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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Personal- und Ateliernachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Vermischtes - Vom Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0201

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Personal- und Ateliernachrichten.

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Labrouste. Aber vom Studieren lebt man nicht und der Vater
hatte ihm wie den Seinigen wenig mehr als einen hochgeachteten
Namen hinterlassen. Galland suchte teils durch Porträtmalen,
teils durch Ausführung des Figürlichen in den Arbeiten der
großen Pariser Dekorateure den Gelderwerb für die Befriedigung
der Bedürfnisse der Familie. Er zeichnete sich in diesen Arbeiten
dergestalt aus, daß man ihn im Jahre 1848 bei den zur Feier
der Republik ungeordneten Nationalfesten mit der Dekorierung
beauftragte. Sein Ruf wuchs und als ein Ateliergenosse den
Auftrag für den Bau eines Palastes in Konstantinopel erhielt,
nahm er Galland zur Dekorierung der Jnnenräume mit. Die
Arbeit war eine so einträgliche, daß der Künstler danach sich eine
Reise nach Italien gewähren konnte. Nach dieser Reise entfaltete
sich das Talent Gallands in seiner ganzen Tiefe. Kaum nach
Paris zurückgekehrt, eröfsnete er ein selbständiges Atelier als
Dekorationsmaler, in welchem er seit 1853 bis zu seinem Tode
ununterbrochen thätig war. Sich nie selbst genügend, übertrifft
jede spätere Arbeit immer die vorangehende. In seinen Arbeiten
lehnt er sich wohl an die Renaissance und an die französischen
Meister des 16., 17. und 18. Jahrhunderts an, aber er verleiht
denselben eine sehr persönliche Note durch ein eingehendes Studium
der Natur. Ilm die Blumenkaskade, das natürliche Herabhängen
der Blätter an den Pflanzen studieren zu können, hatte er sämt-
liche Bäume in seinem Garten roden lassen, sie mit den Köpfen
in die Erde eingegraben und auf das Wurzelwerk alle Arten
Schlingpflanzen gepflanzt. Es war nicht zu verwundern, daß
ein so gewissenhafter Künstler bald einen Weltruf genoß. Nach
London beriefen ihn die Rothschilds, in Stuttgart malte er das
königliche Schloß, in Newyork arbeitete er für Vanderbilt, in
Madrid für verschiedene spanische Granden. Das Hotel Kontinental
in Paris, das Hotel Erlanger und viele, viele andre Paläste
sind von ihm mit dekorativem Schmuck versehen. Ein solcher
Künstler war für die Leitung der Gobelins wie geschaffen, die er
im Jahre 1877 übernahm, nachdem er seit 1873 an der Lcole
des veanx arts die Dekorationsmalerei lehrte. Die Gobelins ver-
danken ihm eine vollständige Reformierung des Unterrichtsganges
der Lehrlinge, für die er eine große Anzahl ihre Fähigkeiten stetig
entwickelnde Modelle geschaffen. Galland hinterläßt einen Sohn,
der sich ursprünglich der Glasmalerei zugewandt, jetzt aber ver-
suchen wird, die Traditon des Vaters fvrtzuführen. Galland ist
beinahe 71 Jahre alt geworden. Er schied auf der Höhe seines
Könnens, er hatte seinen Künstlerberuf erfüllt. Nicht allen wird
es so gut. — Der arme Stanislas Lepine, dessen hinter-
lassene Werke kürzlich die Kunsthandlung von Durand Ruel, die
„den Modernen" stets ein eifriger Belchützer gewesen, ausstellt,
hat in dem Augenblicke hier scheiden müssen, als er sich durch-
gearbeitet hatte und nun in Gemächlichkeit produzieren konnte.
Man kommt hier in Paris nicht immer srüh an diesem Ziele
an, und Lepine ist 55 Jahre geworden, ehe er sein „Endlich!"
aussprcchen konnte. Da aber war es denn auch gleich zu Ende.
Aber Lepines Werke überleben ihn. Der Künstler gehörte nicht
zu dem Tout-Paris. Hochoben auf der Spitze des Montmartre
lebte er still sür sich zurückgezogen seiner Kunst, und als man
ihn vor einigen Monaten zur Ruhe bestattete, da folgten zwei
oder drei Freunde dem schwarzen Wagen. Lepine war ein Schüler
Corots, für welchen er eine tiefe Verehrung hatte. Auf mehr als
einem der Bilder der von Durand-Ruel pietätvoll zusammen-
gebrachten, aus 108 Nummern bestehenden Sammlung, verrät
sich der Einfluß des Meisters, aber Lepine hat eine sehr stark
ausgesprochene Individualität, sowohl was seine fast an den
Impressionismus streifende Technik, sein freies Empfinden sür
die Farbe, wie seine Behandlung von Luft und Licht betrifft.
Er gehörte zu den Revolutionären in der Landschaftsmalerei,
die entschieden gegen die akademische Manier Front machten und
sich der Hellmalerri zuwandten. Seine Vorwürfe wählte Lepine
meist aus der Umgegend von Paris oder in der Stadt selbst.
Er gab diese scheinbar uninteressanten Landschaften bei jedem
Lichte und zu allen Tageszeiten wieder, im fröhlichen Sonnen-
geslimmer wie im Nebelgewande, am Hellen Tage oder in jener
schlummrigen Atmosphäre, wenn eben die Gasflammen angezündet
werden, beim Erwachen der Sonne, wie beim fahlen Mondlichte.
Mit welch' offenem Auge geht er der Natur zu Leibe, wie um-
faßt dasselbe liebevoll auch das, was uninteressant erscheint und
wie gestaltet sein Spiel des Lichtes, die rechte Beobachtung der
Valeurs, sein Sinn für die Harmonie der Farbe dergleichen
Motive reizvoll und anziehend. Corot, der die Natur überall
schön fand, hat einst erklärt: „Ein Landschafter kann aus der
(bekanntlich trostlos sterilen, mit spärlicher Grasnarbe bedeckten)
Buttes Montmartre Meisterwerke schaffen." Lepine hat dieses

