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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0321

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Ausstellungen und Sammlungen.

25Z

wohl gleichgiltig lassen, aber nicht erbosen können. Zwei ältere
Bilder von Andreas Achenbach und von Ludwig Knaus,
beide aus dem Jahre I85l, befriedigten besonders die Freunde
lieblicher Darstellungen aus der Zeit, als der Vater um die Mutter
freite. Eine Mühle im Waldthal stellt das kleine Bild Achenbachs
dar, am Horizont steht der gelbe Schein der untergegangenen
Sonne, am ruhigen abendlichen Himmel zittert die silberne Mond-
sichel und im Thale weben schon die abendlichen Schatten um
die kleine Mühle am stillen Wasser, vorn im Kleefeld sind zwei
Frauen dabei, das geschnittene Futter aufzupacken. „In einem
kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad —" der
lyrische Ton des deutschen Volksliedes klingt aus
dem Bild. Das ist nicht mehr ganz unsere Sprache,
aber wir schätzen noch ihre herzliche Einsalt und
verstehen sie, wenn sie wahre Empfindung äußert.

Nur in wenigem ist bei diesem frühen Bild der
spätere Achenbach zu erkennen. Ich glaube aber,
daß diese harmlosen Jugendlandschaften einmal
einen historischen Wert bekommen werden, jedenfalls
einen höheren, als die pathetischere Landschaft, wie
beispielsweise der gleichfalls ausgestellte schwächliche
Waldbach von 1853. Das Bild von Knaus —

Zigeuner vor dem Ortsvorsteher — ist gleichfalls
in der Kunstsprache einer vergangenen Zeit gemalt.

Vieles spricht nicht mehr unmittelbar zu uns. Aber
es zeigt doch für die frühe Zeit einen bemerkens-
werten, wenn auch gemäßigten Kolorismus. Der
novellistische Gegenstand wurde damals verlangt,

Knaus kann dieses Jugenddogma ja nicht mehr ver-
gessen, aber er hält sich in seinem Genreszenen doch
immer von jeder Süßlichkeit und allem gespreizten
Pathos glücklich entfernt. Um einen neueren Düssel-
dorfer hier anzuschließen, sei ein Bild von C. Sohn
ermähnt, der mit seinem Namen gleichjalls an die
ruhmreichen vergangenen Tage der rheinischen
Kunststadt erinnert. Es ist das Porträt einer
jungen Dame im griechischen gelben Kleid mit
einer Blumenvase in den Händen vor blaueni
Grund. Mit einer verständigen Einschränkung des
Urteils betrachtet, ist es ein bemerkenswert gutes
Bild und es gewinnt namentlich an Bedeutung
durch die Vkraleichung mit den benachbarten
Bildern von C. Aiesel, die so unangenehm geleckt
und manieriert erscheinen. Früher malte Kiesel
mit größtem Geschick Dämchen, dann fand er noch
rechtzeitig den Übergang zur vornehmen Damen-
malerei und hat vor einigen Jahren auf diesem
Gebiet sehr schöne Erfolge gehabt. Jetzt aber
scheinen ihn die alten Götter gänzlich verlassen zu
haben. Da sind die Düsseldorfer Wilden bessere,
immer noch bessere Maler. Frau E. Hedinger
stellt bei Schulte kräftig und flott gemalte Blumen-
stücke und Stillleben aus. Ihre Landschaften sind
dagegen matt und langweilig. Erne stine Macks
ansgeführte Pastellbildnisse haben verschwommene
und undeutliche Formen, bestimmter schienen mir
ihre leichter skizzierten Köpfe zu sein. Eine leider
sehr hoch gehängte braune Porträtskizze in Ol kam
mir gut vor. In den vorderen Sälen fielen die
Landschaften von P. Thiem ans München an-
genehm ans. Es sind versteckte Winkel der Natur,
intim beobachtet und mit der Treue wiedergegeben,
die nur der erreicht, der mit ganzem keuschen Herzen
an der lebenden Natur hängt. Thiem scheint ge-
dämpfte Beleuchtungen vorzuziehen, wie bei dem
Bilde „An der Schleuse", dessen schäumendes grünes
Wasser in dem unsicheren Lichte erscheint, das durch
das dichte Baumlanb hindurchfällt. Einige Waldlandschaften sind in
der ernsten Stimmung gehalten, die der bedeckte Himmel einer ein-
samen Natur giebt. In Hellem Sonnenlicht strahlt dagegen
das mich mehr als die andern ansprechende Bild „Hinter dem
Dorfe". Auch das eine Stallinterieur mit Kühen hat mir gut
gefallen. Im letzten Saal bei elektrischem Licht sind die Bilder
von Behmer-Fenner zu sehen. Meist Porträts. Sie passen
zu dem elektrischen Licht: Blendwerk für das Durschnittspublikum.
Auch das Ausland ist bei Schulte gut vertreten. Vorab drei
feine Bildchen von F. Pradilla, eine wirre und unruhige
römische Straße im Karneval, eine Gartenterasse mit Kindern
und Damen und als bestes ein Piknik am Strand mit feinen

Beleuchtungseffekten. Ferner von A. Mas y Fondevilla der
venetianische Platz mit der Reiterstatue des Eolleoni und eine
farbenfröhliche Prozession, von P. Salinas eine spanische Hoch-
zeit und dann ein Bildnis des kürzlich verstorbenen Bankiers
von Bleichröder von E. Wauters vom Jahr 1892, ganz dünn
gemalt und von äußerst lebendiger Charakteristik. In diese ge-
schilderte Frühjahrsansstellung der Alten und Harmlosen ist zuletzt
doch noch ein kämpfender Moderner, G Ankarcrona, mit
einer Anzahl Bilder hineingekommen. Ankarcrona ist Schwede
und verfügt in seiner Kunst über die Vorzüge der nordischen Kunst.

Es ist leichter in den nordischen Reichen moderner Maler zu sein
als bei uns. Denn einmal hat dort eine nach denselben Zielen
drängende Dichtkunst für die bildende Kunst die Wege gebahnt
und dann steht da der Künstler srei da und wird nicht von der
Last überkommener toter Formen erdrückt und wird nicht im
Glauben an falsche Ideale erzogen. Die nordischen Modernen
haben etwas Sieghaftes und Selbverständliches. In Berlin sieht
man die nordischen Gäste selten und wenn sie kommen, werden
sie, wie der Fall Munch zeigt, noch obendrein unhöflich behandelt.
Wir kennen sie daher nicht und es mag wohl sein, daß ich An-
karcrona überschätze, daß er in Wirklichkeit nur den Durchschnitt
seiner malenden Landsleute vertritt. Jedenfalls erscheint er hier

Vie Zivilisation, von Geo. w. Maynard.
 
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