betrachtet hat, und seinen Wert mußte sein ritterlicher Gönner offenbar so hoch anschlagen,
daß er ihn mit sich zugleich von dem größten der damals diesseits der Alpen lebenden Porträtmaler dargestellt
wünschte. War doch damit auch seinen eigenen Bestrebungen die möglichst augenfällige Erklärung, ja eine
wirksame Folie gegeben!

Aus dieser Beschreibung des Bildes wird es wohl hier einem jeden klar sein, daß der Beschauer keinerlei
Grund hat, sich unter diesen beiden Männern Gesandte zu denken. Die Tradition giebt ihnen jedoch, wie schon
erwähnt, diesen Titel, und irgend ein Grund dazu mochte wohl vorhanden sein. Man hat denselben darin zu
finden gesucht, daß einer der Dargestellten, oder auch beide, irgend einmal als Gesandte verwendet worden seien
und hat nach Persönlichkeiten gesucht, welche
der Zeit nach allenfalls herangezogen werden
könnten.

Ich erwähnte schon, daß mir nur
eine der drei versuchten Erklärungen bereits
bekannt war, als ich das Bild zuerst sah;
es ist die Woltmanns. Nachträglich lernte
ich erst jene kennen, welche von Mr. Sidney
Colvin (Art-Journal, Jan. 1891, S. 2 ff)
und nach ihm von Mr. Charles L. Eastlake
(Times, 8. Dezember 1891) veröffentlicht
worden sind.*) Herr Georg Zimmermann,
welcher in der „Zeitschrift für bildende
Kunst" (N. F. 3. Jahrgang, Juni 1892,

S. 193 ff.) über dieses Bild Holbeins be-
richtet, adoptiert die Erklärung Colvins;
jene von Eastlake scheint ihm damals noch
unbekannt gewesen zu sein, denn er erwähnt
sie nicht. Eine sehr gute Photographie des
Bildes, resp. Lichtdruck, ist dem Artikel
beigegeben.

Woltmann sah das Bild noch in
Longford Castle, damals im Besitz des
Lords Folkstone und giebt in Betreff des
Edelmannes die damals in England herr-
schende Tradition wieder, welche denselben
als Sir Thomas Wyat bezeichnet, einen
Edelmann, der bei Heinrich VIII. in hoher
Gunst stand. Er war 1503 geboren, also
im Jahre 1533, da Holbein ihn malte,
gerade 29 Jahre alt, wie auf der Dolch-
scheide angegeben ist. Er schloß sich der
protestantischen Richtung an und darauf
könnte das lutherische Liederbuch hindeuten.

Woltmann sagt von ihm: „Er war ein
edler Krieger, ein gewandter Staatsmann

') Beide Herren sind Angestellte der
Nationalgalerie.

Der Hanssbund empfängt seine Privilegien, von A. de vriendt.

Wandgemälde im Rathause zu Brügge.
 
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