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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 3
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Balet, Leo: Die Sammlung Bachstitz, 2. Teil
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0122

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die feinknofpende rechte Bruft find von überßnnlicher Schönheit. Schade, daß der
etwas abgearbeitete Marmor an den Bautftellen nicht mehr die alte Patina aufweift, die
in den Baarpartien nod) vorhanden ift.
Den vollen intimen Reiz der alten Patinierung (mit Reften urfprünglicher Bemalung)
zeigt nod) eine etwa 25 cm \)o\)e Conßgur aus dem 3. Jahrhundert v. Ct)r. Ein Mäd-
chen mit leicht gebogenem und zurückgefetjtem rechten Bein hält in der rechten Band
einen Spiegel mit aufgeklapptem Deckel. Die auf die Bäfte geftüßte linke Band hat
den umgeworfenen Mantel, der Bruft und Leib frei läßt, zierlich gerafft. Diefe kleine
Conßgur, wohl die befte von den fieben vorhandenen, hat etwas fo Beides durch ihre
unausfprechliche Ruhe, ihre felbftverftändliche Grazie, ihre ftille Vornehmheit, daß man
fid) unwillkürlich fragt, ift es nur ein Mädchen oder vielleicht eine Göltin? Klie
einem bei der Nike, ebenfalls aus der Sammlung Bachftiß, der 3weifel kommen könnte,
ob diefe Frau wirklich ein göttliches Kiefen oder bloß eine x-beliebige üänzerin ift.
Dafür ftammt die zule^t genannte Conßgur denn auch aus dem 2. Jahrhundert, wo
die Fünft immer mehr an Verinnerlichung einbüßte und fid) an ftark bewegten Pofen
und fonfbgen Äußerlichkeiten nicht genug tun konnte. Aber die halb tänzelnde, halb
fd)webende Geftalt mit dem von der linken Schulter gelöften Chiton, der fid) in dem
Rhythmus des fd)önen Mädchenkörpers fo anmutig mitbewegt, ift für die 3eit nicht
nur bezeichnend, fondern gehört zweifellos zu den Beften Canagras, die das anders
gewordene Kunftwollen einer jüngeren 3eil dokumentieren.
Einen weiteren Schritt auf dem Klege der Veräußerlichung macht die Bronzeftatuette
der Nyx aus der römifchen Kaiferzeit. Der Künftler hat uns überhaupt nichts mehr
zu fagen. Er entlehnt allerlei Motive aus früheren Jahrhunderten und baut daraus
eklek ifd) ein Neues, das aber zum Vergleich mit den Klerken des 5 Jahrhunderts v. Cl)r.
ebenfo intereffant ift wie ein Vergleich der Architektur diefes 3^ita!ters mit den alten
gried)ifd)en Bauwerken. 3ahn hat die Entlehnungen diefer Nyx-Statuette ausführlich
nachgewiefen. Geßd)t und Baarbildung erinnern an ftrenge Klerke (des 5. Jahrhunderts),
wie die Köpfe der fog. Penelope und der esquilinifchen Venus. Der kurze Überfd)lag
des Chitons, der an den Seiten zu tief herabhängenden 3'Pfeln fid) ausdehnt, der dar-
unter hervorquellende Baufd) der Gürtung, das Anfaffen des Überfd)lages, das alles
pnd Motive, die uns z. B. bei den herkulanenfifchen Mädchenftaiuen des Neapler Mu-
feums begegnen. Das enge Anfchmiegen des Gewandes, das die Körperformen wie
nackt hervortreten läßt, und der ganze Aufbau der Figur führen wieder auf die jomfd)e
Plaftik eines Paionios und verwandter Künftler zurück. Die Figur foll die auf die Erde
herunterfchwebende Nacht darftellen. Auf mich macht ße den Eindruck einer Artiftin,
die in antiker Gewandung ihre Kunftftückd)en auf einer freien Kugel vorführt.
Sobald die römifchen Künftler, die als Kinder ihrer 3eit ausgefprochene Klirklid)keits-
menfd)en waren, nicht über die KIirklid)keit hmauszu9ehen brauchten, weniger Ge-
ftalter ihrer Seelenerlebniffe als Darfteller von etwas greifbar Vorhandenem fein durften,
haben ße Klerke gefeßaffen, die uns mehr zufagen. So der Bildhauer, der die Porträt-
büfte eines jungen Römers in Marmor ausführte. Der Kopf mit einem Anßug von
Schnurrbart, mit ftarklockigem Ringelbart und zottiger Frifur, die ihm über die müden,
tiefliegenden Augen herunterfällt, zeigt uns den Cypus des an der Oberßäche lebenden,
verweichlichten und krankhaft genußfüd)tigen Römers aus dem hadrianifchen 3eitalter.
Ein Craum von Schönheit ßnd die antiken Gläfer der Sammlung Bachftiß. Ich denke
hier zunächft an die zahlreichen Flafd)en, Becher und Näpfchen mit Bogenmufter oder
Sprenkelung aus der römifchen Kaiferzeit. Eine Flafd)e, die auch in einem farbigen
Lichtdruck im Katalog auf vollendete Kleife reproduziert wurde, übertrifft alles. Sie
wurde aus fchwarzem Glafe in kugeliger Form mit langem Bals ziemlich dickwändig
geblafen. Die Oberßäche ift mit einem roten und weißen Schmelz in Vogelfedermufter
überzogen, fd)illert aber an einigen Stellen in märchenhaften blauen und grünen Farben
durch und irifiert an anderen Stellen wieder in einem unbefchreiblichen ßlberlidjen Grau.

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