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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 4
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Der Graphiksammler
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0186

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Der Grapbikfammler

römifcben Tradition und das Entfteben feines befonderen Stiles maßgebend. Es ift die Periode,
in der er faft ausfd)ließlid) als Grapbiker tätig ift. Je&t bildet er einen neuen Stil heraus, der im
Laufe feiner Entwicklung immer einheitlicher, beftimmter und durchdachter wird.
Die erfte Folge römifcber Anficbten (Ä. 49/51) ift noch ftark in der herkömmlichen Cradition der
niederländifcben Malerradierer befangen. Indeffen gab die Verpflichtung zu dem großen Unter-
nehmen des Nürnberger Verlegers Frauenholz, den „Malerifcben Profpekten“, die er im Verein
mit Hlbert Dies und Jakob ölilbelm Mecbau feit 1792 herausgab, die erfte Möglichkeit, feine tief-
empfundene Aufnahme römifcber Landfcbaft in einer großen Folge vorzutragen.
Die „Malerifcben Profpekte“1 find der Äusläufer des viel verbreiteten Gefchmackes an Veduten,
der im 18. Jahrhundert zum großen Ceil die Produktion beherrfcßte. Der Charakter des öüerkes,
deffen Anlage eigentlich von dem Verleger beftimmt wurde, follte in der Publizierung bisher
weniger bekannter Örtlichkeiten befteben, die den ttlünfcben aller geiftig und künftlerifcb Inter-
efflerten entgegenkommen follte. Es war daher mehr eine Spekulation auf das aktuelle Intereffe
an Italienanpcbten überhaupt als eine beabpcbtigte Äusbreitung der einzelnen Künftler. Von der
überzeugenden künftlerifcben Geftaltungskraft Reinharts zeugt es aber nun, daß er feine Hufgabe
nicht nach dem herkömmlichen Brauche der Vedutendarfteller löfte, fondern den Profpekten, die
an eine beftimmte Lokalität gebunden fein follten, eine fpezififd) dicbterifcbe, lyrifcbe Stimmung
verleiht. Einen neuen Vedutenftil bildet der Künftler gewiffermaßen hier aus. Getragen von einer
Begeifterung für die feelenvollen Inhalte der Natur pebt er trotj der Bindung an das Lokale in
allen Formen der Natur das Ideale und fchafft aus dem reichen inneren Formenfcbaße und der
lebendigen Fühlung mit dem ülalten der Natur einen perfönlicb geftalteten, feffelnden Bildeindruck.
Die Einzelformen pnd freilich in ihrem allgemeinen 3ufammenhalt oft zu ftark betont, obwohl
gerade hierin die temperamentvolle Fjingabe an einen poetifcben Reiz pcb äußert, der urdeutfcßes
Empflnden verrät. COie in allen feinen grapbifcßen Arbeiten ift vor allem in den Veduten der
Vordergrund mit eingehender Liebe behandelt. Von ihm aus baut er den Profpekt auf. Diefe
Bevorzugung des vorderen Planes teilt er mit der Barocklandfcbaft, die gleichfalls das Bild aus
einem ftark durchgearbeiteten Vordergründe heraus entwickelte. Eine befondere Neuerung im
Gegenfag zu der bisherigen deutfch-römifcben Vedutendarftellung ift aber die Behandlung der
Licht- und Conwerte gewefen, die in ihrer fcbarfen Gegenüberftellung von Schwarz und Uleiß
die fonnendurchflutete Landfcbaft treffend cbarakteriperen. Diefe neuen Elemente des Veduten-
piles pnd febr entfcbeidend, da pe unmittelbar die Keime für die in den gleichen Jahren ent-
hebenden Ideallandfcßaften bilden und in dem gefamten weiteren Schaffen Reinharts als das
ureigene Cbarakteriftikum zu gelten haben. Die Arbeit für die Profpekte zog pcb von 1792—1799
hin. Indeffen fcbeint pcb der neue Vedutenftil erft 1794 geformt zu haben, in dem Jahre, in dem
die prächtigften Arbeiten der gefamten Folge entftanden. öüenigftens tritt nun, wie in den Blättern
von Civita Caflellana und Subiaco, eine ungeahnte Ausdruckskraft und erftaunliche Steigerung
feiner Formenwelt ein.
Neben den „Malerifcben Profpekten“ pnd für die weitere Entwicklung „Sechs Landfcbaften in
beroifcbem Stil“ (A. 76—81), von denen drei erft im Jahre 1799, die übrigen bereits früher voll-
endet wurden, von Bedeutung gewefen. In den frübeften Blättern diefer Folge, den beiden Gegen-
ftücken der „Morgen“ (A. 76, Abb.) und der „Abend“ (A. 77) tritt zum erflen Male der Einfluß Claudes
und Pouffins hervor. Die feelifdje Durchdringung der Cüirklicbkeit, die Vergeiftigung eines allgemein
Menfcblicben, das alle Nachahmer Claudes und Poufpns im flillen anflrebten, wollen auch diefe
Blätter feflbalten. Und wie die Blätter von 1799, vor allem die „Landfcbaft mit der Stadt und
Brücke“ bezeugen, ift in ihnen ein reifes Refultat eingehender Naturftudien niedergelegt. Die
Landfcbaft foll ihren bedeutenden Charakter wahren und ein Gefühl innerer Ausgeglichenheit und
reinften Geiftes vermitteln. Dabei wird eine friedliche Ruhe, ein wohlbehagliches fjingeben an die
Naturformen, die nun nicht mehr in felbftändiger Erfcbeinung gefeben werden follen, fondern im
3ufammenbang des allgemeinen Bildaufbaues, auch in der Staffage ausgedrückt. Einen inneren
geiftigen Gehalt zu einer großen Form zu verdichten, die Bildelemente barmonifcb zu fpannen und
zu löfen, wird mehr und mehr das vornebmfte 3'el des Radierers. Aus den in der Natur ge-
gebenen Motiven will er eine höhere, ideale Einheit gewinnen und das Naturerlebnis in eine
Formenfpracbe einkleiden, die mehrfach die innere Abgefchloffenheit des Einzelnen, als auf das

1 Eine neue Äusgabe wurde 1877 von J. J. Lojjbedc, Nürnberg, nad) den aiten Platten veranftaltet.

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