ir gercite daz was harte guot
von golde und von gefteine.
Hud) fuort die maget reine
einen rok von pliäte.
von rotem figläte
t'uorte fi ein kappen an,
ein vedere, wlz alfam ein fwan,
daz niljt edelers mohte [in,
diu was guot Termin,
dar in gefürrieret,
mit 3obel wohl gezieret.
die 3öpfe wären enpflohten gar:
üf den [atel reicht ir tt)är,
daz was goltvar unde reit
darüf ein l)uot, der was breit,
von pfäwenfedern geftricket wol . . .
Hud) entfpricbt diefer fel)r ausführlichen Schilderung die Darftellung in den wenigften 3ügen.
Hbb. 3 [teilt die Szene dar, wie der König von Korntin (vielmehr die Erfcheinung [einer Seele)
üligalois eine Blüte von einem ttlunderbaum bricht, die ihn vor dem „boe[en fmac“ des Lind-
wurms, mit dem er im folgenden zu kämpfen hat, fchügen [oll. Die Schilderung des Königs
lautet: (V. 4629 ff.)
der het 3öpfe alfam ein öülp
beidiü [in wät und [in lip
diu waren lieht funnevar
lüter und [ö rehte klar.
ein houbet daz was fchöne
gezieret mit der Kröne ....
Eine Dar[tellung der niederfächfifchen Miniaturmalerei des Mittelalters gibt es nicht. Soweit
das Material erreichbar und für meine Gefehlte der Tafelmalerei nötig war, habe ich es heran-
gezogen \ So ift es immerhin möglich, die notwendige Umgrenzung vornehmen zu können. Eine
wirklich ekftatifche Kunft hat es in Niederfachfen in ihrer Blütezeit des 14. Jahrh. kaum gegeben.
So verwundert es nicht, in einer Anzahl von illuminierten Qandfdjriften, von denen die wichtigften
das Plenar Otto des Milden1 2, ein Miffale der Beverinfchen Bibliothek zu F)ildesl)eim3, die Sachfen-
chronik im Staatsarchiv zu Bremen4 und der (Uilhelm von Oranfe in der Stand. Landesbibliothek
zu Kaßel5 find, (fämtlich um 1340 entftanden), vorwiegend irgendwie realiftifch gemeinte und
anmutende Hnfätje, ein Loskommen vom zeichnerifchen, fpiijen, erregten Stile der vorausgehenden
Miniaturmalerei zu finden.
Bei unferen Miniaturen der etwa 30 Jahre [päter entftandenen Leidener IJandfchrift erfcheint
ein völlig anders gerichteter, faßt altertümlich erfcheinender, Stilwille. Gerade die Kraft der Hb-
[traktion, die Unbekümmertheit um das gewohnt Gegenftändliche, ein erfichtlicher Drang nach orna-
mental wirkender Stilifierung find hier in einem folchen Äusmaße beftimmend, daß [ie nicht über-
fehen werden können. Die Fiächenhaftigkeit der Bildanlagen und formale Übereinftimmungen
erwecken [ofort die Erinnerung an Textilien. Es find allerdings in Niederfachfen — wie wohl
überall — vorwiegend die Frauenklöfter gewefen, in denen diefer Kunftzweig zu vollendeter f)öl)e
gebracht worden ift. Aber es ift nicht nur die doch wohl beftimmt anzunehmende Männerhand,
die Eigenarten des Formgefüges felbft, laffen eine ftärkere Verbindung — etwa nach vorliegenden
„Teppichen“ — höchft unwahrfcheinlich erfdjeinen. Die unleugbare enge Verwandtfchaft erfordert
andere Erklärung. Ich habe den ktinftlerifch deutlich ausgefprochenen CUillen nach abftrakt-orna-
mentaler Geftaltung als einen die niederfächfifche Malerei ftreckenweife überhaupt [tark beftimmen-
den 3ug nachweifen können. Äus ihm entfpringt die Gefamtauffaffung und gewiffe Anlehnungen
an vorliegende Formulierungen, wie [ie in den Textilien zu finden waren; vor allem in den Dar-
ftellungen der Bäume, Blätter und Blüten. Der in den künftlerifchen Fähigkeiten zweifellos ge-
hemmte GUille verfällt dazu in Eigentümlichkeiten, die aller Primitivität gemeinfam find und die
wir heute nicht mehr gern nur mit „Unvermögen“ und „Nichtkönnen“ zu deuten bereit find. Der
illuftrative 3weck der Bildbeigaben und die anderwärts erreichte Möglichkeit zu einer dem Text
adaequaten Begebenheitsfchilderung laffen aber doch einen gewiffen Maßftab zu. Namentlich die
Miniatur Foll7v (Hbb. 1) zeigt da doch deutlich, daß Schwierigkeiten umgangen werden, fo daß eine
genaue Deckung zwifchen Text und Darftellung nicht erreicht wird. Mag man die tüertung: Un-
1 Vgl. V. Curt FiaWcDk Die mittelalterliche Malerei Niederfacbfens. Straßburg 1919.
;1 id. S. 62ff. und Äbb. in C£J. g. Naumann, Der Reliquienfdja^ des baufes Braunfdjweig-Liineburg. Olien 1891.
3 Ijabicbt, a. a. O., S. 64 ff. und Caf. X.
i Öabid)t, a. a. O., S. 68ff.
