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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Feldmann, Siegmund: Die Pariser Salons, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0396

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von siegln. Feldmann.

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zuteil, im vergangenen fiel sie Whistler zu. Im letztem
Falle waren sie allerdings ausgezeichnet beraten: der
Götze ist zu einem Gott vorgerückt, zu dem immer
mehr Gläubige beten. Whistler selbst fehlt zwar Heuer
auf dem Marsfelde, aber eine Gruppe von Nachahmern
erinnert uns sehr nachdrücklich an ihn. Einige, wie
Picard und Lavery eigneten sich nur einiges von ihm
an, andere wie Alexander und Guthrie sind ersichtlich
bemüht, es ihm gleichzuthun, entschuldigen aber diese
Abhängkeit durch eine schöne Begabung, der es an einem
selbständigen Zuge trotz alledem nicht mangelt. Am
vollendetsten „whistlert" der Spanier Antonio Gan-
dara, ein noch junges, aber vielseitiges Talent. Gandara
hat Whistler alles abzngucken versucht: die kränkelnde Grazie,
das Flachsehen und in erster Linie die malerische Technik,
die sich auf drei bis vier Töne beschränkt und in diese
mit wenig Licht ziemlich willkürlich aber geistreich hinein-
modelliert. Die Ergebnisse sind interessant, aber weder
in den Porträts, noch in den Veduten, die unter den
Pastellen hängen, erreicht er nur halbwegs die unver-
gleichlichen Harmonien seines großen Vorbildes, vor-
deren Mysterium wir mit heiligem Schauer stehen.

Whistler ist nicht der Einzige, der durch
seine Abwesenheit glänzt. Auch Stevens,

Jean Beraud, Besnard und Cazin ließen in
diesem Jahre die Stätte ihrer mehr oder
minder berechtigten Triumphe im Stich.

Roll entschädigt uns für seine dreijährige
Abwesenheit durch die Riesenleinwand, an
der er während dieser Zeit unablässig thätig
war. Sie ist als eine Verherrlichung der
Centenarfeier von 1789 für das Museum
von Versailles bestimmt und schildert die
Ovation, die Herrn Carnot anläßlich des
Festes im Schloßparke, vor dem Neptuns-
brunnen, von der Volksmenge dargebracht
wurde. Lohnend war die Aufgabe gerade
nicht. Ein weltgeschichtliches Ereignis be-
fruchtet die Phantasie des Künstlers, aber
wenn man bloß die Erinnerung an dieses
Ereignis zu malen hat, muß man, wie hier,
die Emotion in seinen Stoff hineintragen,
anstatt sie daraus zu schöpfen. Roll hat sein
Möglichstes gethan und wirklich Bewegung
und Mannigfaltigkeit in die vielhundertköpfige
Menge gebracht, die den schwarzen Frack des
Präsidenten der Republik umflutet. Auch
die Farbe ist sehr glücklich und frei von den
undurchsichtigen, schwärzlichen Tönen, die
Roll früher anzuwenden Pflegte, wenn er
nicht Nacktes malte, wo er mir am liebsten
ist. Sonst macht sich die historische Malerei
kaum bemerkbar, es sei denn, man rechne,
wegen seines Umfangs, Lhermittes „Der
Tod und der Holzhauer" hinzu. Der Holz-
hauer ist auf seiner Last zusammengebrochen
und da ihm zwischen den Stämmen der
Sensenmann erscheint, weiß er, daß sein
letztes Stündlein geschlagen hat. Dem Bilde
mangelt es, trotz aller Anstrengung, an Be-
redsamkeit; es überzeugt uns nicht, es weckt
kein Gefühl in uns. Vielleicht liegt das an
der Art Lhermittes. Seine Zeichnung ist wie

immer von großer Energie, aber er versteht die Kunst der
Beschränkung, die Notwendigkeit der Opferung des Neben-
sächlichen nicht. Alles bis auf den kleinsten Grashalm
ist mit dem gleichen Nachdruck behandelt und das zer-
splittert die Aufmerksamkeit. Mit Lhermitte haben sich
auch die Genossen der ersten Stunde, die zum Gedeihen
des neuen Salons so viel beitrugen: Carolus-Duran,
Gervex, Duez u. s. w. vollzählig eingestellt. Aber
was ließe sich Neues über sie sagen? Höchstens, daß uns
Carolus-Duran diesesmal mit einigen Landschaften
überraschte, von denen ein Sonnenuntergang aller Ehren
wert ist. Auch Friant ist nicht ausgeblieben, nur schade,
daß er uns diesesmal nicht die gewohnte Freude bereitet.
Er hatte uns verwöhnt und darum empfinden wir es
als Rückschritt, wenn er sich, wie diesesmal, auszu-
ruhen scheint.

Den Deutschen brauche ich wohl nur wenige Worte
zu widmen. Die sehen Sie in der Heimat öfter und
würdigen sie unbefangener, weil die Vergleichung sich
nicht aufdrängt. Glücklicherweise halten einige der Ver-
gleichung auch hier stand. Am besten gefallen die
Interieurs von Kuehl und das Kinderporträt von

Drei Wilitärbevollmächkigke bei französischen Manövern,
von LH. Morel.

Zeichnung nach dem Driginal auf dem Salon des Lhamx de Mars in Paris 1893.

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Die Kunst für Alle VIH.
 
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