Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0251
DOI Artikel:
"Märchen und Sage": ein Fest der Münchener Akademiker
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0251
Märchen und Tage.
19«
nüchterne, sonst nur der Biervertilgung geweihte Raum
in ein Stück Märchenwelt umgewandelt, das sich in
seinem ganzen phantastischen Reiz auch nicht annähernd
beschreiben läßt. Wundervolle Effekte waren dabei haupt-
sächlich auch durch raffinierte Benützung des elektrischen
Lichtes erzielt; die leicht beweglichen und gefahrlosen
Glühlampen eignen sich ja Prächtig für solche Zwecke.
Das Milchglas der großen Bogenlampen war in ver-
schiedenen Farben bemalt und die gewaltigen Lichtkugeln
schwebten so als Monde von verschiedener Farbe im
dämmerigen Raum.
Der Festabend selbst ist angebrochen. Nach den
unvermeidlichen wüsten Kämpfen um die Garderobenummer
— entsetzliche Garderobeverhältnisse vom Hoftheater an
bis zum letzten Tingel-Tangel sind eine berechtigte Eigen-
tümlichkeit Münchens — betreten wir den Saal, aus
dem ein dumpfes Brausen verheißungsvoll heraustönt.
Wir nehmen uns fürs erste nicht die Zeit, uns eingehend
nach den Masken umzusehen, unser erster Rundgang
gilt dem künstlerischten Teil des Abends, der Saal-
dekoration. Und dieser Rundgang lohnt der Mühe.
Dem Eingang gegenüber ragt gleich ein wunder-
samer Koloß empor, das Riesenhaupt der Sphynx, das bis
zur hölzernen Saaldecke aufsteigt (S. 199). Das gewaltige
Antlitz ist geradezu vorzüglich modelliert — keine Kleinig-
keit, das aus Gips, Latten und Sackleinwand zu schaffen.
Fast zu ernsthaft schön ist das geheimnisvolle Frauenge-
sicht für den tollen Mummenschanz, der es umtobt. Im
Innern der Originalsphynx im Nilland waren wohl
Tempelräume oder Begräbnisstätten — im Innern der
Schwestersphynx auf dem Münchener Kindl-Keller war
ein egyptisches Vergnügungsetablissement (S. 199) mit
Bauchtänzerinnen, echt orientalischer Musik und prächtigen
Wandskulpturen streng-altegyptischen Stils. Da sah man,
leicht in „Marmor"-Platten eingeritzt einen altegyptischen
Aktsaal, einen Schäfflertanz aus gleicher Periode, Ballet-
szenen n. s. w. Die Bildhauerschule Ru em anu hat diese
Erste Seile der oon der Dirx-Schule hrrausgrgebenen
Unripxeilung.
Verteilt gelegentlich der maskierten berrenkneipe der Studierenden der Akademie
der bildenden Künste zu München am 8. Februar l89Z.
Teuflische Liebe. Probe aus der Kneix-
zeitung der Teitz-Schule.
Studierenden der Akademie der bildenden Künste zu
München am 6. Februar )s89Z.
Gruppe — das Ganze teilt sich in lauter-
einzelne, von den verschiedenen Schulen
der Akademie veranstaltete Gruppen —
geschaffen. Aus dem Bauche der Sphynx
heraus und zu dem nahen buntbemalten Tempelthor
hinein! Mn kleiner Warteraum umfängt dich, ein
Vorhang trennt dich vom „Allerheiligsten". Weh' dir,
wenn du ihn hebst! Deiner wartet ein Anblick, schlimmer
als der, der zu Sais in Egypten dem bekannten Jüng-
ling mit des Wissens heißem Durst den Humor ver-
dorben. In doppelter Lebensgröße sitzt ein Weib vor
dir, die Quintessenz aller Schwiegermütter, die je gelebt
und gebracht! Hinweg!
Freundlichere Lockung wird uns gleich nebenan.
Fiedeln und Jodeln tönt aus einem malerischen alten
Burgbau heraus und zugleich der melodisch-anheimelnde
Klang, den das Anstoßen mit Maßkrügen hervorruft.
Narbige Landsknechte entlocken dem Ankömmling den
Obolus, ohne den man in keine dieser Wunderpforten
eintreten darf, und nach einigen wohlgemeinten Rippen-
stößen — denn der Zudrang ist groß — findet man
sich in der Behausung des Herrn von Rodenstein, des
Mannes mit dem vielbesungenen Durst. Ein junger
Akademiker, der mit glockenheller Fistelstimme seine
Jodler in die Lüfte — diese Lüfte! — hinausschmettert,
repräsentiert die Burgfrau. Fiedler und Pfeifer und ein
Mandolinenspieler assistieren der Dame. Im Hinter-
grund werden buntbemalte Maßkrüge verkauft. Arrangiert
war die Rodensteiner Burg von den Schüler Hackl
und Lindenschmit.
