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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Der Schnitzer des Rother Altars
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0225

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437

Nekrologe

438

einen Seile breiter gelegten Schleier und scheint ver-
härmt oder bereits verblüht. Den übrigen Merkmalen
des Rother Altars, die hier im wesentlichen wieder-
kehren, schließt sich ein neues an, das mit hohen
Augenbrauen weniger gelassen als etwas erstaunt da-
sitzende hübsche Christkind. Man mag die drei Heiligen
etwa ins vierte Jahrfünft des Jahrhunderts setzen.

Noch später wäre dann der kleine Sippenaltar
(Maria und Anna mit dem Kind sitzen auf einer Bank,
dahinter stehen Josef und Joachim; Abbildung im
Hohenz. Kunst-Denkm.-Inv. S. 301. Die Abbildung
bei Hebeisen im Gegensinn) in der Pfarrkirche zu
Veringenstadt entstanden. WieHebeisen mitteilt(S. 121),
sind 1515 drei Annenaltäre in der Pfarrei Veringen
errichtet worden. Ob freilich der unsrige, der eher
nach 1515 ausschaut, dazu gehört hat, ist damit
noch nicht gesagt. Das Kind gleicht durchaus dem
der Gottesmutter in der Haidkapelle.

Belangreicher, nicht als Kunstwerk, aber für die
wissenschaftliche Erkenntnis scheint der Rest eines
Altars in Oberschmeien (10 km von Sigmaringen),
nämlich ein Flügel, dessen innere Seite im Relief den
Erzengel Michael und dessen davon losgesägte ge-
malte Außenfläche den hl. Franziskus von Assisi dar-
stellt, wie er die Wundmale empfängt. Michael mißt
im Rahmen 1,19 zu 0,545 m, Franziskus 1,21 zu 0,54.
Der Erzengel allein ist 0,95 m hoch, etwa 0,33 m breit.
In der Rechten hält er das erhobene Schwert, in der
Linken einen Ring, das letzte Überbleibsel der Seelen-
wage. Er wird um 1505—1510 entstanden sein. Mit
dieser Entstehungszeit stimmt die gemalte Rückseite
überein. Der Maler hat sich an Dürers Holzschnitt
B. 110 nicht angelehnt, obwohl er ihn der Zeit nach
hätte kennen mögen. Sein hl. Franziskus gehört einem
anderen Menschenschlag an, als die Heiligen des Rother
Altars. Auf einem kräftigen Körper mit breiten Schultern
sitzt der kleine rundschädlige Kopf eines Stubengelehrten
Klerikers von engem Gesichtskreis. Er kniet mit aus-
gebreiteten Armen nach rechts gewandt und zum
Himmel emporblickend in einem getreu nach der
Natur wiedergegebenen felsigen, bachdurchströmten
Albtal. (Der einzelstehende, oben grünumwachsene
hohe Felsenkeil links erinnert an die Donaugegend
bei Inzigkofen etwa.) In der Höhe schwebt rechts
der Gekreuzigte mit Seraphflügeln. Aus seinen fünf
Wundmalen zieht sich je ein feiner Blutstrahn nach
Franziskus und läßt bei diesem die Wunde blutig auf-
brechen. Links sieht man hart vom Bildrand durch-
schnitten gerade noch ein Stück des Begleiters, der in
ein Andachtsbuch versunken dasitzt. Der Maler hat
sich zu der großartigen Mystik des heiligen Ereignisses
nicht erschwingen können. Immerhin ist es ihm ge-
lungen, im Gesicht des Heiligen die gläubige Hin-
gebung und ängstlich gespannte Andacht eines frommen
Seelsorgers auszudrücken. Wie die Körperform, so
weicht auch die Faltenbildung von der des Rother
Altarschreins ab. Auf dem Franziskusbild sehen wir
breite ruhige Gewandflächen (an Schenkel und Knie)
und röhrenartig verlaufende Längszüge, die nur von
kleinen Knitterfalten mit eckigen Augen durchquert
werden. Wenn die bildnerische Seite der Tafel, der

