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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Schulze, Otto: Das Schmiedeeisen im Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0337

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aus Schmiedeeisen (Renaissance),
von Paul Marcus, Rgl. Hof-Aunstschlosser,
Berlin.

VsA Schmiedeeisen im üunstgcwerbc.

von Vtto Schulze (Köln a. Rh.).

)1^sanchem Gelehrten hat es schon unsag- ^
^ bare Schwierigkeiten bereitet, mit dem
Stein-, Bronze- und Eisenzeitalter fertig zn
werden, d. h. diesen den richtigen Platz
in der Zeittafel anzuweisen. Solche Zeitab-
schnitte lassen sich durch Materialbestim-
mungen nicht festhalten, denn besonders
wir, als Kinder des 19. Jahrhunderts
nehmen wohl entschieden mit heiligem Recht
das weltumfassende Wort „Eisen" für
unsere Zeit als Kulturträger in Anspruch.
Demnach gehören wir erst dem „eisernen
Zeitalter" an; seiner ehernen Herrschaft
unterwarf sich kein Einzelvolk, nein, ein
ganzer Erdball stöhnt und ächzt unter
seinem Joch als wäre er in eine eiserne
Schnürbrust gezwängt.

Nicht meeredurchfurchende Panzerko-
losse, himmelstrebende Türme, gewaltige
uferspannende Brücken, noch die Erzeug-
nisse des in Milimeterhöhe tänzelnden
Tausend-Zentner-Hammers „Fritz" der
Kruppschen Werke sollen uns hier beschäf-
tigen, sondern jene Gebilde aus Eisen, zu
deren Entstehung Handwerk und Kunst
sich die Hand reichten: die Kunstschmiede-
arbeiten. Ohne Ueberhebung dürfen wir
heute sagen, Deutschland hat das Höchste
geleistet und erreicht, was sein Kunsthand-
werk dem Eisen abzuringen vermochte.
Darin thut keine andere Nation es uns
gleich. Die Technik der Würzburger Schloß-
und Domgitter ist erreicht, ihre Schön-
heit sogar überflügelt. Die Treib- und
Feuerarbeiten der deutschen Kunstschmiede

sind von unvergleichlicher Schönheit, Dauer-
haftigkeit und Ehrlichkeit.

Fast ein Jahrhundert hat die Eisen-
schmiedekunst brach gelegen durch die billige
Massenfabrikation der Gießereien der großen
Eisenhüttenwerke von Jlsenburg, Tanger-
hütte, Lauchhammer u. a. Viele Millionen
Zentner gußeiserner Balkon-, Fenster-, Grab-
und Einfriedigungsgitter, Grabkreuze und
Gedenktafeln, Beleuchtungsarme und Kande-
laber sind neben unzähligen anderen Ge-
brauchsartikeln aus Gußeisen — die Macht
dieser Gußeisenfabrikate reicht bis in unsere
Tage — besonders aus Schinkelscher Zeit,
in den Himmel gehobene Leistungen gewesen.
Aber alle diese Stücke sind verurteilt, kurz
über lang zum alten Eisen geworfen zu
werden, das Walz- und Schmiedeeisen hält
einen rücksichtslosen Vernichtungskamps! Seit
zwanzig Jahren ist durch den riesigen Auf-
schwung der Walzwerke das Schmiedeeisen
infolge Stellung gewaltiger Konstruktions-
aufgaben zu ungeahnter Bedeutung gelangt,
und zugleich hat auch die Kunstschmiederei
ihre Wiedergeburt gefeiert. Kein zweites
Material ist vorhanden, daß sich auch nur
annähernd einer gleich vielseitigen Ver-
arbeitung für irgend welche Dienstleistung
unterwerfen ließe wie das Eisen. Und ledig-
lich in der Vielseitigkeit der anzuwendenden
Techniken als: Schmieden, Strecken, Stauchen,
Schweißen, Schneiden, Treiben und vielen
anderen Prozeduren im kalten und Hitz-
Zustande liegt das Geheimnis der künstle-
rischen Gestaltung des einfachen Vierkant-,
Rund- oder Profileifens zu Ranken, Orna-
menten, Blatt- und Blütenformen. Gerade
in den Kunstschmiedearbeiten kündet sich der
Adel der Handarbeit, denn die Hilfsmittel
dazu sind heute noch so primitiver Art, wie

Drlail des Haupkporl-rls in Chicago.

Ofenschirm

(Barockstil).

sie das Handwerk seit Jahrhunderten kennt.

Ganz wird man das Gußeisen nicht ver-
drängen können, seiner Billigkeit wegen,
aber die Freude an guten Schmiedeeisen-
arbeiten wächst, und an allen Orten sieht
man die ehernen Thore und Frontgitter in
kraftvoller Linienführung mit aus dem Feuer
hervorgegangenen, geschmiedeten Ornamenten
der Renaissance, des Barock- und Rokoko-
Stils. Dazu gesellen sich als würdiger
Grabschmuck die Kreuze und Einfriedigungs-
gitter auf unsern Gottesäckern. Kunstvolle
Giebelblumen und Endigungen, Wind-
fahnen, Flaggenmasthalter, First-, Balkon-
und Fenstergitter, Zieranker und Füllungen
werden im Fassadenschmuck von den Archi-
tekten mit Vorliebe verwendet. Aber auch
das Gebiet der vornehmen Wohnungsaus-
stattung hat sich die Kunstschmiederei erobert.
Wir begegnen dem Beleuchtungsgerät vom
kleinsten Handleuchter bis zum monumen-
talen Kandelaber; Wandarme, Ampeln und
umfangreiche Kronenleuchter sind aus glei-
chem Material. Da ist das mannigfache
Gerät des Kamins an Feuerböcken, Vor-
setzern, Ofenschirmen, Zangen u. Schaufeln.

Der schmiedeeiserne Blumentisch steht
in hohen Ehren, Vasen- und Garderoben-
ständer haben durch gefälligere Formen ihre
massiven hölzernen Rivalen verdrängt, und
das mahnende Tick-Tack kommt aus einem
zierlich aufgebauten Gehäuse reichster
Kunstschmiedearbeit.

Der Kleineisen-Arbeiten, des Eisenfili-
grans, der Schmucksachen aus Eisen und
der Kasseten mit dem wirkungsvollen Be-
schläg habe ich noch nicht einmal Erwäh-
nung gethan, und doch ist damit die Reihe
der Kunstschmiedearbeiten nicht geschlossen.
Das Eisen giebt uns eben eine Muster-
karte ohne Ende, so wechselreich seine Tech-
niken, so zäh und doch willig sein Korn,
so unbegrenzt ist seine Formenannahme

Die Kunst für All- VIII.

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