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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 11
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Stange, Alfred: Zur Wiederherstellung der Fuggerkapelle bei St. Anna in Augsburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0480

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durchgehende Cgpik erkennbar: der fpitjovale Schnitt der Äugen, die ftark betonten
Äugenbogen, der fcßarf umriffene, fcßmallippige Mund, die aufgelockerten Daare, die
dünnen, langgezogenen Gewandfalten, reich brokatieite Gewänder. Die vorkommenden
Verfchiedenheiten werden durch die verfd)iedenen Ärbeitsbedingungen und wechfelnden
Abhängigkeiten genügend erklärt.
Durch diefen Nachweis rückt Ädolf Daucßer in den Mittelpunkt der Äugsburger Kunft-
Produktion zu Anfang des 16. Jahrhunderts. Er muß einen fieberen Ruf gehabt, muß
zu den führenden, fortfchrittlichen Meiftern gehört haben, wenn ihm die Fugger die
Gefamtausftattung ihrer Grabkapelle übertrugen und von ihm die befte Interpretation
ihrer modernen Gepnnung erhofften. Spricht man zukünftig von Äugsburger Früh-
renaiffance, fo wird neben Dans Burgkmair ftets Ädolf Daucßer genannt werden müffen.
Allerdings an feßöpferifeßer Kraft hält er den Vergleich mit Burgkmair nicht aus. Er
ift nur in befchränktem Maße felbftändig und nimmt Anregungen, wo immer er fie
erlangen kann. Dürer, Burgkmair, die venezianifeßen Bildhauer, Nicoletto da Modena
und wohl auch die Niederländer gehören zu feinen künftlerifchen Nährvätern1; außer-
dem hat, wie ßalm deutlich zeigt, das geiftige Milieu Augsburgs und der Fjumanismus
der Fugger feine Arbeiten tiefgehend beeinflußt: im ganzen bleibt Daucßers Kunft ftets
erdgebunden. Immer ift er dort am beften, wo er die CUirklicßkeit wiedergibt. Ulird
mehr von ißm verlangt, verfagt er. Seine Menfcßen find bieder-bürgerlich, oft leer. Die
Ciefe Syrlinfcßer Cßarakteriftik ift ißm völlig verfagt. Im Scßlußkapitel erledigt ßalm
fcßließlich die Dauptfcße Flötnertßeorie und vermag noch einige weitere merke in meßr
oder weniger enge Verbindung mit Ädolf Daucßer zu bringen, vor allem jene zuerft
von Scßloffer publizierte Puttengruppe in Ulien.
Sicherlich war es falfcß, Flötner mit der Fuggerkapelle in direkte Verbindung zu bringen,
und doeß wird fie, will man fie in eine Entwicklungsreihe deutfeßer Renaiffancebauten
einordnen, ftets in feine Näße geftellt werden müffen. Denn in ißr dokumentiert fid)
am früßeften jene ftrenge, tektonifeße Bauweife, die in Flötners ülerken ißren erften
Dößepunkt erlebt. BeiderVorbild ift Italiengewefen, beideftreben eineorganifche, gliedernde,
Formbeßandlung, eine eindeutig beftimmte, plaftifcße Raumgeftaltung im Sinne der
italienifcßen Renaiffance an. Beide gehören fie zu jener Klaffe, die international gültige
und verftändlicße Formen erftrebt, die fich vorzugsweife aus fürftlicßen Bauten zufammen-
fe&t und notwendig in den ÜJerken nicht meßr deutfeßer, fondern italienifcßer, in Italien,
gefcßulter Meifter mündet. Streng muß fie von jener volkstümlicheren Bauweife ge-
feßieden werden, die fpätgotifeße und klaffifcße Elemente mifeßend noch bis ins 17. Jahr-
hundert an der aus dem Fünfzehnten überkommenen Cradition feftßält. An der Spitje
diefer ftrengen, von Italien infpirierten Entwicklung zu fteßen, macht die Bedeutung
der Fuggerkapelle aus.
Anders ift die Stellung Daud)ers. Er ift ein Übergangsmeifter, der nicht aus eigenem
Erleben, fondern durch äußere Einflüffe zur Renaiffance kam. Ulas ißn zu ißr führte,
war die Umgebung der Fugger und Burgkmairs, waren die Vorbilder der anderen Meifter.
Und bezeichnend ift es für ißn, daß der Annaberger Altar verglichen mit den tUerken
der Fuggerkapelle ftärkere gotifeße Reminifzenzen aufweift, unruhiger, fpielerifcßer
wirkt. Fjier, wo Daucßer nicht den Änweifungen feiner Äugsburger Auftraggeber und
den aus dem Geifte des neuen Jaßrßunderts ßervorgewaeßfenen Vorbildern folgend im
italienifcßen Stile arbeiten muß, fprießt er fid) in den Figuren (der arcßitektonifd)e Auf-
bau geht vielleicht auf feinen Soßn Dans zurück) in den altüberkommenen freien, will-
kürlich-fcßeinenden Formen der Spätgotik aus. In dem Gefcßlinge der Spruchbänder,
dem Geäfte des Stammbaumes äußert pd) jenes Streben nad) malerifcßer Verfechtung,
1 Die Hrkadenftellung der äußeren Klappen-Epitaphien pndet fid) ganz ätjnlid) auf Cimas Glori-
ßkation Johannes des Käufers (Venedig, S. Maria dell’Orto). Mögen nun auch für fie Dürerfdje
Vorzeicpnungen Vorgelegen haben — es ergäbe dies eine erneute Beziehung Dürers zu Cima —
oder nießt, fo feßeint diefe Verbindung enger als die zu den von Dalm angeführten Beifpielen.
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