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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Mielke, Robert: Die Ausstellung für Wohnungs-Einrichtungen in Berlin, [1]
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Vie AuKstcllilng für Woljnungp-
Llnrichtungrn in Berlin

von Robert Mielke (Berlin)

ie Berliner Möbelfabrikanten können
sich nicht beklagen, das; es ihrem Nach-
wuchs in Berlin an Gelegenheit fehle, sich
für den Beruf künstlerisch und technisch aus-
zubildcn. Neben einer Fachschule giebt es
fast bei jeder der zwölf Fortbildungsschulen
Spezialkursc sür Kunsttischler, ganz zu ge-
schweigen von den mit dem Kgl. Kunstge-
werbemuseum und der Handwerkerschule
verbundenen Fachklassen. Wenn also auf
einer Möbelausstellung das Mittelgute, wenn
nicht gar das Schlechte, so überwiegt wie
bei der jetzigen im Berliner Landesaus-
stcllungspalast', dann müssen dem wohl

ganz besondere Ursachen zu Grunde liegen.
Wir wollen hier nicht versuchen, dieselben
ausfindig zu machen, Thalsache ist es aber,
daß auf dieser, mit so viel Zuversicht ins
Werk gesetzten Revue von wirklich Gutem
nur wenig zu sehen ist. Darüber können
uns auch die Vorzüge, die dem Berliner
Tischlergewerk eigen sind, nicht hinweg-
täuschen ; sie können es um so weniger, als
das ganze Arrangement das denkbar un-
günstigste ist. Um. nicht das wenige Gute
auch noch in dem Übermaß von Dekoration
und dem jahrmarktähnlichen Zusammenstellen
zu übersehen, muß man schon die Augen
offen haben. Dann wird man aber auch
auf manche Leistungen stoßen, die für die
Zukunft das Beste boffen lassen.

Vorzugsweise sind es zwei Strömungen,
die sich in der Berliner Möbeltischlerei unter-
scheiden lassen. Die eine und zwar die
stärkere kann noch immer nicht die architek-

tonischen Ginflüsse überwinden, die dadurch,
daß die ersten und vornehmsten Lehrer in
Berlin dem Architektenstande angehörtcn,
die Kunsttischlerei in eine, für Möbel durch-
aus nicht geeignete Strömung drängten
und vielfach zu einer weit über die bei
Möbeln erlaubten Schwere und Unbeweglich-
keit geführt haben. Ganze Häuserfasjaden,
Thore, Triumphbögen, Säulenstellungen
u. s. w. zeigen sich dem erstaunten Blicke,
der diese schwülstige Architektursprache am
allerwenigsten an beweglichen Möbeln sucht.
Daneben läuft eine entgegengesetzte Strö-
mung, die mit dem konstruktiv Zulässige»
die gewagtesten Saltomortales treibt. Sollte
man ihren Vertretern Glauben schenken,
dann müßten die heutigen Menschen rein
ätherische Geschöpfe sein, die gleich Elscn-
gestalten durch die
Stübchen schweben,
sicherlich ein poetischer
tvedanke; leider konnte
aber der kn cke siede-
Mensch das ihm von
Natur gegebene mehr
oder minder hohe
chwergewicht bisher
nicht loswerden, und
so muß er notge-
drungen auch an die
Tragjähigkcit eines
Sessels oder Tisches
bestimmte Anforde-
rungen stellen. Beiden
Richtungen gemeinsam
ist aber die Vorliebe
für einen Reichtum de-
korativer Zuthaten, der
häufig ermüdet, bis-
weilen aber auch mit
der Aufgabe eines Mö-
belstückes in schroffstem
Widerspruche steht.
Das Dekorative ist
überhaupt ein charakte-
ristisches Merkmal der
Berliner Kunsttisch-
lerei, dem gegenüber
ein ihr besonders eigen-
tümlicher Vorzug, das
Geschick sür har-
monische Farbenzu-
sammenstellungen, nur
wenig ins Geivicht fällt. Es sind wohl An-
zeichen vorhanden, die auf das Bestreben,
aus dem landläufigen Phrasen- und Stil-
geschwulst herauszukommen, Hinwegen: sie
sind aber einerseits noch zu unsicher tastend,
anderseits aber reichen solche Einzelleistungen,
auf die wir zurückkommen werden, nicht
aus, um das ganze Niveau anders zu ge-
stalten.