5 Fjabid)!', a. a. O., S. 69ff.
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von golde und von gefteine.
Hud) fuort die maget reine
einen rok von pliäte.
von rotem figläte
t'uorte fi ein kappen an,
ein vedere, wlz alfam ein fwan,
daz niljt edelers mohte [in,
diu was guot Termin,
dar in gefürrieret,
mit 3obel wohl gezieret.
die 3öpfe wären enpflohten gar:
üf den [atel reicht ir tt)är,
daz was goltvar unde reit
darüf ein l)uot, der was breit,
von pfäwenfedern geftricket wol . . .
Hud) entfpricbt diefer fel)r ausführlichen Schilderung die Darftellung in den wenigften 3ügen.
Hbb. 3 [teilt die Szene dar, wie der König von Korntin (vielmehr die Erfcheinung [einer Seele)
üligalois eine Blüte von einem ttlunderbaum bricht, die ihn vor dem „boe[en fmac“ des Lind-
wurms, mit dem er im folgenden zu kämpfen hat, fchügen [oll. Die Schilderung des Königs
lautet: (V. 4629 ff.)
der het 3öpfe alfam ein öülp
beidiü [in wät und [in lip
diu waren lieht funnevar
lüter und [ö rehte klar.
ein houbet daz was fchöne
gezieret mit der Kröne ....
Eine Dar[tellung der niederfächfifchen Miniaturmalerei des Mittelalters gibt es nicht. Soweit
das Material erreichbar und für meine Gefehlte der Tafelmalerei nötig war, habe ich es heran-
gezogen \ So ift es immerhin möglich, die notwendige Umgrenzung vornehmen zu können. Eine
wirklich ekftatifche Kunft hat es in Niederfachfen in ihrer Blütezeit des 14. Jahrh. kaum gegeben.
So verwundert es nicht, in einer Anzahl von illuminierten Qandfdjriften, von denen die wichtigften
das Plenar Otto des Milden1 2, ein Miffale der Beverinfchen Bibliothek zu F)ildesl)eim3, die Sachfen-
chronik im Staatsarchiv zu Bremen4 und der (Uilhelm von Oranfe in der Stand. Landesbibliothek
zu Kaßel5 find, (fämtlich um 1340 entftanden), vorwiegend irgendwie realiftifch gemeinte und
anmutende Hnfätje, ein Loskommen vom zeichnerifchen, fpiijen, erregten Stile der vorausgehenden
Miniaturmalerei zu finden.
Bei unferen Miniaturen der etwa 30 Jahre [päter entftandenen Leidener IJandfchrift erfcheint
ein völlig anders gerichteter, faßt altertümlich erfcheinender, Stilwille. Gerade die Kraft der Hb-
[traktion, die Unbekümmertheit um das gewohnt Gegenftändliche, ein erfichtlicher Drang nach orna-
mental wirkender Stilifierung find hier in einem folchen Äusmaße beftimmend, daß [ie nicht über-
fehen werden können. Die Fiächenhaftigkeit der Bildanlagen und formale Übereinftimmungen
erwecken [ofort die Erinnerung an Textilien. Es find allerdings in Niederfachfen — wie wohl
überall — vorwiegend die Frauenklöfter gewefen, in denen diefer Kunftzweig zu vollendeter f)öl)e
gebracht worden ift. Aber es ift nicht nur die doch wohl beftimmt anzunehmende Männerhand,
die Eigenarten des Formgefüges felbft, laffen eine ftärkere Verbindung — etwa nach vorliegenden
„Teppichen“ — höchft unwahrfcheinlich erfdjeinen. Die unleugbare enge Verwandtfchaft erfordert
andere Erklärung. Ich habe den ktinftlerifch deutlich ausgefprochenen CUillen nach abftrakt-orna-
mentaler Geftaltung als einen die niederfächfifche Malerei ftreckenweife überhaupt [tark beftimmen-
den 3ug nachweifen können. Äus ihm entfpringt die Gefamtauffaffung und gewiffe Anlehnungen
an vorliegende Formulierungen, wie [ie in den Textilien zu finden waren; vor allem in den Dar-
ftellungen der Bäume, Blätter und Blüten. Der in den künftlerifchen Fähigkeiten zweifellos ge-
hemmte GUille verfällt dazu in Eigentümlichkeiten, die aller Primitivität gemeinfam find und die
wir heute nicht mehr gern nur mit „Unvermögen“ und „Nichtkönnen“ zu deuten bereit find. Der
illuftrative 3weck der Bildbeigaben und die anderwärts erreichte Möglichkeit zu einer dem Text
adaequaten Begebenheitsfchilderung laffen aber doch einen gewiffen Maßftab zu. Namentlich die
Miniatur Foll7v (Hbb. 1) zeigt da doch deutlich, daß Schwierigkeiten umgangen werden, fo daß eine
genaue Deckung zwifchen Text und Darftellung nicht erreicht wird. Mag man die tüertung: Un-
1 Vgl. V. Curt FiaWcDk Die mittelalterliche Malerei Niederfacbfens. Straßburg 1919.
;1 id. S. 62ff. und Äbb. in C£J. g. Naumann, Der Reliquienfdja^ des baufes Braunfdjweig-Liineburg. Olien 1891.
3 Ijabicbt, a. a. O., S. 64 ff. und Caf. X.
i Öabid)t, a. a. O., S. 68ff.
5 Fjabid)!', a. a. O., S. 69ff.
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