19«
nüchterne, sonst nur der Biervertilgung geweihte Raum
in ein Stück Märchenwelt umgewandelt, das sich in
seinem ganzen phantastischen Reiz auch nicht annähernd
beschreiben läßt. Wundervolle Effekte waren dabei haupt-
sächlich auch durch raffinierte Benützung des elektrischen
Lichtes erzielt; die leicht beweglichen und gefahrlosen
Glühlampen eignen sich ja Prächtig für solche Zwecke.
Das Milchglas der großen Bogenlampen war in ver-
schiedenen Farben bemalt und die gewaltigen Lichtkugeln
schwebten so als Monde von verschiedener Farbe im
dämmerigen Raum.
Der Festabend selbst ist angebrochen. Nach den
unvermeidlichen wüsten Kämpfen um die Garderobenummer
— entsetzliche Garderobeverhältnisse vom Hoftheater an
bis zum letzten Tingel-Tangel sind eine berechtigte Eigen-
tümlichkeit Münchens — betreten wir den Saal, aus
dem ein dumpfes Brausen verheißungsvoll heraustönt.
Wir nehmen uns fürs erste nicht die Zeit, uns eingehend
nach den Masken umzusehen, unser erster Rundgang
gilt dem künstlerischten Teil des Abends, der Saal-
dekoration. Und dieser Rundgang lohnt der Mühe.
Dem Eingang gegenüber ragt gleich ein wunder-
samer Koloß empor, das Riesenhaupt der Sphynx, das bis
zur hölzernen Saaldecke aufsteigt (S. 199). Das gewaltige
Antlitz ist geradezu vorzüglich modelliert — keine Kleinig-
keit, das aus Gips, Latten und Sackleinwand zu schaffen.
Fast zu ernsthaft schön ist das geheimnisvolle Frauenge-
sicht für den tollen Mummenschanz, der es umtobt. Im
Innern der Originalsphynx im Nilland waren wohl
Tempelräume oder Begräbnisstätten — im Innern der
Schwestersphynx auf dem Münchener Kindl-Keller war
ein egyptisches Vergnügungsetablissement (S. 199) mit
Bauchtänzerinnen, echt orientalischer Musik und prächtigen
Wandskulpturen streng-altegyptischen Stils. Da sah man,
leicht in „Marmor"-Platten eingeritzt einen altegyptischen
Aktsaal, einen Schäfflertanz aus gleicher Periode, Ballet-
szenen n. s. w. Die Bildhauerschule Ru em anu hat diese
Erste Seile der oon der Dirx-Schule hrrausgrgebenen
Unripxeilung.
Verteilt gelegentlich der maskierten berrenkneipe der Studierenden der Akademie
der bildenden Künste zu München am 8. Februar l89Z.
Teuflische Liebe. Probe aus der Kneix-
zeitung der Teitz-Schule.
Studierenden der Akademie der bildenden Künste zu
München am 6. Februar )s89Z.
Gruppe — das Ganze teilt sich in lauter-
einzelne, von den verschiedenen Schulen
der Akademie veranstaltete Gruppen —
geschaffen. Aus dem Bauche der Sphynx
heraus und zu dem nahen buntbemalten Tempelthor
hinein! Mn kleiner Warteraum umfängt dich, ein
Vorhang trennt dich vom „Allerheiligsten". Weh' dir,
wenn du ihn hebst! Deiner wartet ein Anblick, schlimmer
als der, der zu Sais in Egypten dem bekannten Jüng-
ling mit des Wissens heißem Durst den Humor ver-
dorben. In doppelter Lebensgröße sitzt ein Weib vor
dir, die Quintessenz aller Schwiegermütter, die je gelebt
und gebracht! Hinweg!
Freundlichere Lockung wird uns gleich nebenan.
Fiedeln und Jodeln tönt aus einem malerischen alten
Burgbau heraus und zugleich der melodisch-anheimelnde
Klang, den das Anstoßen mit Maßkrügen hervorruft.
Narbige Landsknechte entlocken dem Ankömmling den
Obolus, ohne den man in keine dieser Wunderpforten
eintreten darf, und nach einigen wohlgemeinten Rippen-
stößen — denn der Zudrang ist groß — findet man
sich in der Behausung des Herrn von Rodenstein, des
Mannes mit dem vielbesungenen Durst. Ein junger
Akademiker, der mit glockenheller Fistelstimme seine
Jodler in die Lüfte — diese Lüfte! — hinausschmettert,
repräsentiert die Burgfrau. Fiedler und Pfeifer und ein
Mandolinenspieler assistieren der Dame. Im Hinter-
grund werden buntbemalte Maßkrüge verkauft. Arrangiert
war die Rodensteiner Burg von den Schüler Hackl
und Lindenschmit.