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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Feldmann, Siegmund: Die Pariser Salons, [2]
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Springer, Jaro: Die freie Berliner Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0397

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Die freie Berliner Kunstausstellung. Bon Jaro Springer.

Friedrich v. Uhde, das ungemein lebendig ist, aber
nicht ganz auf der Höhe seines Ruhmes steht. Lieber-
mann hat seinem „Hamburger Senator in Amtstracht"
einen zu großen Kopf gemalt, vermutlich weil der Hut
auch zu groß ist und sonst nicht gepaßt hätte. Hingegen
bereitet er uns durch ein Dutzend meisterhafter Pastelle
viel Vergnügen. Von Friedrich Burger ist eine lebens-
große weibliche Figur zu sehen, die er „Reminiszenz"
nennt. Es ist eine moderne Cousine von F. A. Kaul-
bachs „Lautenschlägerin" und durch ihren frischen und
feinen Ton bemerkenswert.

Die freie berliner Kunstausstellung.

Von Iaro Springer (Berlin).

nler diesem verlockenden und irreleilenden Namen ist hier in
den Restaurationsräumen des Hohenzollern-Panoramas am
Lehrter Bahnhof eine Ausstellung eröffnet, die als eine Art
Salon der Zurückgewiesenen gelten möchte. Als solche kann sie
schon deßwegen nicht bezeichnet werden, weil nur ein kleiner
Teil der von der benachbarten großen Ausstellung zurück-
gewiesenen Bilder und Skulpturen eingeschjtt wurde. Um die
Räume zu füllen, wurden dann noch eine Menge anderer Bilder
und Bildwerke zusammengebracht, die seinerzeit gar nicht vor die
Jury der Ausstellung gekommen sind. Wenn sich unter den
letzteren einige ganz gute befinden, wie die Landschaften von
A. Nor mann und die Pastelle von E. Edel, so kann das bei
der übergroßen Produktion von Bildern in Berlin nicht weiter
wundern. Denn es wird doch hier im Laufe des Jahres nicht
nur das gemalt und gebildhauert, was für die große Ausstellung
bestimmt ist. Aber es ist doch in dieser Gruppe kein Bild, das
man in der großen Ausstellung vermißt, ja keines, bei dem die
Notwendigkeit einer öffentlichen Schaustellung besonders ein-
leuchtet. Interessanter ist die andere Gruppe von Bildern, die
durch Zettel mit der Aufschrift: „Zurückgewiesen!" gekenn-
zeichnet wird. Dieses energische Zurückgewiesen mit dem ent-
rüsteten Ausrufungszeichen wirkt bei den meisten Bildern
durchaus nicht so erschütternd, wie die Veranstalter der Aus-
stellung wohl geglaubt haben. In den weitaus meisten Fällen
erscheint es ganz gerechtfertigt, wenn der absolute Kunstwert
gemessen wird. Erinnert man sich freilich der erdrückenden
Fülle mittelmäßiger Bilder drüben in der Ausstellung, so kommt
doch manchmal die Zurückweisung rätselhaft und willkürlich vor
und dem Betroffenen mag sie ungerecht erscheinen. Keine Jury
ist unfehlbar und es soll ohne weiteres zugestanden werden, daß
auch die diesjährige sich böse Mißgriffe hat zu Schulden kommen
lassen. Kaum aber schlimmere, als in früheren Jahren, in
denen die Abgewiesenen weniger lärmten und in denen sie nicht,
wie diesmal, zu einem geschickt geleiteten geschäftlichen Unter-
nehmen zusammengebracht wurden. Der Zufall und persönliche
Neigungen spielten auch bei diesen Juroren eine Rolle, es wurde
gewiß auch etwas Vetter - Michele! getrieben und mancher mag
sich gar auf einen sogenannten Standpunkt gestellt haben.
Zweifellos ist vielfach nach dem zwar nicht löblichen, aber manch-
mal vorteilhaften Prinzip: Haust du meinen Juden, hau ich
deinen Juden abgestimmt worden. In der höflichen Sprache
der Parlamente nennt man das Kompromißbeschlüsse. Keine
Jury wird davon frei bleiben. Im ersten Saal der kleinen,
übrigens sonst und in Anbetracht der ungünstigen Räume recht
hübsch arrangierten Ausstellung veranlassen zur besondere, Be-
trachtung das zurückgewiesene Bild Meckels und die gleichfalls
zurückgewiesene Denkmalskizze von Max Klein. Beide — nicht
Kunstwerke sondern Zurückweisungen — sind vielfach besprochen.
A. v. Meckels Bild zeigt ein Stück Meer unter einer dunstigen,
nebeligen Luft, durch die die heiße, südliche Sonne flimmernde
Lichter aufs Wasser wirst. Gewiß ein gutes Bild. Wenn die
Jury es als fünftes Bild aus Platzmangel abgelehnt hat, so
läßt sich das gut verteidigen, denn es ist für Meckel weniger
charakteristisch als die vier aufgenommenen und zeigt seine
Kunst von keiner andern Seite. Aus künstlerischen Gründen
aber durfte die Ablehnung nicht geschehen. Warum die Reiter-
statuette von Max Klein, die bei der Konkurrenz eines Kaiser-

denkmals für Stuttgart einen ersten Preis gewann, der Jury
nicht genügt hat, ist ganz unerfindlich. Es ist eine tüchtige
Arbeit, mindestens ebenso gut, wenn nicht besser, als manche
anstandslos aufgenommene Skulptur. Schon die höfliche Rücksicht
auf die süddeutschen Preisrichter hätte die Zulassung dieses Werkes
empfehlen sollen, auch wenn künstlerische Gründe dagegen ge-
sprochen hätten, was aber gar nicht der Fall ist.

