Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0417
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Heft 10
DOI Artikel:Grossmann, Rudolf: Ausdrucksstudien bei den Irren
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nicht, weil wir traurig sind, sondern wir sind
traurig, weil wir weinen, behauptete seinerzeit der
Psychologe William James. Die Trauer bestand
für ihn nur in diesen Ausdrucksbewegungen.
Ein mir befreundeter Arzt zeigt die Anstalt.
Unser Weg führt einige Schritte ins Freie. Eine
Art Hinterhof — grüner Rasen steigt an mit laub-
kommt auf uns zu. Er geht mit Haltung wie ein
Vornehmer. Trägt einen Strohhut, dem der Rand
fehlt, und merkwürdig, sein schwarzer Anzug ist
an der Naht aufgetrennt, liegt in zwei Teilen auf
der Unterkleidung, die hindurchsieht. „Herr Dok-
tor, Sie verzeihen, es wäre an der Zeit, daß ich
endlich wieder einen neuen Anzug bekäme." Er
KUPFERSTICH VON HONDIUS NACH P. BRUEGEL, TANZENDE IRRE
t:
i
losen Bäumchen. Dazwischen stehen in fast gleichen
Abständen ein paar Kranke, wie Schachfiguren —
unbeweglich, in sich versunken, mit nicht mehr
Eigenleben wie die Stämme. Schemen, Verkramp-
fungen! Draußen fällts noch mehr auf wie im
geschlossenen Raum. Wir scheinen ihnen gleich-
gültig. Da, plötzlich löst sich einer vom Platz,
sieht entrüstet an sich herunter. „Außer diesem
Rubin merkt man nichts von meinem Besitz!" Er
weist auf die Hand, um deren Mittelfinger er ein
rotes Bändchen gewickelt hat. Diesen Protest leiert
er immer schneller herunter, mit allen möglichen
Verschönerungsvorschlägen seiner Person. — Wir
gehen weiter. Der Arzt erklärt: „Ein Großkauf-
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traurig, weil wir weinen, behauptete seinerzeit der
Psychologe William James. Die Trauer bestand
für ihn nur in diesen Ausdrucksbewegungen.
Ein mir befreundeter Arzt zeigt die Anstalt.
Unser Weg führt einige Schritte ins Freie. Eine
Art Hinterhof — grüner Rasen steigt an mit laub-
kommt auf uns zu. Er geht mit Haltung wie ein
Vornehmer. Trägt einen Strohhut, dem der Rand
fehlt, und merkwürdig, sein schwarzer Anzug ist
an der Naht aufgetrennt, liegt in zwei Teilen auf
der Unterkleidung, die hindurchsieht. „Herr Dok-
tor, Sie verzeihen, es wäre an der Zeit, daß ich
endlich wieder einen neuen Anzug bekäme." Er
KUPFERSTICH VON HONDIUS NACH P. BRUEGEL, TANZENDE IRRE
t:
i
losen Bäumchen. Dazwischen stehen in fast gleichen
Abständen ein paar Kranke, wie Schachfiguren —
unbeweglich, in sich versunken, mit nicht mehr
Eigenleben wie die Stämme. Schemen, Verkramp-
fungen! Draußen fällts noch mehr auf wie im
geschlossenen Raum. Wir scheinen ihnen gleich-
gültig. Da, plötzlich löst sich einer vom Platz,
sieht entrüstet an sich herunter. „Außer diesem
Rubin merkt man nichts von meinem Besitz!" Er
weist auf die Hand, um deren Mittelfinger er ein
rotes Bändchen gewickelt hat. Diesen Protest leiert
er immer schneller herunter, mit allen möglichen
Verschönerungsvorschlägen seiner Person. — Wir
gehen weiter. Der Arzt erklärt: „Ein Großkauf-
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