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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Hann, Pauline: Die retrospektive Ausstellung in New-York
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0196

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von H. Hann


ja einige seiner Porträts, darunter das der kleinen
Beatrice Goelet, das voriges Jahr den Hauptmagnet der
Akademieausstellung bildete und mit einiger Einschränkung
auch das einer Vanderbilt-Tochter in der retrospektiven,
dürfen den Anspruch erheben, unter den hervorragenden
Gemälden der Zeit eine Stelle einzunehmen. Die letztere
Dame ist in der seit Herkomer so modern gewordenen
weißen Toilette, den Hintergrund bildet ein fein gemalter
Gobelin, und das kleine schwarze Köpfchen ist voll Leben
und Bewegung. Weniger auffällig, als bei den Schülern
der Franzosen, zeigt sich der Einfluß der deutschen Lehrer.
Ulrich und Reinhart, die in München studierten, lassen
nur in ihrer soliden Malweise, in dem Mangel an thea-
tralischen Effekten erraten, wer ihre Führer gewesen
sind. Rein Harts zwei Bilder, ein Porträt und das
erschütternde Sittenbild „Ans Land geschwemmt", ver-
dienen den Ehrenplatz, den sie in der Ausstellung ein-
nehmen. Von dem größten Bilde derselben, einer Weih-
nachtsphantasie von Blashfield, Genien, die aus den
Kirchenglocken aufsteigen, läßt sich dies mit weniger Fug
und Recht behaupten. Blashfield, ein Zögling Bonnats,
folgt seinem Meister nur in Äußerlichkeiten. Die Weih-
nachtsgeister haben ausdruckslose Gesichter, und außer-
dem bedeutenden Umfang des Bildes zeichnet dasselbe
nur noch eine flotte Beweglichkeit der Gestalten, eine
wirkungsvolle Gruppierung und das scharfe Helle Licht
der gotischen Turmstube aus. Chase, ein Pilotyschüler,
erscheint nur in einem seiner Gemälde, einer Dame im
schwarzsamtenen Reithabit, als solcher; sein Porträt
des Malers Dureneck ist geradezu schreiend modern, die
Charakteristik erscheint auf die Spitze getrieben, die Pose
nähert sich der Karrikatur. Als Landschafter nimmt
William Chase einen Ehrenplatz in Newyork ein, zwar
wandelt er auf den mit einem Achselzucken abgethanenen
Pfaden der „Tonisten", aber sein „Sonniger Tag in
Shinnecock Bah" muß die Neuen und die Alten befrie-
digen, so fein ist die Luftstimmung, so trefflich die Per-
spektive. Als Gast der Gesellschaft erscheint der alte
Jnneß mit einigen Landschaften, darunter einem Bilde,
„Geist der Nacht", das mit seinem von Nebel halbvcr-
hülltem Mondlicht und schattenhaft aufragenden Bäumen
tiefe Wirkung macht; als Mitglied tritt sein Sohn
George Jnneß jun., mit Pferden am Strande, die
vor der Brandung scheuen, würdig seines Lehrers und
Vaters, auf. In den Ausstellungssälen stehen Büsten
und Statuen verstreut, darunter die treffliche Porträt-
büste General Shermans (außer einem Schlachtenbilde
von Gaul, „Die Kämpfenden anfeuernd", die einzige
Erinnerung an den Bürgerkrieg), ein Bas-Relief mit
dem Porträt Bastian Le Pages, beide von dem talent-
vollen A. Saint-Gaudens, und ein Grabmonument
in Bronze „Der Tod und der Bildhauer" von French,
das für die Zukunft der im Argen liegenden ameri-
kanischen Bildhauerei Gutes verheißt.

Jakob oan Warrlank. von A. de vriendt.
 
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