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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 2
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Der Graphiksammler
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0094

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Der Graphik [animier

Olir pnd damit fdbon im zweiten großen Kreis der Graphik, in dem, freilich in befchränktem
ümfange — oder wenigftens follte es fo Tein — die Vervielfältigung eine Rolle fpielt. Fjand-
zeidmungen find ftets önika; Kupferßiche, Fjolzfchnitte, Lithos nur in befonderen Fällen, genau
genommen: nie. Denn felbft der nur einmal gemachte Hbzug hat die Platte, den Stock, den
Stein vor pd), und diefe fußen unter Qmftänden wiederum auf der 3eid)nung.
Sind vervielfältigte Blätter darum weniger wertvoll? Kaum. Denn, wenn fie die Unmittelbar-
keit der Fjandzeidßnung oft nicht haben können, eignen ihnen dafür die großen Reize des vom
Künftler für feine 3wecke ausgenutpen Materials. 3udem ift, falls der Künftler, etwa mit der
kalten Nadel oder der Lithographenkreide, unmittelbar auf die Druckform zeichnet, auch die Er-
reichung des Duktus der Fjandzeidmung keineswegs ausgefd)loffen.
Bleibt nur die ungezählte Male ausgefprochene und ebenfo oft verhallte Mahnung: Nur Qualität
fammeln!
Dem noch unerfahrenen Änfänger wird, fofern er ein gewiffes Qualitätsgefühl von haus aus
mitbringt, der Rat des Kenners ftets von größtem Nuijen fein — nicht zum geringften auch in
materieller Fjinpcht.
Das Sammeln vervielfältigter Graphik hat in unferen Lagen ebenfo wie die Produktion folcher
einen ungeahnten Huffchwung genommen. Die Gründe find mannigfacher Hrt. Rein äußerlich
veranlaßt, aus der Not der 3eit heraus, hat mancher Sammler, der früher Gemälde erwerben
konnte, feine Paffion auf das weniger koft-fpielige Gebiet der Graphik tragen müffen (der echte
Sammler ift undenkbar ohne Paffion). Mancher Künftler griff aus Mangel an Mitteln zum billigften
Material, etwa dem Stein oder dem I)olzftock. ünd beide, Sammler wie Künftler, entdeckten oft
genug erft auf diefe Weife das Reizvolle der Hrt.
Den äußeren Gründen gefellen fich wichtigere innere, (dir beobachten die Neigung zum völligen
Vonvornanfangen in der Kunft unferer Lage. Diefem Streben nach dem Primären — das nur zu oft
mit dem Primitiven verwechfelt wird —kommt die graphifche Kunft in gewiffem Grade entgegen.
Man beginnt den Hufbau mit Schwarzweiß und erobert pd) nach nnd nach eine Farbe um die
andere hinzu. Der F)olzfd)nitt ift dafür die gegebene Ced)nik, neben der Lithographie. Und fo
hat er heute geradezu feine Wiedergeburt erfahren. Viele unferer klangvollften Namen ftehen
unter folchen Blättern: Kirchner, Marc, Mund), Nolde, Sd)midt-Rottluff ufw.
Daß mit diefer Wiederbelebung eine große Reihe ted)nifd)er Erfindungen einhergeht, ja faft
jeder Künftler pch feine befondere graphifche Ledmik ausbildet, macht dem Sammler das Genre
befonders intereffant.
Im Stile eines Davidfohn zu fammeln, ift nur noch wenigen Sterblichen vergönnt. Hlfo wieder:
fpezialifieren und — Neuland auftun. Letzteres auszuführen, ift nicht jedermanns Sad)e. Regeln
gibt’s dafür nicht. Hber: Stecher wie Reinhart, der ältere Kolbe und ähnliche pnd gut und nod)
erfchwinglid)1. Hud) Barlach, Feininger, Kokofchka, Molzahn. Die Lithographie kann man mit
einiger 3ähigkeit noch bis zu ihren Inkunabeln erreichen.
Vorfichtig angetippt fei ein Chema, der Stahlftid). Er verdient nicht ganz die Mißachtung, die
ihm noch immer zuteil wird. Es gibt in diefer Cectmik manches feine, vollendete Blatt, befonders
englifcher Fjerkunft2. Und zu welchem Preife! Freilich, vieles davon ip Illuftration, ift im Buch:
Soll man „Gebrauchsgraphik“ fammeln? Ex libris, Plakate, Packungen? Wem’s Freude macht,
nur zu!
Dies fei des Sammlers oberftes Gefetj: Sammeln werde nid)t Selbftzweck. Es fei Wille und
Weg zur Freude. Freude ift irdifd)e Ewigkeit. Wiefe.

1 Über jotjann Cbriftian Reinbart wird l)ier demnäcbft eingebender berichtet werden.
2 Hud) moderne Künftler wenden wieder den Stablftid) an, in il)rem Sinn. Vgl. „Cicerone“ XIII, S. 226, und Cafel
Seite 79 (Felixmüller).

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