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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Becker, Benno: Die Ausstellung der Secession in München, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0470

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von Benno Becker.

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dem seine Kreaturen sich bewegen, selten, ganz selten ist er mit seinem Herzen dabei. Ganz unähnlich
dem barocken, stets persönlichen Raffaölli. Der guckt und sprudelt stets aus dem Rahmen heraus,
ein ewig beweglicher, jedem Eindruck zugänglicher Geist. Ob er das Gewühl der Straße malt, der eleganten
Welt, oder der Vorstadt, wo das Elend wohnt und die Armut, ob die Ruhe nach der Arbeit oder die
Porträts seiner Zeitgenossen malt,— alles durchdringt sein warmblütiges, quecksilbriges Temperament. Einen starken
Gegensatz zu ihm bildet Uhde. Auch sein Interesse, wiewohl es zuweilen in andere Gebiete hinüberschweift, gehört
vorwiegend dem Volke; doch nicht auf Augenblicksbilder, auf Existenzschilderung, auf das Ding, wie es ist,
kommt es ihm an, sondern es ist ihm nur Material für seine Nachdichtungen, Neudichtungen, für die Legenden,
die er erzählen will, schlicht und vornehm, aber eindringlich und rührend zugleich für den, der ihm folgt.
Und immer wieder tauchen neue Gestalten vor mir auf. Monet, der inbrünstige Naturanbeter, Zorn,

Selbstbildnis, von 6. von Habermann.

Internationale Kunstausstellung des Vereins bildender Künstler zu München ;89Z.

der geschmackvolle Virtuos, Carrisre, der Zauberer, und die schottischen Meister Mellevil le und Guthrie.
Jene talentvollen, abenteuerlichen Gesellen dann, die mit fabelhafter oft närrischer Technik geheimnisvolle,
schier unergründliche symbolistisch-allegorische Dinge zur Erscheinung bringen wollen. Der ganze Zug der
modernen Kunst stellt sich vor. Viele Ströme, große und kleinere, sehe ich, aber ich vermag das Meer, in
das hinein alle sich stürzen, nicht zu erkennen. Und wenn ich nach einer Einheit suche, nach einem Maßstab
für den Wert dieser mannigfaltigen Gebilde, so kann es allein ihre Wirkung sein, die ich abmessen muß an
dem gewaltigen Eindruck, den die großen Meisterwerke der Vergangenheit auf mich hervorgebracht. Das ist
ein Wertmesser, der allen zur Verfügung steht. Denn wohl jeder hat einmal schon unter dem Bann eines
jener Großen gestanden, unter jener zwingenden Macht, die erhebt und demütigt zu gleicher Zeit, beruhigt
und zerwühlt, zerschmettert und aufrichtet. Wer das ein einzigesmal nur gefühlt, der kennt die Macht der Kunst,
der trägt es unauslöschlich im Herzen und hat das Maß für immer.

Die Ausstellung der Secession weist all die mannigfaltigen Züge auf, die ich zu kennzeichnen versucht,
nur daß es, wie sich von selbst versteht, bei weitem nicht alles Individuen stärkster Prägung sind, die da
sprechen. Und von den Schwächeren muß gesagt werden, daß sie zuviel mit Gedanken und zu wenig mit den
 
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