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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Relling, ...: Die Berliner Kunstausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0387

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30S

Die Berliner Kunstausstellung.

Das Zeitalter der Humanisten, von G. Brause weiter.

einer Ansicht. Dabei wird aber über Gegenwart und Zukunft der Kunst und über ihre letzten Ziele sehr weise
orakelt. Und wenn man sich nun das ansieht, was die Berliner diesmal auf die Ausstellung gebracht haben, so
scheint es, als ob die Künstler dem häufig vordozierten „die Kunst muß, die Kunst soll" allzu bereitwillig
ihr Ohr geliehen und bei der Befolgung Selbständigkeit und Originalität verloren hätten. Sie ernteten
dafür freilich das Lob der hiesigen Zeitungen, die Unselbständigkeit und Trivialität immer als ihnen verwandte
Art preisen. Das Lob gilt also weniger dem Künstler, als dem Berliner, bescheidene Naturen mögen damit
zufrieden sein- Die Berliner Künstler können immerhin mancherlei, das durchschnittliche Maß des Kunstver-
mögens steht hier zweifellos auf einem anerkennenswerten hohen Niveau. Aber die Spitzen, die sich über das
Niveau erheben, trifft mau hier zu selten. Die Bilder werden hier gemalt und nicht gelebt, Mittelware in
Massenfabrikation, für die auch das Wort gilt: billig und schlecht. Die Berliner Bilder verletzen nie, sie sind
korrekt und wohlanständig, wie ein solider Spießbürger. Im kühnen Bilde könnte man vielleicht sagen, daß sie
uns wie dieser im schwarzen Gehrock feingemacht Vorkommen. Die Bilder gefallen hier, über die in den west-
lichsten Berliner Salons Komtesse und Schicksel mit dem stereotypen „reizend" urteilen kann. Was darüber
hinausragt wird höchstens noch „eigenartig" gefunden.

Das wenige Gute unter den Berlinern ist mit geringer Mühe aufgezählt. Unser bester Hiesiger fehlt
leider ganz auf der Ausstellung: Max Liebermann. Der Name Menzels fehlt auch im Katalog, erst
nachträglich wurde ein kleines Bildchen von ihm aus den achtziger Jahren, eine Szene auf einem Hofballe
darstellend, in den Ehrensaal geschoben. Franz Skarbina, einer unsrer Bewährtesten, der eine erfreuliche
Produktivität zeigt, ist in drei Ölbildern und einem Pastell aufs beste vertreten Es handelt sich, wie bei
Skarbina selbstverständlich, zumeist um Beleuchtungseffekte. Im Berliner Weihnachtsmarkt ist der winterliche
Luftton und der Gegensatz zwischen dem scheidenden Tageslicht und dem der elektrischen Laternen und der
Öllampen der Buden trefflich fixiert. Noch viel pikanter ist das Bild „Frühe Botschaft". Ein Hotelkorridor
im kalten Licht des frühen Morgens; in der geöffneten Thür eines Zimmers steht eine Dame, der das Stuben-
mädchen einen Brief bringt. Der einfache Vorgang ist gleichgültig, aber als Lichtstudie eine der ansprechendsten
Arbeiten Skarbinas. In der Darstellung von Straßenszenen erweist sich Paul Höniger als ein wenig
geschickter Nachahmer Skarbinas. Eine originellere Kraft ist Lesser-Uri, der nur ein Bild ausgestellt hat,
das zudem recht ungünstig hängt. Er ist hier wenig bekannt und wird, da er zu den überzeugten Modernen
gehört und jeden Kompromiß zwischen Alt und Neu verabscheut, ungesehen verdammt. Er ist ein Opfer der
Berliner Kritik, die ihn, wenn sie nicht planlos auf ihn schimpft, als abhängigen Nachahmer bloßzustellen sucht.
Nun hat er ja gewiß Vorbilder, denen er nachstrebt und fremde Einflüsse sind bei ihm manchmal kenntlich.
Gewisse Auffassungen aber können sich im modernen Kunstlebeu ganz von selbst ergeben und von verschiedenen
selbständig gefunden werden, ohne daß man nötig hätte, den einen als den Abschreiber des andern zu bezeichnen.
In der Individualisierung des Ererbten, das dadurch zu seinem eigensten Besitz wurde, ist Lesser-Uri weit
fortgeschritten und geht jetzt längst auf selbstgebahntem Pfad. Wie erfrischend in der Fülle der Mittelmäßigkeit
einmal ein originelles Bild wirkt, lehrt im vierten Saale der farbenleuchtende Helle dekorative Entwurf von
Ludwig v. Hofmann, der, trotz schlechter Aufhängung, sofort die Augen auf sich zieht. Das Bild ist von
der vorigen Münchener Ausstellung her gut bekannt.

Auch die besonders gepflegte Domäne der Berliner Kunst, die Porträtnialerei, ist diesmal mäßiger als
in früheren Jahren. Zwei ganz vortreffliche Bildnisse sind von Max Koner ausgestellt, die der Berliner
Maler Brausewetter und Bracht. Das erstere war schon iin Winter im Architektenhaus ausgestellt und wurde
bei dieser Gelegenheit hier besprochen. Man muß schwanken, welchem von diesen beiden die Palme zu reichen
sei, schließlich habe ich mich für Bracht entschieden. Koners Bildnis der Dame im grünen Kleid ist dagegen
 
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