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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Heilbut, Emil: Kleine Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0355

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von kerman kelserich.

279


Mutter der Schmerzen. von Tb. Lybaert.

Photographie-Verlag der Photographischen Union in München.

von Innigkeit, von Gemüt, von Ausdruckskraft
und mit einem solchen Sinne für Schönheit
ausgezeichnet ist, daß wenigstens ich seine Bilder
nie ohne Rührung sehen könnte, stand ich mit
einer jungen Malerin, sie lebt in München, sie
ist begabt und sie ist ungeheuer intelligent — was
meinen Schmerz erhöhen mußte. Wir standen vor
dem Bilde, es war das erstemal, daß sie ein Werk
von Watts sah — und sie bedauerte mich, daß
ich Watts loben könne. Und sie hatte soeben
sämtliche Werke der modernen Franzosen a In
Friant bewundert — da sie Malerin ist, hat sie
ja ganz recht. Aber nun legte sie den Maßstab
ihres technischen Verständnisses für Friant an den
großen, den märchenhaften, den Romantiker Watts.
Ich schenke ihr den technischen Vergleich. Aber
ich bin überzeugt wie von der Drehung der Erde
um die Sonne, daß Maler wie Friant keinen Schuß
Pulver in einer Zeit wert sein werden, die in
Watts noch immer einen wertvollen Mann des
neunzehnten Jahrhunderts anerkennen wird. Und
in solchem Aneinanderprallen wie dem mit der
selbst außerordentlich veranlagten Malerin lerne
ich recht, wie schade es für die Künstler ist, wenn
ihrer so viele sind, wenn sie in Kolonien und
Malerstädten leben und nicht wie in England frei
in der Welt. Lebten sie frei in der Welt, so
hätten sie — falls sie Künstler sind — größere
Gedanken. Wer gescheit ist, hat auf dem Meere
nur große Gedanken, und so müßte der Künstler
denken, wenn er in einem anregenden Elemente
doch nicht gerade unter Künstlern lebt. So ist es
in England. Da wird die Kunst hervorgeiufen
durch das Leben, welches um einen ist, da ist die
Beschäftigung mit der Kunst nur denen möglich
und wird ihnen nicht widerwärtig, die wirklich
noch etwas zu sagen haben. Die Sprache, das
Tüpfelchen auf dem i, das wird in Frankreich
und Deutschland besser getrieben. Während aber
diese Kunst entwickelt und im Kreise der Berufs-
kollegen anerkannt wird, ahnt der Künstler nicht,
wie viele das lernen können. Wie er, wenn er
nichts als das hat, spurlos verschwinden werde
(und während seines Lebens wegen seiner Inhalts-
losigkeit nicht gekauft werde) möchte ich ihm nicht
ausmalen. Dieses ist wie bei uns so auch jetzt
in Frankreich wahrzunehmen, Werke der Über-
flüssigkeit sind an der Tagesordnung, gezeitigt
durch das Ausstellungswesen und die Künstlertische
und durch die schrecklichen Stunden im Atelier,
wenn dem Künstler, der machen kann fast was er
will, — nur fehlet ihm der Glaube — und in
England malt er nur, wenn er Glauben hat! —
ich meine nicht die Religion, ich meine natürlich
einen Inhalt in seiner Kunst — merkwürdig
oft nichts einfällt, um mit Lindau zu reden.
Was soll er dagegen thun? nach England gehen
oder in der Einsamkeit leben. Beides stärkt. In
einer Umgebung sein Leben zubringen, die der
Thätigkeit oder den Bildungsinteressen gewidmet
ist, das lehrt die Künstler, in ihrer Kunst nur zu
sprechen, wenn sie etwas zu sagen haben, und
sobald sie nicht mit ihren Kollegen sind, hört
 
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