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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Relling, ...: Die Berliner Kunstausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0366

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VIII. Jahrgang, tzcft 19.

1. Juli 1897,.

Hrrausgrgeben von Friedrich Wechr -<

„Tie Kunst für Alle"' erscveint in halbmonatlichen Heften von 2 Bogen reich illustrierten Textes und 4 Bilderbeilagen in Umschlag geheftet. Bezugspreis im
Buchhandel oder durch die Post (Reichspostverzeichnis Nr. 3661. bayer. Verzeichnis Nr. 1671. k. u. k. österr. Zeitungsliste Nr. 429) 3 M. 60 Pf. für das Vierteljahr

(6 Hefte); das einzelne Heft 75 Pf.

Die Berliner Kunstausstellung.

von De Relling (Berlin).

^as Märchen vom Schlaraffenland hat mir als
Kind immer besonders gefallen. Gern Halle ich
den Hirsebreiwall, der das köstliche Land umschließt,
fressend durchwühlt, um zu den Herrlichkeiten des
Schlaraffenlandes zu gelangen. Nicht oft genug konnte
ich das Märchen hören, wenn auch meine Mutter in
dieser Vorliebe bekümmert einen vorzeitigen Hang zur
Gourmandise erkennen wollte. Unnötige Angst, denn
wenn dafür gesorgt ist, daß die Bäume nicht in den
Himmel wachsen, so ist viel mehr dafür Sorge ge-
tragen, daß dem Preßkuli die Befriedigung fein-
schmeckerischer Gelüste unmöglich ist.

Dem Besucher der Berliner Kunstausstellung
wird ähnliches zugemutet, wie dem, der durch den
Hirsebrei Schlaraffia gewinnen will. Die lange Flucht
der Berliner Säle, mit dem gefüllt, was man in der
Reichshauptstadt Kunst nennt — das ist der Hirsebrei.
Der letzte Saal mit den Bildern der Münchener
Sezess ionist en und ihrer deutschen und auslän-
dischen korrespondierenden Mitglieder in den Neben-
räumen — das ist Schlaraffia. Hier erst sieht man
die frische lebensfähige moderne Kunst, charakteristische
Verkörperungen der treibenden Kräfte im Leben der
Gegenwart. Niemals wird die Berliner Kunst nach
Schlaraffia kommen, sie bleibt im Hirsebrei stecken, am
einen Bein vom ortsüblichen Schlendrian, am andern
von der akademischen Unfreiheit festgehalten. Gleich im
ersten Saal, den man aus unerfindlichen Gründen hier
den Ehrensaal nennt, hat man Gelegenheit, über die
moderne Historienmalerei die widersprechendsten Urteile zu hören. Zunächst fällt das große Kaiserporträt
von Ferdinand Keller in die Augen, das in weißen und grauen Tönen gemalt ist. Mehr noch als Koner
in dem seinerzeit vielumstrittenen Kaiserbild für unsre Pariser Botschaft hat Keller versucht, der pomphaften
Wiedergabe eines Herrschers, wie sie die französischen Maler am Hofe Ludwigs XIV. in die Kunst einführten,
nahe zu kommen. Es will aber scheinen, als ob die Darstellungsweise, die für den Roi Soleil erfunden wurde,
kein glückliches Vorbild für die Bildnisse unsrer heutigen Fürsten abgebe. Denn auch sie sind moderne Menschen
geworden und haben sich des Hermelins entkleidet, der sie uns vordem entrückt hat. Die Auffassung des

Skizze zu seinem Ölgemälde „st. Georg".
Von Ludw. Herterich.

Aunst für Alle VIII.

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