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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Koehler, Robert: Die Entwicklung der Schönen Künste in den vereinigten Staaten von Nord-Amerika, [2]
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Vincenti, Carl Ferdinand von: Die XXII. Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhause, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0312

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2HS Die Entwickelung der Schönen Künste :c. — Die XXII. Iahre-ausstellung im Micncr Künstlerhause.

eigenartiger Erfindungsgabe und bedeutendem Können, das auch hier der höchsten Anerkennung sicher sein
dürfte, besitzen wir ferner in Elihn Vedder und F. S. Church. Beide, obwohl in ihren Auffassungen ganz
verschieden, wenden sich in ihren Schöpfungen gern dem Phantastischen und Grotesken zu, der letztere oft
mit einem Anflug köstlichen Humors. Church ist direktem europäischen Einflüsse gänzlich fern geblieben: er
hat Amerika nie verlassen. Was er an Unterricht genossen, verdankt er der New-Iorker Akademie und
namentlich der unter Shirlaw und Chase zu größter Bedeutung gelangten Anstalt: der „Künstler-Liga", einer
freien Vereinigung Kunststudierender beiderlei Geschlechts, die ihre eigene Verwaltung ausüben und ihre Lehrer
selbst ernennen. Die Liga ist im Laufe der sechzehn Jahre ihres Bestehens zu einem vorzüglich equipierten
Lehrinstitute gediehen, welches überall vergeblich seinesgleichen suchen dürfte. Die reife Erfahrung Shirlaws,
der ewig jugendfrische Enthusiasmus Chases, gepaart mit der strengen Methode einiger aus Pariser Schulen
hervorgegangener heimischer Künstler, sichern dem Institute ein Lehrerkollegium, wie es bis dahin noch nicht
vorhanden gewesen, und welches berufen scheint, der heimischen Kunstentwickelung in hohem Grade förderlich
zu werden. Chase ist nicht Münchener geblieben; seine wiederholten Reisen nach Spanien, woselbst er mehrere
meisterhafte Kopien nach Velasquez malte, nach Holland, Paris und London, haben nachhaltigen Eindruck
auf seine seitherigen Leistungen geübt, wie namentlich neuerdings Whistlers Wirken auf sein den verschiedensten
Einflüssen zugängliches Schaffensvermögen deutlich erkennbar ist. Es ist noch zu früh, das Facit über Chases
Leistungen zu ziehen; doch dürfte es unbestreitbar erwiesen sein, daß ihn an technischem Können, an feinem
Verständnis des rein Malerischen keiner seiner Landsleute übertrifft, wenn ihm ja einer darin gleichkommt.
Dazu kommt noch, daß er, namentlich in seinen männlichen Bildnissen, eine Meisterschaft in der Erfassung des
Charakters bekundet, die, verbunden mit einer durch keine Rücksichten zu beeinflussenden individuellen bildlichen
Auffassung des zu Malenden, Porträts von bleibendem Werte entstehen läßt. John S. Sargent ist ein
weiterer Künstler von ganz eminenter Begabung. Aus der Schule Cabanels hervorgegangen, erfreut er sich
sowohl in Paris als auch in Amerika und England eines sehr hohen Rufes, namentlich als Porträtist des
schönen Geschlechts, während seine Figurenbilder die gleiche Beachtung verdienen und finden. Frank Duveneck,
einer der begabtesten Schüler Meister Dietz's übt auf die jüngere Nachkommenschaft einen nicht zu verkennenden
Einfluß aus; geschickte Technik und bedeutender koloristischer Reiz zeichnen seine Werke aus. Ihm verwandt
und dennoch ganz eigenartig in seinen Werken ist der seit etwa zwanzig Jahren in München weilende Frank
Currier. Über keinen unsrer Zeitgenossen weichen wohl die Urteile so weit von einander ab, wie über
diesen reich begabten Künstler, der zu so Großem berufen, und dennoch das Große nie schaffen zu wollen
scheint! Auf die amerikanische Malerkolonie in München übte Currier von jeher einen mächtigen, belebenden
Einfluß aus; um ihn scharten sich stets eine Anzahl begeisterter Jünger, die, wenn auch nicht selten in blinde
Nachahmung sich verirrend, seinem Beispiele folgend, sich einer frischen, lebendigen Naturanschauung befleißigten,
welche sie vor den Fehlern einer allzu sklavischen akademischen Drillung zu schützen geeignet war. In den
verfallenden Klosterräumen zu Polling, wohin Currier seinerzeit eine Schar enthusiastischer Anhänger folgte,
empfingen eine ganze Anzahl seither zu Ruhm und Ansehen gelangte Amerikaner die fruchtbringendsten An-
regungen. (Der Schluß im nächsten Hefte.)

Die XXII. Mhre§-Au§stMmg im Wiener Aünstlcrhause.

von Karl v. vincentl (Wien).

(Schluß aus dem vorigen Hefte.)

Für das Damenbildnis treten ein: Eugen v. Blaas,
Julius Schmid (Gräfin Schaumburg), Papperitz,
dessen frische Blonde inmitten ihres hübschen Arrangements
alle guten Lebensgeister weckt, Temple (Doppelporträt
mit Interieur), Benuewitz-Loefen (Dame in Schwarz,
etwas nüchtern), Goltz (seine liebliche Frau), Probst,
Doubek, Ferraris aus Paris. Ein Wort gebührt be-
sonders dem Erst- und dem Letztgenannten. Blaas hat sein
Töchtcrlcin Agnes in ganzer Figur gemalt, fast Venetianer-
blut, ein feines, vornehmes Köpfchen mit matter Haut und
zart beflaumter Oberlippe — nur ein leichter Schatten —
eine reizende Mädchen gestalt, zu welcher die aus Wien
stammende rotblonde Schönheit in Schwarz, welche Ferraris
bietet, in frauenhaft pikantem Gegensätze steht. Die

Porträt verrät im guten Sinn das Pariser Kunstklima.
Die Pastellporträtisten, naturgemäß vorwiegend Dameu-
maler, sind ebenfalls hervorragend vertreten. Fröschl
malt diesmal Theaterblut (die Opernsängerin Lola Beeth)
— lieber freilich ist mir die rundliche, herzige Kleine
mit dem Blumentopf —, Clemens v. Pausinger
und v. Mehoffer mit gewohnter Flottheit Blaublut,
Bunzl Mischblut — aus Bankkreisen. Im Sportsbildnis
endlich zeichnen sich Julius v. Blaas und Thaddäus
Ajdukiewicz aus. Ich stelle ruhig die Behauptung
auf, daß der von Blaas auf dem Distanzritte bei Senften-
berg dargestellte Oberlieuteuant Graf Starhembcrg und
sein Pferd „Athos" beim Publikum mindestens so viel
Interesse finden, als selbiges Publikum für römische,
 
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