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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Hann, P.: Das Kunstgewerbe auf der Kolumbus-Weltausstellung in Chicago, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0443

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252

Die Kunst im Hause.

königlichen Porzellanmanuiaktur, einer
Rokokorampe mit Doppeltreppe, die mit ko-
lossalen, dekorierten Basen geschmückt ist,
während der Pavillon selbst die kerrlichsten
gemalten Porzellanplatten aufweist. Rechts
davon ist, zu Vergleichen herausfordernd,
die Meißner Ausstellung. Sie zeigt die be-
kannte vollendete Ausführung und feine
Farbentönung an ihren Objekten und wird
beständig von einer entzückten und die
Vasen, Krüge und Aufsätze gefährdenden
Menge umlagert. Doch zu einer besonder»
Kraftanstrengunq sah sich Meißen nicht ver-
anlaßt, und ich kann über nichts Außer-
gewöhnliches berichten.

Fein und zierlich sind die kleinen Zinn-
und Glassachen, Kerzenweibchen, Pokale,
Punschbowlen :c. von Anton Schreiner in
Nabburg (Baiern), die Schmiedeeisen gegen-
stände von Kölbc, Stumpf, Kirsch, Liebiq
(München),Brechenmacher,HammerausFrank-
fnrt), Kaiser (Leipzig), Köckert (Dessau).
Überhaupt steht die diesmalige Ausstellung
für Zimmerschmuck unter dem Zeichen des
Schmiedeeisens, das der Goldbronze und
den gemalten Porzellansächelchen entschieden
Eintrag zu thun beginnt. Zwei Münchner
Möbeltischler verdienen den Preis für künstler-
ische Speisezimmer, nicht nur in der deut-
schen Abteilung, sondern im ganzenJndustrie-
palast, davonzutragen. Sie können es mit
der vielbewunderten Nachbildung der Bankett-
Halle von Hatfield House, die Hampton and
Sons in der englischen Abteilung auSstellen,
aufnehmen. Der eine ist Neubauer, dessen
altdeutsches Eßzimmer besonders stilgerecht
erscheint, der andre Simon Schneller,
dessen Kloster-Trinkstube in deutschem Re-
naissancestil ein wahres Juwel der Möbel-
tischlerei genannt werden muß. Wie be-
greiflich erregen in der deutschen Abteilung
die drei Zimmer König Ludwigs I. allge-
meines Aufsehen. Besonders der Audienz-
saal ruft die lauteste Bewunderung wach.
Obzwar die Räume ziemlich dunkel sind,
wird doch niemand Lenbachs Skizzen, welche
die Wände schmücken, ohne Entzücken sehen
können.

Wie in der Kunsthalle hat Österreich auch
im Jndustriepalast eine sehr kleine, aber
mit auserlesenem Geschmack geordnete Aus-
stellung einaeschickt. Die erste Reihe nehmen,
wie billig, Lobmeyers unvergleichliche Glas-
waren ein, die, seit der Berliner Ausstellung,
wenn möglich noch an künstlerischer Vollen-
dung gewonnen haben. Ornamente, wie mit
Feenfingern hingehaucht, Formen von ent-
zückender Schönheit. Auch muß das ameri-
kanische Publikum Geschmack genug haben,
um dies würdigen zu können, denn an
vielen der Gegenstände prangt das magische
Wörtchen „solä". Porzellan, Terrakotta,
Majolika und Email, ob nun bei Wahliß
in Wien, Stellmacher oder Urbach in Tep-
litz, Eichler in Dux zeigen den Geschmack
und Stilgefühl fördernden Einfluß des Ge-
werbemuseums am Stubenring. Die kleinen
Bronzen von Schwarz, Stiaßny, Waschmann,
die Kunstmetallwaren von Milde, Ludwig,
Nehr erhalten sich auf der alten Höhe ihres
Rufes.

Sehr schön hat auch die Tiroler Glas-
malerei-Anstalt ausgestellt. Ihre Kirchen-
fenster zeigen einen Farbenschmelz und eine
seine Abtönung, die den Besuch der drückend
heißen Galerie, in welcher sie aufgestellt
find, lohnend machen.

