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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Die Ausstellung für Maltechnik im kgl. Glaspalast zu München
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0431

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Die Ausstellung für Maltechnik.

von Bayern schmückt die an derselben Wand befindliche
Vitrine, welche eine Kollektion von wertvollen Miniaturen
auf Elfenbein, Pergament, sowie Arbeiten der fast ganz
vergessenen Eglomisetechnik enthält; diese letztere besteht
in Vergoldung wie Bemalung des Glases von rückwärts
und war den Römern späterer Zeit schon bekannt;
Heraclus sowie Cennini beschreiben dieselbe, ebenso
Lionardo in seinem berühmten Werke Trattato della pittura.

Gerechtes Aufsehen wird zweifellos eine in demselben
Raume aufgestellte Bilderserie „Entwicklungsgeschichte
der Maltechnik" von den ältesten Zeiten bis zum Aus-
gang des römischen Reiches, nach den Quellenschriften
und chemischen Untersuchungen bearbeitet von dem
Münchener Maler Ernst Berger, machen, weil hier
zum erstenmal, soviel wir wissen, der Zusammenhang
und die Wechselbeziehungen der einzelnen Techniken des
Altertums untereinander festgestellt wird und alle Fragen,
welche die Malweise der Alten betrifft, wie es scheint,
endgültig gelöst erscheinen. Archäologen und Kunst-
historiker werden manches für sie Neues erfahren und
ist es insbesondere die Art, wie Berger zum Beispiel
die Enkaustik aus den bei 8t. lAeckarä-ckes-Ures ge-
fundenen Malerwerkzeugen rekonstruiert, von großem
Interesse, weil damit die Technik der Grafschen Galerie
antiker Porträts, die seit ihrer Auffindung in den Gräbern
von El-Faijum (Oberägypten) allgemeines Aufsehen er-
regten, erklärt und durch Proben festgestellt erscheint.
Frühere Restitutionsversuche können sich mit diesen neuesten
kaum messen. Die genaue Befolgung der einschlägigen
Angaben bei Plinius und Vitruv hat Berger auch zur
Wiederauffindung der Technik der pompejanischen Wand-
malerei geführt, welche entgegen der bisher geltenden
Ansicht nicht reines Fresko ist, sondern mit dem sogen,
panischen Wachs als Bindemittel auf Marmorstuck aus-
geführt wurde. Das panische Wachs ist genau nach
Plinius bereitet eine Wachsseife, hat die Eigentümlich-
keit sich in Wasser zu lösen und mit dem Kalk der
Mauer zu einer in Wasser nicht mehr löslichen Ver-
bindung (Kalkseife) zu erhärten. Das sind lauter über-
raschende Thatsachen, die uns dadurch umsomehr in Er-
staunen setzen, daß dieselben solange unbekannt geblieben
sind. Zu diesen Resultaten ist Berger gelangt, indem
er von dem Prinzip ausging, daß die Maltechnik ebenso
wie die gesamte Kultur, Staatswesen, Religionen u. s. f.
stufenweise sich entwickeln mußte, daß eine Neuerung
in der Technik stets eine Verbesserung einer früheren ist
und immer eine in der Natur des Materials gelegene
Handwerksmäßigkeit zur Grundlage hat; so entwickelt
sich die Wandmalerei und alle übrigen Techniken. Aus
der Enkaustik z. B. entwickelt sich direkt die Ölmalerei,
indem die Maler das Unangenehme der stets warm zu
haltenden Wachsfarben erkennend, den aus Wachs, Harz
und etwas trocknendem Nußöl bestehenden enkaustischen
Farben immer mehr Öl und weniger Wachs hinzufügten,
sodaß sie von selbst zur Erfindung der Ölmalerei ge-
langen mußten. Diese Wandlung scheint sich vom VII. bis
IX. Jahrhundert unsrer Zeitrechnung vollzogen zu haben,
denn die Quellenschriften von Heraclus und Theophilus
beschreiben die Ölmalerei als solche ganz besonders. Es
würde hier zu weit führen, auf alle interessanten Details
der Bergerschen Arbeit einzugehen und werden wir wohl
darauf zurückkommen, wenn derselbe das ganze Arsenal
seiner wissenschaftlichen Beweise gesammelt publizieren

