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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Braunmühl, Clementine von: Der Hausfrau Leinenschrank, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0423

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Die Kunst im Hause.




Blumen und Bändern bekränzt und geschmückt
werden, ein Schmuck, dein keine Notwendig-
keit zu gründe liegt, so schmücken wir auch
z. B. eine Festtafel mit den Kindern der
Flora. Die Blume ist Schmuck par excetlence,
der sich mit wenigen Ausnahmen zum Aus-
druck jeder Festesfreude eignet. In welcher
Weise haben wir nun einen solch frei ge-
wählten Schmuck künstlerisch zu behandeln?

Der Schmuck darf vor allem die Be-
nützung des geschmückten Gegenstandes nie
beeinträchtigen. Eine Festtafel können wir
an den Seiten bekränzen mit Blumenfestons
und Gewinden, die von Zeit zu Zeit durch
Agraffen und Bänder gehalten werden. Aus
den Tisch stellen wir Aufsätze, Vasen mit
Bouquetten oder Topfpflanzen, auf die
Couverts legen wir Sträußchen und in Eng-
land ist es Sitte, alle zwischen den Tischge-
räten freien Plätze mit kleinen Blumen-
schalen auszufüllen.

Von all diesem Schmuck darf nur jener
in das Gewebe übertragen werden, der auch
in diesem an Stelle des ursprünglichen,
natürlichen, treten kann. Die herabfallenden
Seiten des Tischtuchs werden bei gedeckter
Tafel mit nichts belegt, hier ist also die
Stelle der gewobenen Blumenbordüre. Auf
dem Tische selbst füllt aber jede eingewobene
Blumenzier weg, da die natürliche bestehen
bleibt. Noch unstatthafter als etwa an der
Stelle des Tafelaufsatzes Blumen oder Vasen
in das Tuch einzuweben, wäre es, sie
auch unter den Tellern und Schüsseln an-
zubringen. Nur die Serviette verträgt eine
eingewobcne Bordüre, selbst einen dessinierten
Fond, da sie mit nichts bedeckt wird. Unsre
jetzt so sehr beliebten Tischläufer verstoßen
meistens gegen eine korrekle Zier durch ihr ^
vollständiges Besticktsein. Da stehen Platten
und Saucieren und Schüsseln auf ganzen
Zügen von Kate Greenawaykiudern und
drücken die armen, niedlichen Dinger ent-
schieden tot. Der Tischläufer hat an seinen
Längsseiten nur einen Ziersaum oder ein
kleines Bordürchen und an seinen unbedeckt
bleibenden Schmalenden, Ornamente. Der
Schmuck des auf dem Tische liegenden be-
deckten Tuches besteht nur aus unbedeutenden,
in regelmäßigen Abständen sich wieder-
holenden, am besten, geometrischen Fond-
mustern.

Soll nun die gewobene oder gestickte
Blumen bordüre in der Leinwand naturalistisch

gehalten sein, oder stilisiert werden? Wir
haben hier vor allem die Technit zu fragen.

Vor Erfindung der Jacquardmaschine,
als die Contouren der Zeichnung im Damaste
sich treppenförmig änderten, waren stilisierte,
flach gehaltene Blumen- und Pflanzen-
ornamente mit ihren strengen Formen mehr
am Platze. Die Jacquardmaschine gestattet
jedoch eine so weiche runde Linie im Gewebe
wie in der Zeichnung, es können also alle
Formen der letzteren, die gewoben nicht
verzerrt erscheinen, Anwendung finden und
damit auch Licht und Schatten, soweit sie
durch die Verschiedenheit der Bindungen
auszudrücken sind. Antzerdem kommt noch
sür die naturalistische Wiedergabe der Pflanze
in Betracht, daß, wie bereits gesagt, ihre
Verwendung als Bordüre nur da am Platze
ist, wo das Gewebe nicht bedeckt wird, also
selbst eine lebendige. Plastische Pflanze nicht
störend wäre. Als Gegensatz diene beispiels-
weise die Tapete, die wir auch mit Pflanzen-
motiveu schmücken, aber da, wo sie nur als
Hintergrund sür darauf zu hängende Ge-
mälde dient, sicherlich nicht naturalistisch,
sondern streng stilisiert, flach ornamentieren.

