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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Pecht, Friedrich: Die Jahresausstellung 1893 der Künstlergenossenschaft zu München, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0407

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Die Iobrcsausstellung ;8yZ der Uünstlergcnosscnschaft zu München.

ganzen Saal mit seinen zuweilen genialen und noch öfter barocken Werken füllte. Eine besondere Anziehungs-
kraft üben dann noch eine ganze Anzahl neuer und alter Munkacsyscher Bilder aus, wo freilich die frühesten
am meisten das eigenartige Gepräge des Genius tragen. Was einem nun bei den Deutschen zunächst in die
Augen fällt, sind einige ebenso interessante, als seinen verschiedensten Perioden angehörige Bilder Böcklins,
prächtige Porträts Lenbachs und des unglücklichen Stausfer-Bern, andere von Marr, Koner u. A, dann
sehr bedeutende Historienbilder von Arth. Kampfs, Defregger und Kämpffer und überaus anziehende
religiöse Gemälde von Ed- v. Gebhardt und seinem Schüler Feldmann, endlich eine sehr achtbare Kreuzigung
von Glötzle. Unter den zahllosen, deutsches Volksleben schildernden Sittenbildern fallen die Ausgrabung von
Opfern einer Lawine von Leuenberger in Karlsruhe, die Zahnoperation von Simm und eine hypnotische
Szene von Falkenberg, dann ein Bacchusfest unter Nero von Medovic neben Arbeiten von A. Seitz,
Defregger, Frau Simm-Meyer, Walter-Firle u. a. zunächst in die Augen.

Hier ist übrigens der Reichtum so groß, daß er schwer übersehbar bleibt, wie bei den Landschaften
und Tierstücken, wo Willroider, Baisch, v. Bartels, Audersen-Lnndby, Braith, Thiele, Brendel
u. a. das Trefflichste geliefert.

Unter den Fremden sind die Engländer diesmal besonders reich vertreten, denen sich die Amerikaner
anreihen. Dänen und Schweden fesseln durch eine köstlich gemalte Deputation von Audienz suchenden Philistern
von Helsted; die auch zahlreich vorhandenen Franzosen bringen diesmal neben vielen galanten Damen einen
wunderbar gemalten Bauernkopf von Millet, die Spanier glänzen durch einen Philipp U-, der sich Akten-
stücke vorlesen läßt, ein famoses Stimmungsbild von Alvarez in Rom. Am reichsten sind die Italiener vor-
handen, nur bringen sie leider zu viel Marktware. Holländer und Belgier führen auch wieder alle ihre bekannten
Meister ins Gefecht, ohne gerade neue Seiten zu entwiaeln, und die Polen sind durch Pochwalsky — aller-
dings viel schwächer als voriges Jahr —
dann durch Brandt u. a. glänzend ver-
treten, wie die Russen durch Ronband.

Am auffallendsten ist bei der Gesamter-
scheinung jedenfalls das fast gänzliche
Schwinden des Einflusses der Antike selbst
bei der doch sehr zahlreich vertretenen
Skulptur, wo diesmal das Denkmal des
eben von den Wogen ans Land ge-
schwemmten Dichters Shelley von Ford
die meiste Aufmerksamkeit neben Rümanns
Figur der tot ans dem Katafalk liegenden
Herzogin Max von Bayern in Anspruch
nehmen dürfte. Ganz eigenartig verspricht
dann noch die Ausstellung der Gesellschaft
für rationelle Malverfahren zu werden,
welche die allmälige Umbildung derselben
von den Griechen bis zu uns durch gleich-
zeitige, oft sehr vortreffliche Bilder neben
den Malmitteln selber zu erläutern sucht.

Bevor ich nun zur näheren Be-
sprechung der hervorragendsten Kunstwerke
übergehe, gestatte man mir noch einige
allgemeine Betrachtungen. Zunächst wie
merkwürdig charakteristisch sich auch dies-
mal wieder die Individualität der ein-
zelnen Nationen in ihrer Kunst wider-
spiegelt. Und zwar um so schärfer, je
besser die Kunstwerke selber sind, was
freilich die Theorie vom kosmopolitischen
Charakter der Kunst allein schon ack ad-
surckarn führt. Das braucht man sicher-
lich keinem Menschen mit gesunden Sinnen,
der in den deutschen Elitesaal eintritt, zu

sagen, daß er sich hier im Hauptquartier Stilixben (venctianer Aelch). von Aug. kjolmberg.

der germanischen Rasse befinde, das wird Iahresausstellung 1893 der Aünstlergenoffenschaft zu München.
 
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