Äußerst reichhaltig ist Italiens Abtei-1
lung. Die Glasfabrik in Murano stellt
Waren ans, darunter eine dunkelblaue Vase
mit weiß-grauen Ornamenten, die Alt-!
Venedigs Ruhm wachrufen, Tenca in Mai-!
land herrliche Spiegel in Porzellanrahmen, ^
die Majoliken, ob sie nun von Botazzi in
Turin, Fabri in Rom, Galleano in Genua
oder Torelli in Florenz kommen, zeigen
alle Stilgefühl und Farbenpracht. Sehr!
fein sind die elfenbeinerngelegten Möbel von !
Modenato, Rosst (Venedig). Ihre zierlichen
Skulpturen haben die Italiener zum größten
Teil nicht in der Kunsthalle, sondern im
dlanukacturer s LuiläinA aufgestellt. Sie
haben nichts von ihrer alten Lebenswahr-
heit, nichts von der souverainen Behänd- !
lung des Materials eingebüßt. Die her-
vorragendsten unter den Ausstellern.. sind
Andreoni (Rom), Vichi (Florenz). Über-
raschend schön sind die Bronzen von Pan- ^
diani in Mailand und Calvi in Rom.

Die vollendetsten Gold- und Silber- !
schmiedeartikel muß man in der russischen
Abteilung aufsuchen. Die Tauschier- und
juweleueinaelegten Arbeiten zeigen eine j
Höhe der Technik und eine Feinheit der Be- z
Handlung, die kaum Übertrossen werden
könnten.

Die Schweiz hält ihren alten Rus in der
Holzbildhauerci fest. Die beiden Schmiediger
in Brienz, die Schule für Bildhauerei in
derselben Stadt, um nur einzelne aus der
ganzen Reihe vortrefflicher Holzschnitzer her-
auszugreifen, schickten köstliche Sachen ein.

Sehr kläglich, so daß es als Demon-
stration gegen das Mac Kinkel) Gesetz er-
scheint, ist die englische Ausstellung beschickt.
Hätten von den altberühmten Silber- und
Goldschmieden nicht wenigstens John Wells
in London einige Gegenstände großen Stils
ausgestellt, wären Worcester und Doulton
nicht mit den herrlichen Erzeugnissen ihrer
Porzellanfabriken vertreten, dann könnte
von einer Kunstgewerbeausstellung Groß-
brittaniens in Chicago überhaupt garnicht
die Rede sein.

(Ein zweiter Artikel folgt.)

AuK verwandten Keilschriften.

o. Z. Tas 6. Heft der „Gewerbehalle" zeigt
auf einer Tafel reizvolle Zierleisten und Vignettcn-
Kompositionen von L. Hellmuth-Ansbach, in der bei
ibm zur persönlichen Eigenart gewordenen Formen-
sprache vegetabiler Ornamente, während Hans Kauf-
mann-München in dem Schema der Wandkalender
auf zwei Tafeln etwas zu lebendige Skizzen für die
Bemalung einer Fassade bringt — leider etwas zu
sprudelnd nnd unruhig. Ter von R. Hinderer-
Stuttgart entworfene Zierschrank würde bei seinem
sonst so nettbescheidenen Aufbau viel ansprechender
sein, wenn der Verfasser sich den turmartigen Ab-
schluß geschenkt hätte. — Im 9. Heft des ..Kunst-
gewerbchlattes" spendet Pros. vr. Krell-München
eine Studie: „Die Pflanze in der dekorativen Kunst",
um eine umfassendere Nutzbarmachung der heimischen
Flora zugunsten des Kunstgewcrbes zu erstreben.
In einem Aufsatz: „Barock- und Rokokodekorationen"
wird auf das überaus reiche Vorbilder-Material der
Schlösser Schleißheim, Ansbach, Bruchsal und
Würzburg, von welchen treffliche Lichtbruckpubli-
kationen und Photographien in den Handel gebracht
sind, verwiesen. — Tie „Architektonische Rundschau"
weist in ihrem 8. Heft nur ein Blatt ans, das für die
Kunst im Hause Jutereffe beansprucht: ein ziemlich
malerisch gehaltener Entwurf zum Schlafzimmer der
Dame in einem Schlößchen Tirols von den Archi- ^
tekten Zaar und Vahl-Berlin. Hätte der „Frau des
Hauses" in ihrem Schlößchen kein besserer Raum
als der unterm Dache angewiesen werden können? —
bei den kleinen Fenstern muß das Zimmer im Sommer
ja der wahre Schmorkasten sein. — Julius Faul-
wasser hat im Juniheft der „Zeitschrift für Innen-
dekoration" einen gut illustrierten Artikel über
moderne Treppenanlagen, wie solche speziell in den