Neben Blumen und Früchten, entweder
als Gewinde oder Festons, mit ihren zur
Befestigung dicnendenBändern und Agraffen,
sind die gütigsten Motive sür Verzierung
der Leinwand, Spruchbänder, leichte Um-
rahmungen von Initialen und Wappen und
etwa noch Masken und Embleme. Blumen-
vasen, wie wir sie häufig sehen, entsprechen
einer inneren Wahrheit nicht. Wir könnten
sie an der Seite eines TischeS z. B. nicht
befestigen, auch sind sie zu schwer für das
leichtbewegliche Gewebe. Vollends verwerf-
lich sind aus diesem Grunde Metall- und
Holzfvrmen: schwere Cartouchen, Stab- und
Gitterwerk.

Das Tischgedeck ist nicht das einzige
Leinengewebe, das wir schmücken. Auch an
der Bettwäsche, dem Handtuch, dem Taschen-
tuch, der Leibwäsche, äußert sich unsre Freude
an künstlerischer Zier. Nach den gegebenen
Andeutungen wird es nicht schwer sein, die
Dekorationsgesetze für die genannten Artikel
zu finden. An'dem Umschlagtuch wird der
über der Decke erscheinende Teil, an dem
Kissen entweder der Rand auf drei Seiten,
die vierte, auf welcher wir liegen selbstver-
ständlich nicht, oder in einfacherem Falle nur
der, der Vorderseite des Bettes zugekehrte
Rand geschmückt.

(Ter Schluß im nächsten Heft).

Meine -MitiHeilungen»

* „Beitrage zu einer Volkskunst".
Es ist etwas ganz Eigenartiges, was da unter dem
Titel: „Beiträge zu einer Volkskunst", herausgegeben
von O- Schwindrazheim, im Verlage von Earl
Griese-Hamburg nun schon im II. Jahrgang sich
uns in so duftigem Gewände halbmonatlich darbietet.
— Eine Volkskunst?! oh gewiß, eine solche ist denk-
bar — denkbarer als der seit hundert Jahren er-
sehnte Völkersriete. Ist nicht in fast allen Kunst-
strömungen eine Ausdrucksweise zutage getreten, die
abseits von den Zünften und Gilden, unbekümmert
um Stilgesetze von der breiten Volksschicht mit vollster
Hingebung gepflegt wurde! Mag diese fälschlich mit
„bäurisch" bezeichnet werden, ihre Erzeugnisse sprechen
noch heute zu uns in den besonders von „Vornehmen"
mit Vorliebe gesuchten Bauernmöbeln, -Geschirren,
-Schmuck, -Stickereien und -Kostümen. Allen diesen
Stücken ist ein Zug, eine Sprache gemeinsam, ganz
gleich ob es sich um Volksschmuck und Möbel der
Elbmarschen, um Kerbschnitzereien Frieslands, um
vierländische Kostüme, um Silbersiligrane und Flach-
schnitzereien Norwegens oder um slavische Stickereien
und tiroler Holzarbeiten handelt: Ehrlichkeit in ein-
fachen, zweckmäßigen Gebrauch- und Zierformen mir
naruralistisch-farbensrischem Schmuck, wie ihn die
gütige Natur alljährlich auf die heimatliche Scholle

> streut, jedem Kinde, jedem Gemüt verständlich. Und
! aus dieser durchaus volkstümlichen Schatzkammer
mit ihrer unversieglichen, poesievollen Formenspende
kündet uns der unermüdliche Herausgeber O.
Schwindrazheim mit seinem Stamm gleichgesinnter
Künstler: H. Schwindrazheim. H. Haase, E. Schlotte,
C. Meßmer, H. Christiansen, C. Gädgens, A. Siebelist,
E. Evert u. a. die srohe Botschaft, daß auch der
Geringste teilhaben müsse an dem Schönen, um über
die Mängel des Alltäglichen hinwegzukommen. Bei
aller originellen Selbständigkeit erinnert manches der
reizenden, sprachrcichen Blätter mit dem naiven Ge-
rät, Schmuck. Geschirr aus Thon und Edelmetall,
der reichen Fülle an pflanzlichen und ornamentalen
Kompositionen, Lederarbeiten. Blumen- und land-
schaftlichen Studien, den malerischen Möbeln und
unzähligen anderen Tingen an die überlieferten
vaterländischen Kunstwcisen, und an jene Kunst-
betätigung, die das Leben des japanischen Volles
zu einem so glücklichen gestaltet. Vorzügliches
zeichnerisches Können paart sich hier mit tiescm Em-
vfinden zu lebenswarmen Gestaltungen, die wie die
deutschen Volksweisen Arm und Reich erfreuen
müssen, über 200 Blätter in gutem Färb- und
Lichtdruck sind inzwischen erschienen, und ihre Durch
sicht hat mir eine wahre Herzensfreude bereitet. Es
wird mir schwer, einzelne Blätter Herauszugreisen,
auch das bescheidenste ist noch schön. Dieser Volks-
kunst wünsche ich ein Eindringen in jegliche Volks-
schicht. Bei unserm Stilwirrwarr wird sie auch den
Künstler und Kunsthandwerker erfrischen und an-
spornen, und welchen Reichtum wirst sie nun erst
dem Licbhaberkünstler in den Schoß. Die Bielseitig-
leit wird auch den Verwöhntesten überraschen. Ter
bescheidene Preis von 60 Pfennig pro Heft mit
6 Tafeln gr. 8<> und gutem Text, halbjährlich 12 Hefte
Mk. 7.—, ist eine kleine Volkssteuer, die wir zu
Gunsten einer so anheimelnden Volkskunst sehr wohl
aufbringen können. O. 8.

