Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Die Jahresausstellung 1893 der Künstlergenossenschaft zu München, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0445

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Iahresausstellung ^8AZ der Künstlergenoffenschaft zu München.

auffallender als je zuvor, da sich kaum ein
paar Nachzügler der antikisierenden Richtung
mehr finden, die jungen Talente aber
samt und sonders abgefallen sind. Selbst die
Dresdener Schule unter Hähnelund Schilling
ist nur durch den letzteren vertreten, dann
durch den Wiener Otto König und etwa
den trefflichen Tautenhayn, dessen reizendes
Relief vom Urteil des Paris — weit-
aus das Schönste, was in dieser Art vor-
handen — in seiner naiven Liebenswürdig-
keit doch weit mehr an die italienischen
Quattrocentisten wie Ghiberti u. a. erinnert.
— Die Berliner dieser Richtung aber sähe
man zum Teil fast lieber gar nicht. —
Wie große Thätigkeit aber die Bildhauerei
trotz der Ungunst der Zeit entfaltet, erfährt
man am besten daraus, daß ihre Werke
nicht nur zwei große Säle und das riesige
Vestibül füllen, sondern auch noch aus-
reichten, eine Menge Bildersäle mit kleineren
Arbeiten zu zieren. Natürlich sind bei der
schweren Transportierbarkeit dieser Gegen-
stände die fremden Nationen schwächer ver-
treten, doch ist uns gerade ans England
die bedeutendste Arbeit jener naturalistischen
Richtung zugekommen, der offenbar jetzt die
Zukunft, wenn nicht schon die Gegenwart
gehört: Fords Denkmal des unglücklichen
Dichters Shelley, den er mit großer Meister-
schaft gerade so darstellt, als wenn der
Leichnam des so früh Ertrunkenen eben
von der Flut ans Land getrieben worden
wäre. Da ist der nackte Körper des Jünglings
aber mit solcher Feinheit in seinen edlen
Formen wiedergegeben, daß man allen
möglichen Respekt davor haben muß, ob-
wohl man den gegen den Himmel zurück-
geworfenen, übrigens sehr geistvollen Kopf
kaum recht sieht, was denn beim Monument
eines Dichters doch ein arger Übelstand
ist und der Zufälligkeit seiner Todesart
nie hätte aufgeopfert werden dürfen. So
muß man es jetzt lediglich der am Posta-
ment sitzenden, sehr viel geringeren trauern-
den Muse des Gesanges entnehmen, daß
das ein Dichter war, der da oben liegt,
als ein Beispiel, wie gleichgültig die Natur
das Edelste wie das Gemeinste verbraucht.
Wie vorherrschend sich aber die naturalistische Plastik den porträtartigen Aufgaben widmet, kann
man am besten an der großen Zahl von Büsten und Denkmalen namhafter Männer sehen, die wir neben
unzähligen Privatmenschen hier in der Ausstellung treffen. So von Herrschern und Staatsmännern, neben
den selbstverständlichen Marmorbüsten des Kaisers und des Prinz-Regenten, von Rümann und Haut-
mann, noch eine wenigstens die Heldengestalt keineswegs glücklich wiedergebende Reiterfigur Kaiser Wilhelm I.
von Klein in Berlin, dann eine auch nicht sehr erfreuliche Marmorbüste Bismarcks von Kruse, ferner
einen Friedrich den Großen in seinen letzten Tagen geistvoll aufgefaßt von Magnussen, Prinz Ludwig
von Bayern von Bermann, Garibaldi echt italienisch pathetisch aber treffend von del Zotto in

PxrverM. von A. Richir.

Iahrcsausstellung I8SZ der Nünstlergcnoflenschaft zu München.
 
Annotationen