Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

DOI Heft:
Heft 7
DOI Artikel:
Schmidt, Robert: Hessische Bauerntöpferei
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0313

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
innere nur an die ganz köftlidje Uiroler Cecßnik der Federpo[enfled)terei, die nur ein
einziger alter Mann in ganz Uirol t>eute nod) beherrfcßt — ift feßr beklagenswert.
Eine Sonderftellung hat bisher in faft allen Gegenden Deutfd)lands die Bauern-
töpferei eingenommen. Für ihre Erzeugniffe lag bis vor kurzem und liegt zum Geil
heute nod) bei der ländlichen Bevölkerung ein wirkliches Bedürfnis vor. Das, was fie
trotzdem zu erwürgen droht, ift nicht etwa die feinere Ärt ftädtifd)er Keramik, ift nicht
das Steinzeug oder gar das Porzellan, fondern das ift eins der unperfönlichften, kälteften
und häßlichsten Materialien: das Emailgefd)irr.
Nod) immer hat der Bauer und Gott fei Dank auch nod) mancher Städter, der fid)
Sinn bewahrt hat für die Formen und Farbkünfte fd)licl)ter, volkstümlicher Arbeiten,
feine Freude an den Schiffein und Kannen unferer Bauerntöpfer; nod) immer hängen
die Landbewohner an der behaglichen Spruchweisheit und den althergebrachten Blumen
und Figuren, die in der Ulerkftatt ihrer Dorftöpfer feit Generationen gemalt werden.
Steingut und Porzellan find auch zerbrechlich, machen daher keine ganz ernfthafte Kon-
kurrenz. Aber das fff Emailgefd)irr ift unverwüftlid). Und der Bauer ift praktifd).
Die Folge ift klar, Und da außerdem aud) der Bauerntöpfer feine bis zum Krieg wirk-
lich lächerlich geringen Preife — fie find aud) l)eute noch erftaunlid) niedrig! — infolge
der Erhöhung der Glafur-, Fjolz- und Arbeitspreife hßraufzufetsen gezwungen war,
ftockt der Abfatj. Id) hatte Gelegenheit, im lebten Sommer viele Uöpfer in heffifchen
Orten aller Gegenden zu befud)en. Faft überall diefelbe Klage: es fehlt der Nach-
wuchs! Die jungen Leute können beim üöpferhandwerk nicht viel und fd)nell genug
verdienen, fie wollen lieber in der Stadt leben und ins Kino gehen, als in der länd-
lichen üöpferwerkftatt von früh bis fpät die Fjände im feuchten Lehm ftecken haben.
So luftig es ausfieht, wenn die Eöpferfd)eibe fid) dreht und der Lehmklumpen unter
dem leifen Druck der Finger Form gewinnt, fo luftig es ift, zuzufehen, wie das „Mal-
hörnchen“ Blumen, Ornamente und Sprüche auf die Sd)üffel tropft, es ift kein leichtes
Fjandwerk, es erfordert große Gef<hicklid)keit und Geduld, Und oftmals macht ein
3ufall beim Brennen wochenlange Arbeit zunichte.
Im Fjeffenland hat die Bauerntöpferei von jeher in reichftem Maße geblüht. In Ober-
heffen, wo Marburg und Lauterbach befonderen Ruf haben, im Caunus, im Odenwald,
im Dal der Kinzig von Gelnl)aufen bis über Schlüchtern hinauf und im Vogelsberg,
überall faßen und fitjen noch tyeute die Nachkommen uralter Uöpfergenerationen und
arbeiten in der alten Uleife. Nur nicht mit dem alten Erfolg, Und vielfach find es
nur noch alte Leute, die neben ihrer kleinen Landwirtschaft ab und zu ihren Brennofen
heizen. Junge Füße treten in den feltenften Fällen die Cöpferfcheibe, fo daß man mit
ziemlicher Sicherheit fagen kann, daß in etwa 30 Jahren die ganze hefPfhe Bauern-
töpferei der Vergangenheit angehört und Mufeumsobjekt geworden ift. UIäre das nicht
ein Jammer?
So foll man verfuchen, dem Fjandwerk wieder auf die Beine zu helfen* Derartige
Verfud)e find bereits hier und da gemacht worden. Aber ohne Erfolg, weil man faft
immer darauf ausgegangen ift, die Bauerntöpferei zu „veredeln“, fie zu einer „Kunft“
zu machen. Ulie man niemals von einem Dorfmufikanten verlangen foll, daß er ein
Beethovenkonzert fpielt, fo foll man dem Bauerntöpfer nicht zumuten, feinen Cöpfen
eine elegant-fchwungvolle Form zu geben oder fie mit modernen, geiftvoll ausgedachten
Ornamenten zu fd)mücken. Sdßufter bleib bei deinem Leiften! Gerade das, was das
bleibend Ulertvolle an unferer Bauerntöpferei ift, das ift das Einfache, Unkomplizierte,
wenn man will Unbewußt-Primitive. Das ift die derbe Nutsform, die feit Generationen
als zweckentfpred)end, ßandfeft und daher vollkommen erkannt ift, das ift die fd)licl)te
Sprache des Dekors, der frifd)en, wenn auch auf wenige Cöne befchränkten Farben,
der keck ftilifierten Blumen, der naiven Figuren, der luftigen Sprüche.
Ulenn es gelingt, unfere Bauerntöpfer durch eien Fjinweis auf die fd)önereii — weil
noch gänzlich unbeeinflußten — Arbeiten ihrer Großväter und Urgroßväter wieder ge-

291
 
Annotationen