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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 5
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Noack, Friedrich: Modell und Akt in Rom, [2]: Geschichtliche Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0219

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ift. Barbone, einft der Strecken der Landftraßen, hat [cßon um 1820 [einen Beruf als
Räuberßauptmann aufgegeben, Friede mit der päpftlicßen Regierung gemacht und rußig
auf der Spanifcßen Creppe vom Bettel und Modellfteßen gelebt, wie aucß feine reizende
Locßter und feine Frau, die im Jal)re 1828 ißre eßelicße üntreue mit dem Cod büßen
mußte, indem ßie von einer Seiltänzerin, mit deren Mann [ie eine Liebfcßaft hatte, auf
öffentlichem Plaß erdold)t wurde. Barbone war vernünftiger und machte gute Ge-
fcßäfte. Er fonnte fid) faulenzend auf der Üreppe, bis ißm das Geld ausging, dann
verdiente er fid) feinen Scudo Cageloßn im Atelier als Darfteller weltgefcßicßtlicßer
Größen, wozu ißn fein atßletifcßer Körper, edler Gang, ftolze Haltung und Fjerrfcßer-
blick ausgezeichnet befähigten. Bald war er Jakob, Paulus oder Petrus, Mofes, Lazarus
oder ßl- Ignatius, bald Pluto, Charon, Satan oder Cäfar und Belifar. Mancher franzö-
[ifcße Künftler verdankte ißm feine Erfolge im Parifer Salon. Die eigentlichen Räuber-
modelle ftarben um die Mitte des Jahrhunderts aus. Eines der leßten war der getaufte
Jude Schuhmacher, der als Mitglied einer Bande in Gefangenfcßaft geriet und nad) Ver-
büßung feiner Strafe ein beliebter Cßriftusdarfteller in römifcßen Ateliers wurde; Keftner
erwähnt il)n 1843 in einem Briefe und hat fein Bildnis gezeichnet, welches fid) im
Keftner-Mufeum zu Hannover befindet. Ein Gegenftück zu ißm war der fogenannte
Santo (wegen feiner Fjeiligenphyfiognomie), ein Galeerenfträfling, der 1856 dem Maler
Julius Muhr als Modell diente, als er im Auftrag des Kardinals Antonelli die Glorie
des hl- Johannes Sarkander zu malen hatte. Als Adolf Staßr 1845 das Creiben und
Schaffen der Künftler am Liber beobachtete, fand er keine ed)ten Räubermodelle meßr,
da der Cypus aber von der Mode des Lages immer noch verlangt wurde, verlegten
fid) einige friedliche Bürger von geeignetem Äußeren darauf, als Erfaß in den Maler-
werkftätten zu dienen, z. B. ein gewiffer Nicola Giacinto und ein nad) feiner Herkunft
aus dem berüchtigten Brigantenneft Sonninefe genannter Burfcße, eine Acßillesgeftalt
von großen maffigen Formen. Übrigens blieb immer ein großer Lei! der Modelle der
Überlieferung der verbred)erifd)en Neigungen treu und ftand dauernd im Streit mit
dem Strafgefeßbucß und der Polizei. Kam dann einmal ein befonders fittenftrenger
Monfignore an die Spiße des römifcßen Sicherheitsdienftes, fo gab es fcßlimme Über-
rafcßungen für die lockere buntfcßeckige Gefellfcßaft auf der Spanifd)en Creppe; im
Februar 1856 ordnete der Governatore Matteucci über Nacht die polizeiliche Abfd)iebung
aller nicht ortsangeßörigen und die Verhaftung fämtlicßer übrigen Modelle an. Eines
guten Leumunds konnte fid) gewiß keines von ißnen rühmen; hatte doch felbft ein
GCIaiblinger, der gewiß kein Frömmler und Sittenrichter war, die Modelle als die ver-
worfenfte und veräd)tlid)fte Volksklaffe der Ewigen Stadt bezeichnet. Aber red)tlid)
ließ fid) die drakonifcße Maßregel des geiftlid)en Polizeimeifters gewiß nicht aufrecht
erhalten. Das faß aucß Matteucci ein und gab nad), als die gefamte Künftlerfcßaft
unter Führung des franzöfifcßen Akademiedirektors mit der Begründung, daß es um
Sein oder Nicßtfein der Kunft gehe, ein Gefucß um Freilaffung der unentbeßrlid)en
Äteliergenoffen einreicßte.
Der ftarke Bedarf an menfcßlicßen Vorbildern, der feit dem zweiten Viertel des
19. Jaßrßunderts mit dem Anwacßfen der fremden Künftlerkolonie dauernd zunaßm,
ßat bald einen fyftematifcßen Betrieb des Modeligefcßäfts hcrbeigefüßrt. Es entwickelten
fid) fefte Bräuche, ungefcßriebene Gefeße für denVerkeßr zwifcßen Künftler und Modell,
Gaßlungsnormen und eine Art von Eßrenkomment, denn die Modelle eigneten fid)
einen gewiffen Berufsftolz an, und die weiblicßen insbefondere machten Anfprücße
hin[id)tiid) des Verkeßrstons, die befferen wollten als Signora behandelt werden. (Uenn
man dem alten Preller glauben darf, der in jungen Jaßren und als Greis auf den
Sieben Fjügelri gearbeitet ßat, fo hätten die Deutfcßen im allgemeinen es am heften
verbanden, mit ißnen umzugeßen und auszukommen. Eine grundlegende ünterfcßei-
dung zwifcßen den weiblicßen Modellen ift, wenigftens folange die päpftlicße Regie-
rung im Kird)enftaat fcßaltete, hinficßtlid) des nadkten und des Koftümakts zu macßen.

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