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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 8
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Jähnig, Karl Wilhelm: Ein Jugendselbstbildnis von C. D. Friedrich
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0338

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PH. OTTO RUNGE, SELBSTBILDNISZEICHNUNG

DRESDEN, STAATLICHES KUPFERSTICHKABINETT

EIN JUGENDSELBSTBILDNIS VON C. D. FRIEDRICH

K. W. JAHN IG

~T\as Königliche Kupferstichkabinett zu Kopenhagen bewahrt
ein Selbstbildnis des jugendlichen Caspar David Fried-
rich. Nur wenige Deutsche werden dort das große prachtvolle
Blatt gesehen haben, und deshalb möchten wir es an dieser
Stelle einem großen Leserkreise bekannt machen.

Aus den Berichten der Zeitgenossen wissen wir, welch
großen Eindruck Friedrichs Wesen und äußere Erscheinung,
sein in seltener Reinheit ausgeprägter nordgermanischer
Typus auf seine Dresdner Umgebung machte. Das Bild seines
Äußeren ist uns von der Hand zahlreicher Künstler überliefert:
die Maler Böhndel, Peters, Lund, G. v. Kügelgen, Kersting,
Vogel von Vogelstein, Caroline Bardua, J. C Bähr, die Bildhauer
David dAngers, Tettelbach und G. Kühn haben seine Züge
nachgebildet. Kaum eins dieser Bildnisse aber erschließt das
geistige Wesen dieser Persönlichkeit; kaum eines geht über die
Wiedergabe seiner bürgerlichen Existenz hinaus. Nur Ker-
sting und Kügelgen haben versucht, mehr zu geben. Kersting
machte — sozusagen von außen her — das Puritanische, As-
ketische in Friedrichs Art sichtbar, als er ihn inmitten der
puritanisch nackten Wände seines Ateliers darstellte. Kügel-
gen betonte das Düstere, Grüblerische, verfiel dabei aber in
ein etwas theatralisches Pathos. Am besten wurde er ihm
gerecht, als er Friedrichs Kopf als Modell für seinen „Saul
und David" verwendete und wie in Vorahnung auf Fried-
richs Melancholie und Verfolgungswahn hindeutete.

All diese Darstellungen aber verblassen vor der Ein-
dringlichkeit der nahezu hellseherischen Persönlichkeitsschil-

derung, wie sie sich in dem Selbstbildnis des jungen Friedrich
offenbart. Dieses große Blatt, das 42,2X27,6 cm mißt, ist in
schwarzer Kreide ausgeführt. Die Formen, mit breiten, schraf-
fierten Strichen sicher modelliert, sind räumlich klar gegenein-
ander abgesetzt, und doch steht das Ganze weich im Lichte. Der
steile Aufbau läßt den Oberkörper männlich emporgereckt er-
scheinen, und das große, weitgeöffnete Auge ist mit angespann-
tem Blick auf das Objekt gerichtet. Auge in Auge mit sich selbst
steht der junge Künstler da, Gerichtstag haltend über sich selbst.
Die leidenschafterfüllte Wahrheitsliebe, die aus dem Blatte
spricht, läßt an die frühen Selbstbildnisse Dürers denken.
Auch für Friedrich war „Sehen des Menschen edelster Sinn",
und auch er war „inwendig voller Figur". Es ist überraschend,
wie nahe verwandt dieser Kopf des noch werdenden Men-
schen dem von Weisheit und Gelassenheit erfüllten Haupte
des in seiner Individualität endgültig ausgeprägten alten
Künstlers ist, den uns das Berliner Selbstbildnis zeigt. Kräf-
tig angedeutet ist auch bereits der starke Orbitalrand, der
in dem späten Bilde wie ein schützender Damm das tief
liegende Auge umgibt. In seiner an Beobachtungen reichen
„Symbolik der menschlichen Gestalt" gedenkt Carus, Anatom
und Psycholog in einem, dieser charakteristischen Eigenheit
des Friedrichschen Schädels: „Ausgezeichnete Maler haben
häufig diese starke Wölbung des Oberaugenhöhlenbogens,
und kaum habe ich sie stärker gesehen als bei meinem ver-
storbenen Freunde, dem Landschaftsmaler Friedrich, dessen
gegen Licht ausnehmend empfindliches Auge sich fast zu

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