Tadelnswert ist eine unbegreifliche Vor-
liebe, von der selbst hervorragende Meister
nicht ganz freizusprechen sind, für recht auf-
fallende Sonderbarkeiten. Bei der mit dieser
Ausstellung verbundenen Konkurrenz zur
Erreichung einfacher und schöner Wohnungs-
einrichtungen tritt diese so deutlich hervor, daß
es sich weniger um einen solchen Wettkampf,
als um einen von SUtsamkeiten und
Bizzareuen zu handeln scheint. Selbst vor
stilistischen Lügen schreckt man dabei nicht
zurück. Wir sahen z. B. einen kommode-

artigen Schrank, dessen Kästen nach den
Seiten hin aufgezogen werden mußten,
während die Vorderseite vollständig als
Schubkastenfront behandelt war. Noch andre
Wunderlichkeiten konnte man sehen, Bett-
stellen mit ausziehbaren Wiegen, sonderbar
geschweifte Konturen, Zusammenbringung
von Politur und Oeljarbe auf derselbe»
Fläche, derb kontrastierende Hölzer u. dgl.
Neben diesen Verirrungen liegen aber
viel Anzeichen vor, die dafür sprechen, daß
die Berliner Möbelindustrie in einem für
sie günstigen Umwandlungsprozeß begriffen
ist, sür welchen die Ausstellung vielleicht
von großer Bedeutung werden kann.

Diese Anzeichen sind in der vorzüglichen,
bis ins einzelnste gehenden Ausarbeitung,
mit der die meisten Möbel gearbeitet sind,
in der vorurteilslosen Wahl der Hölzer,
in der für Berlin ziemlich neuen Technik
der Metall-, Holz- und Elfenbeininkrustation
zu finden. Bon dem Mahagonie scheint
man im allgemeinen zurückzukommen, wie
uns scheint, mit Unrecht, da nur wenig
Hölzer eure solche schöne natürliche Zeichnung
besitzen und auch kein Holz mit der Zeit eine
so angenelnnc Tönung erhält, als dieses. Bei
dem Jmmerspärlicherwerden des Holzes ist
es ein dankbarer Versuch, den Ehr. Bor
unann mit dem verwandten Neu-Guinea
Holz gemacht hat, der vielleicht für Luxus
möbel bedeutungsvoll sein kann. Eine»
großen Teil der Erbschaft hat neben Eichen
das charakterlose, indifferente Nußbaum an-
getrcten, dessen größter Fehler, das Blind
werden der Politur nach einiger Zeit, nicht
vor der Anwendung im größeren Maßstabe
zurückhält. Daneben erfreut sich aber auch
Tannen-, Birken-, Pflaumen- und Amarant
Holz besonderer Wertschätzung.

Am unsichersten zeigt sich die Berliner
Möbelindustrie in der Siilfrage. Es scheint,
als ob sie hier den auf anderen Gebieten
gemachten Bersuchen vorsichtig nachtauct.

! Dadurch ist so etwas wie Stilfexerei hinein-
gekommen, das nur da nicht zu spüren ist,
wo man vor allen Dingen das Wohnliche
und Praktische im Auge behielt. Das Gesamt-
i bild der Ausstellung ist solchergestalt ein
möglichst buntes geworden, das aber dadurch
zugleich die Unselbständigkeit dieses Kunst-
gcwerbezweigs auf das Schlagendste beweist.
Wie überall, so zeigt sich auch hier, daß die
besten Leistungen da zu finden sind, wo der
strenge Stilcharakter am wenigsten gewahrt
ist.

Nach diesen mehr allgemeinen Betrach-
tungen können wir uns nun den Einzel-
leistungeu zuwenden, die durch Geschmack,
Wohnlichkeit und Originalität hcrvorragen.
Es sind ihrer nicht allzuviel, aber diese
wenige verdienen es, daß sie besonders her-
vorgehoben werden. An der Spitze der
ganzen Ausstellung steht der Kunsttischler
E R Fahnkow, Wasserthorstraße 9, mit
einem kombinie, len Speise-und Wohnzimmer,
einem Schlaf- und einem Toilettenkabinet,
die für die ländliche Wohnung einer Schau-
spielerin bestimmt sind. Derselbe bedient
sich für das erstere der Renaissancesvrmen,
indem er sich bei dem Speisezimmer an die
Zeit der französischen, bei dem erkerartig
angefügten Wohnzimmer an die der italie-
nischen Renaissance anlehnt, eine äußerst

Schlafzimmer, von E. R. Fahnkow in Berlin
 
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