letzten Jahren in monumentalem Stil in Berliner
und anderen Neubauten zur Ausführung gelangt
sind. Professor F. Luthmer-Frankfurt a. M. giebt in
einem größeren Aussatz: „Ein Wort über architek-
tonische und mobile Dekoration — mit ersterer ist
Fußboden, Wand, Thür. Fenster, Decke u. s w.. mit
letzterer der bewegliche Schmuck an Möbeln. Bildern,
Draperien u dergl gemeint — beherzigenswerte
Winke und Unterweisungen, die in bester Absicht den
vielen Überschreitungen und häßlichen Auswüchsen
in unseren Wohnungsausstattungen entgegensteuern
wollen. Von den zahlreichen guten Vorbildern sind
besonders die von der berühmten Firma A. Bemb6-
Mainz entworfenen und ausgeführten Interieurs,
sowie eine flott gezeichnete Tbürdekoration vom
Architekten van de Sandt zu nennen. — Tie „Zeit-
schrift des baherischen Kunstgewerbe-Vereins München"
bringt im Doppelheft 5 u. 6 den Schluß des im
1. u. 2. Heft begonnenen Abdrucks eines geistreichen
Vortrages : „Über Trophäen" von Prof. vr. Max
Haushofer-München, allen denen warm zu empfehlen,
die in ihrer krankhaften Tekorationssucht mit Waffen
und ähnlichen Dingen sich oft recht schwer ver-
sündigen. Ein silberner Tafelleuchter von ^ Harrach
u. Sohn-München, ein Schautisch für Münzen von
Prof Neumeister-Karlsruhe, ausgeführt von O.Fritsche-
München, ein überreiches Grabgitter nach Entwurf
von Prof. Fr. Brochier - Nürnberg, ausgeführt von
P. Liebig - München verdienen unsere besondere
Aufmerksamkeit. Besonders lehrreich ist der vor-
zügliche Aufsatz: „Japanische Möbel" von Prof.
Or. I. Lessing-Berlin mit Illustrationen, in welchem
der bekannte Gelehrte hoch sachlich für die einfache,
konstruktive Form, ohne architektonischen Ballast,
unserer Gebrauchsmöbel eintritt. Fußend auf dem
gesunden Schönheitssinn und vernünftigen Bedürfnis
der Japaner fordert Lessing die Übertragung gewisser
Grundzüge japanischer Möbel: Einfachheit. Raum-
ausnutzung, Verrückbarkeit, Aufgabe hinderlicher
Schnitzereien und Zierraten zugunsten des Flächen-
dekors. — Reiches Vorlagenmatcrial, teils direkt
verwendbar, für das gesamte Kunstgewerbe und die
! häusliche Kunst bietet das 2. Heft der „dekorativen
Vorbilder". Ich nenne nur die Rokoko-Kartusche
von Johanna Beckmann-Berlin und die Tierstücke
von Prof. G Sturm-Stuttgart — Tie „Liebbaber-
künste" hringen neben vielen nützlichen Winken eine
Anleitung zu der wirkungsvollen russischen Lack-
! Malerei mit Abbildungen eines Tischchens und feiner
Einzelheiten, sowie ein Blatt leckerer Puppenmöbel
^ iür Holzbranddekor. — Ans den „Blättern für
Architektur und Kunsthandwerk" verdient Tafel 53
des Juniheftes : Blick in die Diele (Treppen-Vorflur)
im Landhause Lutz-Steglitz vom Architekten Otto
Rieth-Berlin anerkennend hervorgehoben zu werden.

Verantwortlicher Redakteur dieser Abteilung:
Dtto Schulze in Köln.

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Redaktionslchluß 22. Juli. — Ausgabe 5. AuguK.

llnhalt des ZweiundIwanziysten Bestes:
Tert: Friedrich Pecht. Die Jahresausstellung
1893 der Künstlcrgcnossenschast zu München (ll).
— C. W. Tie Ausstellung für Malteckmik im kgl.
Glaspalaste zu München. — Benno Becke r. Tie
Ausstellung der Secession in München. — Personal-
und Ateliernachrichten rc. rc. — Die Kunll im
Hause: C. v Braunmühl. Der Hausfrau Leinen-
schrank (Schluß) — P. Hann. Das Kunstgewcrbe
auf der Kolumbusausstellung in Chicago. — Aus
verwandten Zeitschriften rc. rc. — Ditderbeilagen:
A. Wagner. Aus maurischer Zeit. — Arthur
Kampf. Rede Friedrichs des Großen an feine
Generale nach der Schlacht bei Kunersdorf. — I.
Rosen. Halt!

Verantwortlicher Redakteur: Fritz Schwartz. — Druck der Bruckniann'schen Buchdruckerei in München.
 
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