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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 4 (April 1928)
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Fritz, Ernst: Aus dem Roman ''Matthias Grünewald''
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0119

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08 ^

Aus bem Roman „MaLLHias Grünewald"

Bon Ernst Frih.

Lrstes Kapitel.

Eiir strahlend heller Herbstkcig geht liber dem lilei-
nen Dorfe am Fnsze des Wasgenwaldes zur Neige.
Der Alicli schweift von dem flaiiimenden Farben-
nieer Ler bewaldeken Höhenzüge über daä gefegnete
-Aheinlal hlnweg bis zii den in blaueni Diinsie däm-
meriideil Linien deä Schwarzwaldes.

Lautes Treibeu füllk daS Dorf, in welches der
strelfende Haufen der aufrührerischeii Bauern ein-
«zefallen isk. Aor der Kirchhofsmauer sind die Wagen
aufgefahreii, den struppigen Gäulen wird Futter ge-
reicht, wnhrend die Frauen des Trosses an grofzen
Feuern unter den Linden des Kirchplatzes braten
und lrochen. Die Buben balgen sich mit den Zunden,
und die Männer heben die vollen Fässer von den
Magen und rollen sie vor die Schenlre, wo ein Trupp
Bauern sitzt. Die Spietze und Morgensterne leh-
nen an der Mand: der Wein flietzt in Strömen, und
die Becher werden fleitzig geleert. Kuhhörner und
Blechgefätze finden sich neben herrlich gekriebenen
Silberbcchern. die früher anf einer Burg oder dem
gochaltar einer Abkei -gestanden haben mögen.

„gallo, weii bringen sie denn da?"

Zwei Bauern, den Spietz in der gand, stotzen
einen Mann vor sich her. „Er schlich um das Lager,
als wollke er spionieren."

„Dann latzt ihn balimeln."

„Er hat nach den gauptleiiten gefragt."

„So schleppt ihn rein." Sie zerren ihn am Arme
die steinernen Stufen hinan. Der Haufe drängt ihnen
nach. 2n der grotzen Wirksskube steht ein plumper
Tifch vor dem Kamin. Lin paar Lichker brennen
und verbreiten spärliche Helle. Auf Holzschemeln
sihen die Führer der Vaiiern uin Len Tisch, zinnnerne
Humpen vor sich.

Der Deckerhans von Ebersheim führt das Mork.
„Wer ist Ler Mann?"

„Er hat eS uns nicht gesagk, er wollte nur den
gaupkleulen Aede skehen."

„So sprich, Bursche!" Dieser bleibt stumm. „Sollen
wir dir das Maul aiifsperren? Wie heitzt du?"

„Sie nennen mich Makhis."

„Mer bisk du?"

„Ein Mensch."

„Da bist du auch was Rechkes."

„Ein Bauer."

„Das isk schon mehr. Zeig' deine Hände. Kerl, du
lügst. Skadlherren haben so feine Hände."

„lich nähre mich von meiner gände Arbeit."

„Ist nichk weik her damik, durch deine Backen pfeifk
der Wind. Merlr' dir, Geselle, am fettesken wird,
wer andere für sich arbeiken lätzk."

„gier, Alker, trinlr'." Ein dralles Mädchen reicht
ihm den Aecher. Gierig greift er danach und leert
ihn auf einen Zug. Taumelnd schreikek er dann zum
Tisch und seht den Becher nieder, .

,chch dnnlie dir, das war seit 'längem der erste
Trunk."

„Mv liommst du her", fragt der Zaupkmann weiter.

„Von wclt, vom Licht und vom Glück, von der
Saale zum Main, vom Main an den Ahein, bald
bin ich am Ziel."

Nachdruck verboten.

„Wo willst du hin?"

„Zu meinem Kinde."

„Wo hauset es?"

,chn Isenheim, im Kloster."

„Da bist du bei uns vor der rechten Schmiede,
morgen gehen wir auch nach Isenheim."

Noch bleicher wird sein Gesicht. Dann hebt er die
Zände gegen ste mit flehender Gebärde. ,chch bitte
euch, tut ihm nichks zu leid, es ist so 'gut."

„Sag', Kerl, ist's ein Mönch oder die Kuhmagd?"

„Lieb ist es zu allen Menschen."

„So wird es wohl Lie Kuhmagd sein. llst sie wirk-
lich lieb, wie du sagst, dann soll ihr nichts geschehen."

Da krikt das Mädchen wieder zu Mathis und legt
ihm die Hand auf die Schulter. „Komm', Alter, setze
dich zu mir auf die Bank."

„Satansweib", murrt ein junger Bauer, „den
Alten nimmt sie am Arm, und mich hak sie vorhln
gekcatzt, datz das Blut lief."

„Geschieht dir recht. Henner, die schwarze Lene hat
ihren eigenen Kopf."

Teilnahmlos sjtzt üer Alke in der Ecke am Kamin.
Wieder wendet sich der Hauptmann an ihn: „Sag',
Mann, wie skeht es um der Bauern Sache in dei-
ncm Lande?"

„Es ist dort wie hier."

„WaS willst du damit sagen?"

„Was ich denke."

„Kerl, wenn du frech wirst, hau' ich dir aufs
Maul."

Die Lene greifk nach deS alten Mannes Hand und
blickk ihm ins Gesicht. „Du brauchst nichk bange zu
sein, s!e kun dir nichts, ich schütze dich."

Mit müder Stimme ankworket er ihr: „Kind, die
Weiber bringen mir kein Glück und ich ihnen auch
nicht."

„Das mutzk du mir nachher erzählen."

Hätzliches Lachen springt an die Decke. „Die
schwarze Lene hört ihrem Liebsten heut Nacht die
Beichte."

„Mädel, nimm mich oder sonst einen jungen Bur-
schen, dann wird es lusktger.

Sie streckk ihm die Zunge heraus und drängt sich
enger an den Fremden. „Komm', trinke noch ein-
mal, aber nichl so hihig. And hier ist Brot und
Speck." Bissen um Biffen lätzt er sich von ihr auf-
nötiaen.

„Mas hältst du von Nom?", fragk die Stimme
des Deckerhans.

Mathis stühk den Kopf in die hohle Hand und mur-
melt leise vor sich hin: „Gokt wollke Sodom ver-
schonen, wenn auch nur ein Gerechker darin wohnte."

„Was hälkst du von Lukher?"

„llch kenne ihn nichk."

„Mann, bisk du aom Mond gefallen? Was sagt
mnn bei euch von Luther?"

„tzch weitz es nichk. äch hakke zu kun; da blieb für
anderes keine Zeik."

„Der Kerl ist verrückt."

„Oder er verstellk sich."

„Höre, Mann, wir sind für Luther."
 
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