sollte. Auch der Fortsetzung der umfangreichen und
mühevollen Arbeit, welche die Techniken des X. bis
XVI. Jahrhunderts behandeln sollen, sehen wir nach dem
ersten vollendeten Teil mit besonderem Interesse entgegen,
weil es gewiß ist, daß durch die genaueste Feststellung der
Malart einer bestimmten Zeitperiode Schlüsse nach vor- und
rückwärts gezogen werden können, die auf die eingangs
gestellten Fragen vielleicht die erwünschten Antworten
geben dürften. Bevor wir vom historischen auf den modern
technischen Teil der Ausstellung übergehen, sei noch die
Sammlung von echten altägyptischen Malereien ans
Mumicnsargdeckeln und Mumienhüllen erwähnt, ebenso
die Kollektion antiker Reste von Malerei aus Rom und
Pompeji, einiges antike Malgerät und last dut not
lenst etliche aus der Purpurschnecke entnommene Farben-
proben, welche unser „jüngster" Kunstforschcr kürzlich in
Neapel gemacht und die unseres Wissens hier zum ersten-
male einem größeren Kreise zugänglich gemacht werden.

Die modernen Techniken sind in allen Zweigen ver-
treten und es sind hauptsächlich die als Ersatz für
Fresko neuerfundenen oder teilweise schon eingebürgerten
Methoden, die den Fachmann interessieren dürften: die
Keimsche Mineralmalerei für Wand- oder Leinwand-
fläche, Kasein-Farben, Temperas u. s. w., auch die Fuchs-
Schlcttauersche Stereochromie, das Vorbild der sehr ver-
besserten Keimschen Mineralmalerei ist in einem Exem-
plar vorhanden, nicht zu vergessen eine prächtige von
Prof. R. Seitz gemalte Platte auf sogen. Schneiderschen
Grund in einer von ihm kombinierten Technik. Für dem
Auge entfernt gelegene Wandflächen dürfte auch die von
Prof. Ulke erfundene Lithokaustik auf gebrannten Ziegeln
eine Zukunft haben.

Die Öl- und Temperatechnik für Staffeleibilder
würden noch einer besonderen Besprechung bedürfen, doch
können wir mit Rücksicht darauf, daß ja die meisten aus-
übenden Künstler eigene Erfahrung genug besitzen, um
das Gute von dem Besseren zu unterscheiden, darauf
verzichten; aber selbst die neue Tempera, welche von
Baron Pereira nach einigen alten Rezepten bereitet
wird, ist, soviel wir aus dem Katalog ersehen, schon
veraltet, es finden sich neuere und neueste Erfinder, welche
die malende Welt mit ihren Farbenmitteln beglücken und
goldene Berge für — sich versprechen; hier seien nur
einige erwähnt: Friedleins Emulsionstempera, Fried.
Beckmanns „Syntonos"-Farben, Professor Gussows
schwefelsaure Thonerd - Farbe u. s. w. Wahrhaftig! es
scheint, die Herren Erfinder und Farbenfabrikanten haben
die besten Absichten und wollen uns die Arbeit erleichtern,
man hat weiter nichts mehr zu thun als — Bilder malen.

Interessenten von Glas- und Porzellanmalerei seien
auf die Utensilien und Zusammenstellungen von Glas-
bildern in den verschiedenen Ausführungstadien aufmerk-
sam gemacht, ebenso auf die sehr lehrhafte Sammlung
von Farbenrohmaterial, welche vom kgl. bayerischen
mineralogischen Kabinett beigestellt wurde.

Selbstverständlich finden sich noch alle auf Malerei
bezughabenden Malgerätschaften, Pinsel und Farben der
namhaftesten Fabriken Deutschlands in überreicher Anzahl
vor und sei noch schließlich auf den äußerst instruktiven
Katalog aufmerksam gemacht, in welchem die technische
Erfahrung einer großen Anzahl Künstler von Bedeutung
an den von ihnen ausgestellten Objekten zum allgemeinen
Besten verzeichnet ist. L. IV.
 
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