Wort eingelöst. Seine „Butte Montmartre", der armselige, von
spärlichen, blaugrün-borstigen Halmen bestehende Hügelabschnitt
mit den dahinter verschwindenden Häusern und Dächern von
Paris in Abendstimmung, ist ein solches Meisterwerk. Voller
Stimmung ist auch die „Rue du Mont Cenis auf dem Mont-
martre", eine Straßenflucht grauer Hauswände. Auf der Straße
wächst das Gras. Ganz am Ende der Straße stehen zwei
schwatzende Frauen unter einem Hausbogen ganz zurückgezogen,
das ist hier die zu Stein gewordene Einsamkeit. Wie interessant
sind die weißen Hauswände behandelt, auf welche die Zeit, Wind
und Wetter ihre
Stammbuchverse
geschrieben haben.

In allen übrigen
Bildern Leben und
Bewegung, überall
eine unvergleich-
liche Delikatesse in
der Behandlung
des Lichtes, überall
eine Ehrlichkeit der
Arbeit und jener
Strahl Poesie, die
uns bedauern
lassen, daß wir den
Künstler nicht im
Leben gekannt ha-
ben, um seine
Hand zu nehmen
und ihm zu sagen:

„Du bist ein bra-
ver Mann, du hast
ein großes begei-
stertes Herz tür
die Schöne der Na-
tur, auch ich em-
pfinde so, erlaube,
daß ich dein Freund
bin." Ach! wer
eine solche Empfin-
dung durch seine
Werke hervor-
bringt, wer so den
Besten seiner Zeit
genug thut, der ist
beneidenswert, der
kann leicht, wie
Lepine, auf Orden
und Ehrenzeichen
verzichten. Die
Werke, die Durand
Ruel ausgestellt
hat, sind meist in
seuen Händen. Es
wird dem Staat
schwer werden,
noch ein bedeuten-
deres Werk des
Künstlers für den
Louvre zu erwer-
ben. Hoffentlich

gelingt es ihm, sich
in den Besitz einer
oder der andern
sonnigen und doch
so lauschigen Landschaften mit Wasser aus der Umgebung von
Paris zu setzen, welche heute das Entzücken der Besucher der
Sammlung bilden. ftorsi

tt. Frankfurt a. M. Am 22. Dezember starb nach
langjährigem Leiden der 1838 hier geborene Maler Johann
Jakob Hoff, ehemaliger Schüler unsres Städelschen Kunst-
institutes, sowie der Akademien von Düsseldorf und Antwerpen.
Die zahlreichen Bilder des Künstlers haben meist das Weidmanns-
leben und Wirtshausszenen zum Vorwurfe, sie zeichnen sich durch
wahrheitsvolle Auffassung und Charakteristik aus. ftus!

u. Frankfurt a. M. Am 10. Januar starb der im Jahre
1811 hier geborene Landschaftsmaler Karl Morgenstern,
Schüler seines Großvaters I. L. E. Morgenstern und seines Vaters
Johann Friedrich Morgenstern, dann besuchte er studienhalber

Aus Carl Grhrls' SkiMibuch.
 
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