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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 5
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Noack, Friedrich: Modell und Akt in Rom, [2]: Geschichtliche Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0222

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zu [ein, die mündliche Überlieferung in deut[d)-römi[d)en Künftierkreifen erzählte von
il)r, daß [ie einmal mit einem Hilfsarbeiter ihres Gemahls davongelaufen ift, und daß
der Bankierfürft Corlonia zu feinen großen Ballfeften wohl den berühmten Profeffor,
der für die Könige von Preußen und Bayern und für den Londoner Hof arbeitete,
nid)t aber [eine Eßeßälffce eingeladen ßat. Äud) die meiften der zahlreichen weiblichen
Schönheiten, deren Reize auf Riedels Gemälden von ganz Europa bewundert wurden,
gehörten vom Standpunkt der gefellfchaftlichen Sitte nicht zu den befferen Elementen.
Stahr hat in [einen Betrachtungen über die deutfche Künftlerfdjaft in Rom einmal die
Bemerkung eingefloci)ten, die mei[ten Kütiftler gerieten in Abhängigkeit vom Modell,
was er auf die Selbftändigkeit ihres Schaffens bezogen hat. Bei Riedel trifft das Urteil
aber auch hiaf^tlid) [einer perfönlichen Verhältniffe zu. Der Künftler, der in [einen
beften Jahren [o glänzende Gefd)äfte gemacht hat, daß er Aufträge von Fürften ab-
weifen konnte, weil er keine 3^it dafür hatte, ift im Alter faft in Dürftigkeit geraten,
weil die öCIeiber, mit denen er [ich eingelaffen hatte, ihn bis an [ein Ende auszufaugen
verbanden. 3wei [einer vornehmeren Modelle find bereits genannt worden; aus der
großen Schar der übrigen find mit Namen bekannt eine Angelina aus Genzano, die
1830 auch von Ernft Rietfdjel gezeichnet worden ift, eine Mariuccia Joli aus Alvito,
Felicetta Berardi aus Albano, eines der gefud)teften Koftümmodelle, die zierliche Rö-
merin Rofina, genannt la mosd)inetta (das Mückchen), das Urbild [einer weltberühmten
Sakuntala, dann Chiaruccia, die er als Mutter mit dem [d)lafenden Kind am Meer
verewigt hat, und endlich Nazarena Crombetta, die er für den ruffifchen Diplomaten
v. Meyendorff als Odalifke gemalt hat, und von der Schlözer 1864 gefchrieben hat»
wenn die [ich Unter den Linden zeigen würde, [o liefe ganz Berlin zufammen. Die
Nachfolger von Riedels Kun[trid)tung, die mit der koloriftifd) firmlichen Verherrlichung
italienifcher Frauenfchönheit dem Gefchmack einer nie ausfterbenden Gattung von Kunft-
liebhabern in mehr oder minder manieriftifcher Uleife huldigten, haben zum Ceil die-
[elben Vorbilder benutzt. Der il)m auch zeitlich am nächten ftehende Leopold Pollak
und Rudolf Lehmann haben viel mit einer wilden Schönheit aus den Bergen gearbeitet,
einer gewiffen Pafcuccia, der verkörperten Lebensluft, deren Bildnis während der
fed)ziger Jahre in den Schaufenftern aller Kunftläden ftral)lte. Um diefelbe Seit be-
diente [ich tUilhelm öClider einer graziöfen Crasteverinerin, von der gerühmt wird, daß
[ie [ich wunderbar auf die Pofen verftand und die Künftler felbft über Äftßetik belehren
konnte. Schlözer, der 1864 von ihr erzählt, nennt [ie Ombellina Lipolla; der Name
ift zweifellos mißverftanden oder verfcßrieben, der Familienname dürfte Cipolla ge-
lautet haben.
Als eine ernfthaftere, faft feierliche Schönheit, die ebenfalls nach 1860 Auf [eben in
Künftierkreifen erregte, war Stella; Friedrich Preller d. Ä. hat in jenen Jahren für die
Entwürfe zu [einen Odyffeelandfchaften die Germana Mampieri aus Olevano und die
Giacinta Margiotti benutzt. Die letztere gehörte zu den Auserwählten. Sie war kaum
dem Kindesalter entwachfen, als [ie um 1855 wie ein neuer Stern am römifchen Modell-
himmel begrüßt wurde; ihre knofpende Schönheit wurde fofort eifrig von den Künft-
lern gefucht und ihre Sitzungen waren bald wochenlang im voraus verabredet. Sie
war klein von (Huchs, aber von einem wundervollen Ebenmaß der Körperformen und
einer klaffifcßen Hoh£it in Ausdruck und Bewegungen; obfcßon ohne alle Schulbildung,
befaß [ie doch jenen natürlichen Anftand, der uns oft an Italienern aus dem Volk über-
rafd)t. Ähnliche Erfcheinungeri in mancher Hmficht und doch wieder recht verfdjieden
von Giacinta waren die beiden durch Änfelm Feuerbach zur Berühmtheit gelangten
Römerinnen Nanna und Lucia, die ihm nacheinander von 1859 bis zu [einem Scheiden
von der Ewigen Stadt als Modelle und Freundinnen nahegeftanden tyaben. Von
keinem Künftler find wir [o eingehend und zuverläffig über das Verhältnis zu [einen
Vorbildern unterrichtet wie von Feuerbach, deffen Briefwechfel eine Fülle offenßerzigfter
Mitteilungen über [ie enthält. Keiner belehrt uns daher [o gründlich über die eigen-

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