— Berlin. Das letzte der von dem Verein
für Deutsches Kunstgewerbe erlapenen Preisaus-
schreiben: „Photographische Aufnahme eines Still-
lebens nach der Natur" hat folgende Erledigung
gefunden. Eingegangen waren 14 Arbeiten, die drei
Preise wurden einstimmig den folgenden Ausnahmen
resp. ihren Urhebern Anerkannt: der I. Preis von
Mk. 80.— Franz Kühn, Internationales Amateur-
Atelier-Berlin, der II. Preis von Mk. 60.— Otto
Ran, Chef der Photogravureabteilung der Firma
Meisenbach, Riffarth L Co.-Berlin, der III. Preis
von Mk. 40.— Maler Wyllye Ballies - Friedenau.

— Berlin. Ter Verein sür deutsches Kunst-
gewerbe erläßt soeben wieder drei Preisausschreiben:
i) Entwurf zu einem Meisterbrief für die Innung
„Bund der Bau-, Maurer- und Zimmermeister in
Berlin"; abzuliefern bis 1. Oktober 1893; l. Preis
150 M., 2. Preis 100 M., einzelne nicht prämierte
Entwürfe sollen eventuell sür je 50 M. angetanst
werden. 2) Entwurf zu einem Jnnungsbanner der
Berliner Buchbinderinnnng; abzuliefern bis 1. No-
vember 1893; 1. Preis 100 M., 2. Preis 50 M.
3. Entwurf zu einem schmiedeeisernen Bogenlicht-
kandelaber zur Beleuchtung eines großen Wohnhaus-
hofes; abzuliesern bis 1. Dezember 1893; 1. Preis
120 M., 2. Preis 80 M., 3. Preis 50 M. Berechtigt
zur Teilnahme an diesen Konkurrenzen sind: die
Mitglieder des ausschreibenden Vereins, deren Mit-
arbeiter und alle in Berlin wohnenden Kunsthand-
werker, Künstler, Zeichner und Fachgenoffen. Nähere
Bedingungen sind vom Schriftführer des Vereins,
Ern'vr. P. Jessen-Berlin, 8. IV. 12, Kunstgewerbe-
Museum zu beziehen, da wir hier die umfassenden
Einzelbestimmungen wegen Platzmangel nicht ab-
drucken können.

— Paris. Ca Collection 8pitrer ist nun von
den verschiedenen Erdteilen in Pflege genommen.
Ter Gesamterlös der Auktion beträgt etwa 9,i
Millionen Franks, hat also die Erwartungen nicht
erfüllt, die man von der nach Altertümern hungern-
den Zeit erhoffte. Unser Voranschlag mit wenigstens
8 Millionen ist demnach der Wirklichkeit nicht fern
geblieben. Viele Stücke haben nur ein Drittel und
ein Viertel ihrer ursprünglichen Werte erzielt, für
welche sie Spitzer s. Z. erstanden har. Vielen sind
aber trotzdem noch die Augen übergegangen nach
näherer Besichtigung der erworbenen Kostbarkeiten:
neben ziemlich umfangreichen, sehr geschickt aus-
geführten Restaurierungen, sollen auch manche
Fälschungen unterlaufen sein, die eigentümlicherweise
erst nach der Auktion als solche erkannt worden sind.
Solche Entdeckungen werden natürlich immer erst
gemacht, wenn glückliche Bieter die gefälschten Stücke
um fabelhafte Summen erstanden haben. — Nun
Geduld bis zum nächsten Jahr, in welchem die Auk-
tion der Rüstzeug- und Waffensammlung die Gemüter
aufs neue bewegen wird.


Verantwortlicher Redakteur dieser Abteilung:
Mtto Schulze in Köln.
 
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