Erzengel Michael, als Werk des Bildnermeisters vom
Rother Schrein richtig bestimmt ist, so wird man am
Ende das Gemälde der Rückseite, den hl. Franziskus,
als Arbeit des Hans Strüb ansprechen dürfen. Die
entscheidende stilistische Vergleichung mit dem be-
zeichneten Bild auf dem Rücken des Rother Schreins
läßt sich aus räumlichen Gründen, wie gesagt, im
Augenblick nicht durchführen. Das Altarbruchstück
ist 1824 durch Schenkung eines Privatmanns in die
Kirche zu Oberschmeien gekommen. Wo es ursprüng-
lich war, ist unbekannt.

In derselben Kirche stehen zwei Rundfiguren, die
Apostel Petrus und Paulus (1,19 und 1,10 m hoch).
Sie stammen gleichfalls aus dem Anfang des 16. Jahr-
hunderts. Auch ihre Herkunft ist ungewiß. Stilistisch
sind sie drei, einige Jahrzehnte älteren, Heiligenge-
stalten der Kirche in Veringenstadt verwandt, dem
Täufer, Nikolaus und Petrus (zwei davon bei Heb-
eisen abgebildet).

Es wäre nicht unmöglich, daß der Flügel in Ober-
schmeien den Rest eines für Inzigkofen oder Laiz ge-
arbeiteten Altars bildete.

Über diese und andere Fragen wird uns wohl das
Buch belehren, das der Landeskonservator Laur als
berufener Mann und der beste Kenner der hohen-
zollernschen Plastik mit einem sehr reichen Abbildungs-
stoff bald veröffentlichen wird. Den schwäbischen
Kunststädten werden sich dann zwei neu anreihen:
Veringen und Trochtelfingen. F. R.

NEKROLOGE

Karl Jutz, der halbvergessen am 31. August in Pfaffen-
dorf bei Koblenz starb, in das er krankheitshalber von
Düsseldorf übergesiedelt war, hätte einerder ersten deutschen
Tiermaler werden können, wenn nicht äußere Verhältnisse
und eine zu geringe Widerstandskraft gegen die Ver-
lockungen des Kunsthandels, der am Rhein nur zu häufig
als reines Erwerbsgeschäft betrieben wird, seine Entwick-
lung gehemmt hätten. In den sechziger Jahren malte Jutz,
der durch minutiös-unkünstlerisch durchgeführte Bildchen
von Geflügelhöfen berühmt geworden ist, Bilder von
kämpfenden Hähnen in wilder Bewegung und ähnliche
Motive, auch Landschaften in intimer Auffassung, von
prachtvoller Glut der Farbe und einer breiten und freien
Pinselführung, wie sie in Düsseldorf selten war. Es scheint,
daß der Künstler damals unter dem Einfluß des Geflügel-
malers Gustav Süß stand, desselben Künstlers, dem man
das »Märlein von der Nachtigall« verdankt, jener Holz-
schnittfolge, die zum Besten gerechnet werden muß, was
die deutsche Illustration des 19. Jahrhunderts hervorgebracht
hat. Jutz hatte das Zeug zu einem Hondekoeter und wurde
nicht einmal ein Landseer (dem er in der Vorliebe für
anekdotische Belebung der Tierwelt nahe steht). Aus
seinem Nachlaß wird wahrscheinlich noch Wertvolles aus
der Frühzeit zum Vorschein kommen. In vielen Galerien,
besonders in der Karlsruher Kunsthalle, sind Werke des
am 22. September 1838 in Windschlag in Baden geborenen
Künstlers, die ihn aber nicht von der besten Seite ver-
treten. Der Landschaftsmaler Karl Jutz d. J., dessen Tod
auf den Schlachtfeldern Rußlands im September 1915 hier
mitgeteilt wurde, war sein Sohn. — Ein anderer Veteran der
Düsseldorfer Malerschule, Heinrich Deiters, starb im Alter
von 76 Jahren am 29. Juli. Einst ein Schüler des zu Unrecht
vergessenen, bedeutenden Romantikers Alexander Michelis,
 
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