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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Mielke, Robert: Die Ausstellung für Wohnungs-Einrichtungen in Berlin, [2]
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Die Aufstellung für Wolfnungs-
Linrichrungen in Berlin

von Robert Mielke (Berlin)

(Schluß)

?>ie Renaissance ist im übrigen nicht immer
^ mit Glück angewandt; wie schon vorher
gesagt, hat sie vorzugsweise zu einer für Mö-
bel überraschenden Schwerfälligkeit verleitet.
Sehen wir von einzelnen Möbeln ab, so ist
eigentlich nur das von Ferd. Vogts LCo.,
Charlottenstraße 23, ausgestellte Wohn- und
Schlafzimmer zu erwähnen, elfteres in den
kräftigen Formen der deutschen Renaissance,
letzteres in einem Stil, den man vielleicht
am besten als Vermischung der niederlän-
dischen Renaissance mit dem von England

! Anerkennung, die ihrem reizvollen Erker
allerseits gezollt wird. Leider kommt die
wirklich bewundernswerte Arbeit eines
kleinen, von Architekt Hoffacker, ent-
worfenen, Schränkchens nicht zur rechten
Würdigung, da dasselbe zuweit im Hinter-
gründe hängt. Mehr als andere hat ge-
rade diese Firma mit der Ungunst des
Raumes zu kämpfen, die sie zu dem bedauer-
lichen Zusammendrängen der heterogensten
Stile veranlaßt hat; diesem ist es zuzu-
schreiben, daß ein von Baurat Meckel ent-
worfenes Fauteuil mit seinen edlen modern-
englischen Formen fast gar nicht zur Geltung
gelangt. Gotisierend könnte man vielleicht
auch das vornehme Interieur nennen, das
H. Sch wartzenhauer, Lützowstraße 91-,

Wohnzimmer, von Sickert 6: Aschenbach in Berlin

ausgehenden modernen Geschmack bezeichnen
kann. Dieselbe Firma bringt zugleich einen
Salon im Geschmack Louis XV., der aber
einerseits unter der ungünstigen Aufstellung
zu leiden hat, andererseits durch die verun-
glückten Formen zweier Spiegel viel verliert.
Bon der großen Leistungsfähigkeit dieser
Firma zeigt dann ein maurisches Kabinet,
das die altarabische Technik der Perlmutter-,
Metall- und Elfenbeinintarsia in glücklichster
Anwendung zeigt, was hervorgehoben werden
muß, weil man in dem nicht weit entfernten
japanesischen Speisezimmer von D. <L B.
Loewenberg sehen kann, zu welchen Ver-
irrungen das blinde Nacheifern exotischer
Vorbilder mitunter führt.

Die Gotik ist vom Berliner Platze so
ziemlich verdrängt. Siebert L Aschen-
bach, Wilhelmstraße 12l, sind die einzigen,
welche mit einer reingotischen Einrichtung
erschienen sind. Daß sie dasselbe nicht zu
bereuen haben, zeigt ihnen die allgemeine

^ mit seinem Speisezimmer zur Darstellung
bringt. Originell in der Erfindung, sorg-
fältig in der Ausarbeitung, lehnt es sich
im Großeir und Ganzen an Möbel englischer
Gotik an, doch ist dabei so auf modernen
Komfort Rücksicht genommen und sind in
den Details soviel Renaissancemotive ein-
geflossen, daß der Vergleich sofort wieder
hinkt. — Von der gesamten Ausstellung er-
regen die den modern englischen Geschmack
zeigenden Möbel ein ganz besonderes In-
teresse. Daß dieser, Leichtigkeit, Bequemlich-
keit und Geschmack miteinander verbindende
Stil so vielfach vertreten ist, zeuqt von dem
gesunden Stilgefühl, das in Berlin zum
Durch bruch zu komm enscheint.Thierichens,
Leipzigerstraße 20/21, hat in dieser Art, viel-
leicht mit leisen Anklingen an orientalische
Muster, ein überaus malerisches Bibliotheks-
> zimmer mit einem Podest-Erker geschaffen,
j An diesem konnte man es wieder sehen, wie
! wenig die künstlerische Wirkung durch das

Nebenhergehen der verschiedensten Stil-
elemente beeinträchtigt wird; denn die Orna-
mentik bewegte sich meistens in Renaissance-
formen, ohne das malerische Ensemble
im geringsten zu stören. Hoflieferant C.
Prächtet, Krausenstraße 31/32, hat in
diesem Stil vorzügliches erreicht, daß er
sich von allen unnötigen Ausladungen frei-
hielt und dadurch etwas Ruhiges, Voniehmes
in seine beiden Zimmer hineinbrachte. Die
fein abgewogenen Verhältnisse, vielleicht nur
hier und da durch eine etwas triviale Form
gestört, tragen in Verbindung mit dem an-
genehmen Ton des Pflaumen- und Ama-
ranthenholzes und den feinabgestimmten
Stoffwänden ungemein viel zu dieser distin-
guierten Erscheinung bei. In seiner reinsten
Form tritt uns der englische Geschmack in
der von O. Völker, Hagelsbergerstraße 52,
ausgestellten Einrichtung des für den Aviso
„Hohenzollern" bestimmten kaiserlichen Ar-
beitszimmers entgegen. Wie man sagt, märe
der Geschmack des kaiserlichen Bestellers aus-
schlaggebend bei der Wahl des Materials
und des Stils gewesen. Die Möbel, welche
mit besonderer Berücksichtigung der Kajüten-
verhältnisse entworfen sind, sind aus Vogel-
augenahorn, dessen natürlicher rötlichgelber
Ton, nur durch spärliche Rosenholzeinlage,
flach geschnitzte Eichenlaubornamente und
Silberbeschläge unterbrochen wird. Erstrahlt
der Raum in elektrischem Licht, wie es auf
dem Schiffe vorgesehen ist, dann spiegelt
derselbe trotz aller Einfachheit der Form
eine gewisse heitere Stimmung wieder, die
sonst nur noch von dem Fahnkow'schen
Schlafzimmer erreicht ist.

Einen Versuch dazu haben Gebr. Wein-
mann mit einem Schlafzimmer unter-
nommen, der aber aus Ursache der ge-
wählten schweren Barockformen gescheitert
ist. Mau muß sich immer wieder fragen,
warum solche gewaltige Anstrengungen, wie
sie in diesem Zimmer vorliegen, gemacht
werden, um unsrem Heim den Eindruck des
Wohnlichen zu rauben. Wenn wir einmal
diesen Stil verwenden wollen, dann doch
in der Art, wie er am Hose Ludwigs XIV.
beliebt war. I. Groschkus, Landsberger-
straße 25/26, hat mit einem Gartensalon
bewiesen, daß auch Deutschland, bezw. Berlin
in Technik und Geschmack nicht hinter Paris
zurücksteht. Die reichen Möbel in Boulle-
Arbeit desselben Meisters können sich getrost
neben den besten französischen sehen lassen.

Die Berliner Ausstellung enthält vor-
zugsweise Luxusmöbel oder doch wenigstens
solche, die nur für die oberen Zehntausend
käuflich sein dürften. Hier scheint sich der
Geschmack von dem ängstlichen Stilsanatismus
! mehr der freieren englischen Mode, dem
„Komfortablen" znzuwenden. Es ließen
sich zu den obengenannten noch manche
gute Namen als Belege nennen, doch mögen
diese genügen, da sie als die besten Leistungen
auch zugleich das beste Bild von der Aus-
stellung geben, wenn wir dabei von der
großen Masse des Minderwertigen absehen.
 
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