Eine Radierung (!) nach der Sixtinischen Madonna von
Max Horte hätte als kühnes Unterfangen einen bescheidenen
Platz in der großen Ausstellung verdient; wenn sie auch nicht
als glückliche und korrekte Reproduktion des Bildes gelten kann.
Die an der durchschnittlichen Damenmalerei geübte scharfe Kritik
der Jury verdient dagegen das höchste Lob. Den dilettierenden
Damen soll die Kunstübung keineswegs verkümmert werden, sie
soll sich aber auf die Familie und auf das Haus beschränken.
Von den öffentlichen Ausstellungen aber sollte man die üblichen
Produkte weiblicher Malerei schon deßwegen möglichst fernhalten,
um nicht noch mehr halben Talenten einen Beruf rötlich
erscheinen zu lassen, der die Schwachen und Halben sicherer wie
jeder andere verhungern läßt. In der Kunst lassen sich die nied-
lichen Talente, die einer Frau sonst so wohl anstehen, gewerbs-
mäßig am schlechtesten verwerten. Ein Weib, das wie Dora Hitz
malt, ist in jeder Ausstellung willkommen, die Durchschnitts-
malerinnen verwenden ihre bescheideneren Gaben besser und glück-
bringender im Hause. Von E. Munch und vom Dichter A.
Strindberg hat die Jury je zwei Bilder zurückgewiesen. Das
ist ein Fall. Zunächst über Strindberg. Der geniale Dichter
des Fräulein Julie ist als Maler zweifellos ein Dilettant und
zwar keiner, der in der Pinselführnng besondere Geschicklichkeit
zeigt. Er hat zwei Skizzen ausgestellt, die wie Munchsche Farben-
notizen anmuten. Die eine ist ein Stückchen weißer Strand mit
einem Streifen blauen Wassers und einem Stück wolkigen Himmels
darüber, vorn eine rote Blume und im Sand blaue Flecken wie
Fußstapfen oder krabbelndes Ungeziefer. Das andere bessere
Bild zeigt dunkelgrüne Wellen mit Hellen gelben und roten Wellen-
köpfen unter einem Hellen grünlich reflektierenden Himmel. Es ist
eine kindliche und naive Naturauffassung, der die Malkunst des
Dichters nur zum unvollkommenen und ungeschickten Ausdruck
verhilft. Und dann hat Strindberg in den Bildern doch etwas
sagen wollen, wozu ihm Farbe und Malerei gerade als adäquates
Ausdrucksmittel erschien. War es höflich, diese Arbeiten zurück-
zuweisen? Bon Goethe sind zahlreiche Zeichnungen auf uns ge-
kommen. In Weimar schätzt man sie noch als Kunstwerke, anderswo
nicht mehr, ohne daß man deßhalb dem Ruhme Goethes irgend
etwas fortzunehmen meint. Goethes Zeichnungen sind schlecht,
selbst wenn sie vom milden Standpunkt eines Zeitgenossen von
Hackert und Kniep betrachtet werden. Ich bin natürlich weit
entfernt, Strindberg mit Goethe auch nur vergleichsweise auf eine
Stufe stellen zu wolle». Aber die Strindbergschen Bilder stehen
den berufsmäßigen Kunstleistungen ihrer Zeit weit näher, als die
Goethes. Wenigstens zu einer höflichen Aufnahme von Strind-
bergs Bildern sind wir verpflichtet.

Gehässiger ist das Vorgehen der Jury gegen Munch. Er
hat nur zwei Pastelle eingeschickt. Beide sind zahme Bilder, die
sich von den wilden Farbenphantasien, deren Ausstellung die alten
Herren hier so erbost hat, ganz fern halten. Das eine Bild ist
eines der besten, die Munch uns damals vorgeführt hat und
durch nichts verletzend. In einem dunklen Zimmer oder Kajüte
sitzt ein Herr mit glimmender Zigarre am Fenster, durch das
man auf die hellere See blickt. Einige bunte Signallaternen
erscheinen als leuchtende Punkte. Eine ganz solide feingestimmte
Lichtstudie. Das andere Bild ist ein Interieur bei Lampenlicht.
Das zweite Bild mag preisgegeben werden, aber das erste von
der Ausstellung zurückzuweisen, war, wenn nicht böse Tendenz,
doch verletzende Ungerechtigkeit. Das ist aber auch der einzige
Fall, der sich auf der Ausstellung der Zurückgewiesenen konsta-
tieren ließ. Ihren besondern Zweck, die Beschlüsse der Jury der
großen Ausstellung als falsch und unsinnig hinzustellen, er-
füllt sie also keineswegs. Sie war nicht so engherzig, einer
ganzen unbequemen Richtung die Ausstellung zu versperren, sie
hätte aber unbeschadet manches mittelgute Werk noch aufnehmen
können. Unser Salon der Zurückgewiesenen erinnert durchaus
nicht an die verblüffenden revolutionären Pariser Salons des
Refuses der ältern Zeit. Gerade aber daß unserer der Aus-
stellung selbst so ähnelt, kann der Jury zum gerechten Vorwurf
gemacht werden! Die diesjährige Jury war in mehreren Fällen
ungeschickt und unhöflich, ungerecht aber war sie nur gegen den
einen Munch. Das beste an der ganzen freien Ausstellung ist
das Plakat, es war für die große Ausstellung bestimmt, wurde
 
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